# taz.de -- Streit um EU-Asylgesetz: Die Grünen im Zwiespalt | |
> Der Grünen-Bundesvorstand hat die Richtlinie für die gemeinsame | |
> Asyl-Politik aktualisiert. Aber: In der Partei stößt auch der neue Antrag | |
> auf Kritik. | |
Bild: Hat den EU-Deal unterstützt: der Bundesparteivorsitzende der Grünen Omi… | |
BERLIN taz | Am Wochenende steht der Länderrat der Grünen an – und der Zoff | |
um Asylpoltik wird weiter gehen. So viel ist sicher. Denn am Montagabend | |
hat der Bundesvorstand der Partei zwar einen [1][aktualisierten Leitantrag] | |
veröffentlicht, aber auch der steht nun in der Kritik. | |
„Die Formulierungen lassen zu viel offen. Wir brauchen eine klare Haltung | |
zum Asylbeschluss der EU-Innenminister und gegen die Inhaftierung von | |
Menschen an den Außengrenzen“, sagt der grüne EU-Parlamentarier Rasmus | |
Andresen. Im Leitantrag steht zum Beispiel, die Grünen stünden für eine | |
individuelle und inhaltliche Prüfung [2][des Rechts auf Asyl] in der EU. | |
„Das passt aber mit der Unterstützung des Deals der Innenminister nicht | |
zusammen“, sagt Andresen. | |
Der neue Antrag wird wohl am kommenden Samstag beim Länderrat für | |
Diskussionen sorgen. Hier treffen sich unter anderem die Mitglieder des | |
Bundesvorstands und Delegierte der Landesverbände, Bundestagsfraktion, | |
Landtagsfraktionen und des Europaparlaments sowie von den | |
Bundesarbeitsgemeinschaften. Bei dem Treffen am Samstag beschließen die | |
Delegierten die grundlegenden Richtlinien der Grünen-Politik. Diese | |
Richtlinien halten sie in Form eines Leitantrags fest. | |
## Vorstand scheint unentschlossen | |
Seitdem der EU-Innenrat vergangene Woche Donnerstag eine Reform [3][des | |
europäischen Asylsystems (GEAS)] beschlossen hat, brodelt es bei den | |
Grünen. Bei vielen herrscht Unverständnis darüber, warum Deutschland | |
zugestimmt hat. | |
Bisher drückt der Leitantrag vor allem Unentschlossenheit aus. „Wir zollen | |
unseren jeweiligen Meinungen großen Respekt“, heißt es darin etwa. | |
Eigentlich sollte Bundesvorsitzende Ricarda Lang ihn schon Montagmittag | |
vorstellen. Dass die Zeit bis 14 Uhr dem Vorstand offenbar nicht reichte, | |
ist ein Hinweis darauf, wie schwierig es ist, einen Antrag zu formulieren, | |
der alle Positionen innerhalb der Partei unter einen Hut bringt. | |
Die Unzufriedenheit des Vorstandes mit dem Beschluss wird zwar anhand von | |
Sätzen wie diesem deutlich: „Die erzielte Einigung kann zentrale | |
Anforderungen nicht erfüllen, die wir an eine Asylpolitik der Humanität und | |
Ordnung stellen.“ Konsequenzen, wie etwa die eigene Zustimmung | |
zurückzuziehen, werden daraus im Antrag aber nicht gezogen. Stattdessen | |
wird vage dafür plädiert, sich im EU-Gesetzesverfahren für Verbesserungen | |
einsetzen zu wollen. | |
Unterstützt haben den EU-Deal Außenministerin Annalena Baerbock und der | |
Bundesparteivorsitzende Omid Nouripour. Sie sehen die Maßnahmen zwar | |
ebenfalls kritisch, verteidigen die Zustimmung der Bundesregierung aber als | |
eine notwendige Entscheidung: Hätte Deutschland dagegen gestimmt, „wäre | |
eine gemeinsame europäische solidarische Asylpolitik auf Jahre tot“, | |
schrieb Baerbock am Donnerstag. | |
Expert:innen befürchten, dass infolge des Deals kaum noch Menschen Asyl | |
gewährt werden würde. Viele würden stattdessen in sogenannten | |
Grenzverfahren landen, monatelang in Haftlagern sitzen und schließlich in | |
angeblich sichere Drittstaaten abgeschoben werden. Die Zustimmung zur | |
Reform empfinden viele Grüne als Verrat an der Parteilinie. Der | |
Bundesvorstand der Grünen reagierte auf die Kritik mit der Anpassung des | |
Leitantrags. | |
Andresen findet eine klare Positionierung der Grünen nicht nur in Bezug auf | |
GEAS wichtig. „Sowohl in der Bundespolitik als auch auf EU-Ebene liegen | |
viele Asylrechtsverschärfungen auf dem Tisch. Ich würde mir wünschen, dass | |
wir uns als Partei klar dazu verhalten und gegen die Verschärfungen weiter | |
kämpfen“, sagt Andresen. | |
## Diskussionsreicher Samstag erwartet | |
Sowohl Andresen als auch sein EU-Parteikollege Erik Marquardt rechnen mit | |
zahlreichen Änderungsanträgen, die beim Länderrat diskutiert werden müssen. | |
Auch Marquardt kritisiert den Asylbeschluss. „Es wird immer der Eindruck | |
erweckt, es gäbe nur diese eine Möglichkeit, Veränderungen [4][in der | |
EU-Asylpolitik zu] bewirken. Entweder das oder gar nichts“, sagt der | |
EU-Parlamentarier. Das stimme aber nicht. „Wir können Einfluss nehmen und | |
eigene Ideen einbringen.“ | |
Der Deal würde zudem seinen Zweck nicht erfüllen, sagt Marquardt. „Wir sind | |
als Partei davon überzeugt, dass Abschottung nur zu noch mehr Chaos an den | |
Außengrenzen Europas führen wird.“ Menschen auf der Flucht würden trotzdem | |
Wege nach Europa finden, wahrscheinlich noch gefährlichere als bisher. | |
Angesichts der heftigen Reaktionen auf den EU-Deal aus den Reihen der | |
Grünen stehen heiße Debatten bevor. „Die Diskussion ist wichtig, | |
schließlich ist Asylpolitik ein schwieriges, polarisierendes Thema“, sagt | |
Marquardt. Wenn am Samstag keine Einigung erreicht wird, werde die | |
Diskussion sogar in einem Sonderparteitag münden. | |
So wie der Asylkompromiss jetzt ist, lehnt Marquardt ihn ab: „Gar keinen | |
Deal zu haben, wäre immer noch besser als das, was der Rat beschlossen | |
hat.“ Für ihn sei es unerlässlich, dass die Partei ihrer eigenen Linie treu | |
bleibt. „Wir haben unseren Anspruch an die Asylpolitik im Koalitionsvertrag | |
formuliert und dazu müssen wir jetzt auch stehen.“ | |
13 Jun 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://antraege.gruene.de/1lr23/fur-eine-moderne-und-menschenrechtsorienti… | |
[2] /Reaktionen-auf-EU-Innenministerkonferenz/!5939577 | |
[3] /Zaehes-Ringen-um-neues-Asyl-System/!5939573 | |
[4] /Gruene-zur-EU-Asylreform/!5939707 | |
## AUTOREN | |
Alexandra Hilpert | |
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