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# taz.de -- Unwort „Asylreform“: Die Deutung der anderen
> Die Verschärfung des Asylrechts in der EU wird als "Reform" verkauft.
> Klingt gut, oder? Medien übernehmen den Spin der Politik kritiklos.
Bild: Hier noch ohne „Reform“: der Weg zum Asyl (Archivbild)
Reform ist ein schönes Wort. Es bedeutet Erneuerung, wörtlich eigentlich
Wiederherstellung. 1957 war so ein Jahr, als das Wort seine semantische und
auch klangliche Schönheit unter Beweis stellen konnte: Die [1][damalige
Rentenreform beendete oder linderte zumindest die extreme Armut] unter
Millionen Rentnern in der Bundesrepublik, weil sie die Rentenhöhe an die
Lohnentwicklung koppelte, was vorher nicht der Fall war. So gewann Konrad
Adenauer die nächste Bundestagswahl, aber das ist eine andere Geschichte.
Reform – eine tolle Sache.
Seit einiger Zeit aber kleben Politiker, politische Spindoktoren und leider
auch Medien das hübsche, Fortschritt suggerierende Wort gedankenlos an
politische Entscheidungen, die für diejenigen, die es betrifft, eher eine
schlechte Nachricht sind. Hartz IV war staatlich-offiziell gesehen eine
„Sozialreform“, die aber bedauerlicherweise bedeutete, dass Arbeitslose nur
345 Euro bekamen und unter Sanktionsandrohung in meist sinnlose Maßnahmen
gesteckt wurden.
Jetzt haben wir eine „Asylreform“ – Tagesschau, Spiegel, Zeit [2][und auch
hier und da die taz] benutzen das Wort und übernehmen damit die Deutung –
neudeutsch: „Framing“ – der politischen Entscheider. „Asylreform“ kli…
nach Verbesserung, Entschlusskraft und Fortschritt.
Das mag der Fall sein für die Orbáns und Melonis der EU und hiesige
Politiker, die Angst vor dem Höhenflug der AfD haben. Für sehr viele
Asylsuchende bedeutet der Brüsseler Beschluss (schon klar, er muss noch
durch das EU-Parlament) aber keinen Fortschritt – ihre Chance, ein faires
Asylverfahren zu bekommen, dürfte damit künftig rapide sinken. Auch für
Familien mit Kindern wird er einen Zwangsaufenthalt in abgeschotteten
„Zentren“ bedeuten und eine mögliche Abschiebung in als sicher deklarierte
Staaten wie die in Nordafrika.
Medien sollten sorgfältig mit Sprache umgehen, denn wer soll es sonst tun.
Begriffe prägen die Sicht, mit der die Öffentlichkeit auf politische
Entscheidungen blickt – es ist nicht der Job der Medien, die Spins der
Politik kritiklos zu übernehmen.
11 Jun 2023
## LINKS
[1] /Debatte-Comeback-des-Staates/!5191202
[2] /Zaehes-Ringen-um-neues-Asyl-System/!5939573
## AUTOREN
Gunnar Hinck
## TAGS
Asyl
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Giorgia Meloni
Asyl
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Grüne
Schwerpunkt Flucht
Kirchentag 2023
Asyl
Italien
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