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# taz.de -- Recht auf Asyl: Es sind doch bloß Bauchschmerzen
> Deutsche Politiker*innen schaffen fundamentale Menschenrechte ab und
> reden von Bauchschmerzen. Oder lernen von jenen mit kräftigem politischem
> Magen.
Bild: Giorgia Meloni und Ursula von der Leyen treffen den tunesischen Präsiden…
Warum haben so viele deutsche Politiker*innen immer Bauchschmerzen?
Ich kann verstehen, dass man bei Wärmepumpenkompromissen oder Details zur
Bahnreform Bauchschmerzen verspürt, wenn man nicht hundert Prozent der
eigenen Vorstellungen umsetzen kann. Aber bei der Abschaffung fundamentaler
Menschenrechte? Bauchschmerzen? Eigentlich sollte man dabei umfallen und
nie wieder aufstehen. Strikt politisch gesprochen, versteht sich.
Die EU-Innenminister*innenkonferenz hat vor Kurzem mit [1][der Reform des
Gemeinsamen Europäischen Asylsystems] das Recht auf Asyl faktisch
abgeschafft. Denn in Zukunft, wenn die Reform umgesetzt werden sollte,
werden Geflüchtete in Gefängnissen an den EU-Außengrenzen festgehalten.
Dort soll ihre Aussicht auf Asyl in einem Turboverfahren innerhalb weniger
Wochen geprüft werden. Wer den oberflächlichen Test nicht besteht, soll
zurück in einen unsicheren Drittstaat oder ins Ursprungsland abgeschoben
werden. Das wird freilich Schutzsuchende nicht daran hindern, Schutz zu
suchen, aber Asyl beantragen wird in der EU nun noch schwieriger, faktisch
unmöglich werden.
[2][Vor allem viele Grüne klagten] in den Tagen nach dieser
historisch-katastrophalen Entscheidung öffentlichkeitswirksam über
Bauchschmerzen. Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang schickte einen
schmerzvollen Tweet in die Welt hinaus: „Das ist eine verdammt schwierige
Entscheidung, die sich niemand leicht gemacht hat. Deshalb habe ich Respekt
für alle, die in der Gesamtabwägung zu einem anderen Entschluss gekommen
sind als ich.“ Da kommt einem der Magensaft hoch.
## Als würde Union mit AfD koalieren
Schlimme Dinge tun und sich dann öffentlich selbst bemitleiden, darin sind
Deutsche erprobt. Es zeigt, dass es jenen Grünen, SPDlern und sogar einigen
bei der FDP, die sich als „progressiv“ bezeichnen und die nun mal gerade
das Sagen haben, nur um sich selbst geht. Wenn eine Reform so ausgeht, als
ob die Union mit der AfD koalieren würde, stimmt etwas grundsätzlich nicht.
Eine gute Behandlung gegen solche Schmerzen würde alles infrage stellen:
Ernährung, Schlafrhythmus, politische Leitlinien, Kompromissbereitschaft
zum Abbau von Menschenrechten.
Oder man lernt halt von jenen mit kräftigen politischen Mägen. Ursula von
der Leyen [3][war vor wenigen Tagen in Tunesien]. Begleitet wurde sie von
der faschistischen Ministerpräsidentin Italiens, Giorgia Meloni. In
Tunesien regiert Präsident Kais Saied zunehmenden autoritär. Er schafft
Schritt für Schritt alle hart erkämpften Freiheiten im Land ab, vor allem
hat er sich in den vergangenen Monaten immer wieder rassistisch gegenüber
Flüchtenden geäußert. Schergen der Regierung machten Jagd auf Schwarze
Menschen, auf Schutzsuchende.
Ursula von der Leyen überreichte Saied dafür warme Worte, 150 Millionen
Euro Cash auf die Hand und die Aussicht auf weitere 900 Millionen Euro.
Hatte von der Leyen dabei Bauchschmerzen? Ich weiß es nicht. Aber ich
stelle mir vor, wie sie sich an die Schulter von Meloni schmiegt und
Giorgia ihr ein Geheimnis verrät: Du musst gar keine Bauchschmerzen haben.
15 Jun 2023
## LINKS
[1] /Deutsche-Debatte-um-EU-Asylreform/!5939769
[2] /Streit-um-EU-Fluechtlingspolitik/!5937481
[3] /Migration-als-Erpressungspotenzial/!5937499
## AUTOREN
Mohamed Amjahid
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