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# taz.de -- Streit um Asylrechtsverschärfung: Grüne Jugend probt Aufstand
> Vor dem Länderrat gibt es Kritik am EU-Asylkompromiss von der grünen
> Parteispitze. Die Grüne Jugend will die Außenministerin zum Nein
> verpflichten.
Bild: Timon Dzienus, Co-Chef der Grünen Jugend, warnt vor der massiven Asylrec…
Berlin taz | Am Samstag treffen sich die Bündnisgrünen im hessischen Bad
Vilbel zum Länderrat, einer Art kleinem Parteitag. Der Termin war als
friedliches, fünf Stunden kurzes Treffen geplant, bei der sich eine einige
Partei präsentieren sollte. Im Leitantrag zu „Klimaneutralem Wohlstand,
Sicherheit, Gerechtigkeit“ heißt es gemütlich: „Deutschland steht im Juni
2023 gut da.“ Doch solche Wohlfühlsätze werden keine große Rolle spielen.
Denn beim Thema Asyl hagelt es Kritik. Der Grund: Außenministerin Annalena
Baerbock verteidigt den EU-Asylkompromiss, der unter anderem Lager an den
EU-Grenzen vorsieht und auch Abschiebungen in sogenannte sichere
Drittstaaten möglich machen soll. Besonders [1][arg finden viele Grüne],
dass auch Familien mit Kindern in die haftähnlichen Asyllager gesteckt
werden sollen. Nicht nur Parteilinke halten das Paket, das
SPD-Innenministerin Nancy Faeser als „historisch“ lobte, für unvereinbar
mit grünen Grundsätzen.
## Partei auf schärferen Ablehnungskurs bringen
Die Parteispitze, Omid Nouripour und Ricarda Lang, hat die Kritik in einen
neuen Leitantrag zum Thema Asyl eingearbeitet. Der EU-Asylkompromiss sei
„von den Positionen unserer Partei weit entfernt“, heißt es dort.
Kritisiert wird vor allem, dass es, anders als Faeser verkündet, keine
verpflichtende Verteilung von Flüchtlingen in die EU-Länder gibt. Die grüne
Parteispitze hofft, dass der Kompromiss im europäischen Parlament noch
entschärft wird. Man will sich dafür einsetzen, dass beim Trilog auf der
EU-Ebene ein „besserer Schutz von Familien mit Kindern und eine
verpflichtende Verteilung“ erreicht wird. Der Dreh des Leitantrages: Die
Grünen gehen auf [2][Distanz zu dem Asylkompromiss], allerdings
unverbindlich und ohne politische Konsequenzen.
Das halten Kritiker wie die EU-Abgeordneten Erik Marquardt und Rasmus
Andresen für zu wenig. Timon Dzienus, Co-Chef der Grünen Jugend, will mit
vier Änderungsanträgen die Partei auf einen schärferen Ablehnungskurs
bringen. „Die im Innenministerrat beschlossene Einigung hätte eine massive
Asylrechtsverschärfung zur Folge“, heißt es dort.
Die Zustimmung der Ampel sei „falsch“ gewesen. Das ist ein direkter Konter
gegen Baerbock, die trotz mancher Bedenken für Zustimmung zu dem
EU-Asylpaket wirbt. Die Grüne Jugend fordert zudem weitgehende
Veränderungen des EU-Gesetzes. So müssten Kinder und Familien grundsätzlich
aus den Grenzverfahren ausgenommen werden und es bedürfe einer
„verpflichtenden Verteilung von Geflüchteten sowie der Verhinderung von
Haft und Lager an den Außengrenzen und einer vollumfänglichen inhaltlichen
Prüfung eines jeden Asylantrags“.
## Eine richtige Revolte
Die entscheidende Passage in dem Änderungsantrag der Junggrünen zielt auf
politische Konsequenzen. Die grünen MinisterInnen sollen in der Ampel „ihre
Zustimmung zum Trilogergebnis von diesen Verbesserungen abhängig machen“.
Im Klartext – Baerbock & Co sollen das ganze Projekt verhindern. Genau das
will die grüne Parteiführung aber nicht. Denn dann stünde die nächste
Ampelkrise ins Haus.
Der Länderrat wird, anders als „große“ Parteitage, eher von Abgeordneten,
MinisterInnen und Amtsträgern dominiert. Und daher eher ungeeignet für
Aufstände. Allerdings, so munkeln manche Grüne, sei die Unzufriedenheit
riesig, nicht nur bei Parteilinken. Ein mögliches Szenario für Samstag
lautet: Der Länderrat verschärft die kritischen Passagen an dem
EU-Asylkompromiss im Leitantrag, so wie die Grüne Jugend und die beiden
Europa-Abgeordneten wollen – aber ohne Baerbock & Co auf ein Nein im
Kabinett zu verpflichten. Denn das wäre eine richtige Revolte.
15 Jun 2023
## LINKS
[1] /Reaktionen-auf-EU-Innenministerkonferenz/!5939577
[2] /Streit-um-EU-Asylgesetz/!5940550
## AUTOREN
Stefan Reinecke
## TAGS
Ampel-Koalition
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