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# taz.de -- Grüne zum EU-Asylkompromiss: Nicht mehr Teil der Bewegung
> Das grüne „Ja, aber“ ist realpolitisch gesehen verständlich. Trotzdem
> wird es die Partei verändern.
Bild: Wohlabgewogene Realpolitik: Grüner Länderrat am Sonnabend
Die Grünen haben sich beim Streit um den EU-Asylkompromiss geschmeidig und
rational verhalten. Sie fordern nach wie vor Verbesserungen wie ein
sogenanntes Menschenrechtsmonitoring und Familien von den Asyllagern
auszunehmen – [1][scheuen aber die Drohung, grüne MinisterInnen in der
Ampel auf ein Nein zu verpflichten]. Das hätte die nächste Ampel-Krise
bedeutet – in letzter Konsequenz den Bruch der Koalition. Dafür aber sind
die politischen Frontverläufe zu kompliziert, unübersichtlich, uneindeutig.
In der EU gibt es schlicht keine Mehrheit für eine liberale, offene, an
Menschenrechten orientierte Asylpolitik. Außenministerin Annalena Baerbock
hat bei den Verhandlungen auch keine hidden agenda verfolgt – getreu dem
Motto, insgeheim eine restriktive Linie zu wollen, die man listig den
politischen Sachzwängen anlastet. Deshalb wäre eine faktische
Misstrauenserklärung der Partei an sie zu schrill gewesen.
Ja, eine moralisch intakte Partei muss, wenn es um fundamentale Werte geht,
auf Macht und Einfluss verzichten können. In diesem Fall aber hätte das
Kosten produzieren können – wie den Bruch der Regierung –, ohne dass auf
der anderen Seite ein klarer Gewinn erkennbar wäre. Denn ob das, was
künftig an den EU-Grenzen mit den Asylzentren passiert, noch schlimmer sein
wird als das, was derzeit dort geschieht, kann man beim derzeitigen Stand
vermuten und befürchten – aber nicht sicher wissen. Wahrscheinlich ist
indes, dass man mit einem Aus des EU-Asylkompromisses auch noch den
migrationsskeptischen Regimen in Polen und Ungarn einen Gefallen getan
hätte.
Das grüne „Ja, aber“ ist nach den Geboten realpolitischer Abwägung also
nachvollziehbar und verständlich. Dass sich die Partei für ihre
Streitkultur ein paar Mal zu oft selbst auf die Schulter klopft, ist eher
ein ästhetischer Schaden.
## Mitverantwortlich für EU-Außengrenzen
Und doch hat diese elastische Vernünftigkeit und wohlabgewogene Realpolitik
ein Preisschild. Es ist nicht direkt sichtbar, eher versteckt im
Hintergrund. Die Zeiten, als sich die Grünen, wenn es gerade passte, als
eine Art parlamentarischer Arm von Pro Asyl in Szene setzen konnten, sind
endgültig vorbei. Die Grünen sind nicht mehr Teil einer Bewegung, die
entschlossen für das individuelle Recht auf Asyl streitet. Sie sind ab
jetzt mitverantwortlich für das, was an der EU-Außengrenze geschieht.
Das wird die Grünen prägen, nicht so spektakulär wie einst die Agenda 2010,
die mit einer spektakulären Wende die SPD zu einer anderen Partei machte –
sondern eher in einem Prozess der Gewöhnung an das scheinbar
Unabänderliche. [2][Dieses Jein wird die Grünen lautlos, unmerklich und
nachhaltig verändern]. Nicht zum Guten.
18 Jun 2023
## LINKS
[1] /Laenderrat-der-Gruenen/!5941355
[2] /Bedeutung-des-Asylkompromisses/!5938659
## AUTOREN
Stefan Reinecke
## TAGS
Asyl
GNS
Bündnis 90/Die Grünen
Schwerpunkt Flucht
Migration
Migration
EU-Grenzpolitik
Asyl
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