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# taz.de -- Preiskampf in der Biobranche: Ökoprodukte zu Dumpingpreisen
> In Supermärkten werden immer mehr Ökolebensmittel verkauft. Das setzt die
> Bioketten unter Druck – und bald vielleicht auch die Bauern.
Bild: Mais so weit das Auge reicht – müssen Ökobauern bald wieder auf Monok…
Berlin taz | Der Markt für Biolebensmittel hat sich durch den Eintritt von
Discountern in den vergangenen Monaten rasant verändert. Auch die
herkömmlichen Bio-Anbieter senken deshalb ihre Preise. So kündigte die
Biosupermarktkette Alnatura [1][Anfang Juni an], 32 Produkte dauerhaft
billiger anzubieten, zum Beispiel Kokosmehl und Bourbon-Vanille. Mit einem
Umsatz von 822 Millionen Euro und 133 Filialen ist das Unternehmen der
zweitgrößte Biofachhändler Deutschlands.
Damit reagiert Alnatura wohl auch auf die neue Konkurrenz: In Discountern
und konventionellen Supermärkten gibt es jetzt immer häufiger Bioprodukte.
Den Anfang machte der weltweit größte Discounter Lidl im November letzten
Jahres. Das Unternehmen stellte einen großen Teil seiner Bio-Eigenmarke,
die unter dem auflagenschwachen EU-Bio-Siegel vertrieben wird, [2][auf
Bioland-Produkte um].
Im Februar zog Kaufland nach und führt seitdem Demeter-Waren im Sortiment.
Deutschlands größter Lebensmittelhändler Edeka geht noch einen Schritt
weiter und kündigt an, [3][flächendeckend eigene Biofilialen] eröffnen zu
wollen. Neben dem EU-Bio-Siegel findet man also auch zunehmend die
strengeren privatwirtschaftlichen Label in den Regalen. Damit wächst die
Konkurrenz für klassische Bioketten wie denn’s, Alnatura und Bio Company.
„Viele setzen jetzt darauf, weil sie festgestellt haben, dass Bio sich vom
Nischenthema zum gesellschaftlichen Megatrend entwickelt hat“, sagt Joachim
Riedl, Professor für Marktforschung und Vertrieb an der Hochschule Hof.
Fast zwei Drittel des Umsatzvolumens mit Bioprodukten konnten
Vollsortimenter, Discounter und Drogeriemärkte im vergangenen Jahr
abgreifen, ergab eine Studie des Marktforschungsinstituts GfK. Bei
VerbraucherInnen kommt das Bio-Angebot zu Tiefstpreisen also gut an.
Dabei unterbieten sich die Billiganbieter gegenseitig. Ein
[4][Preisvergleich des regionalen Portals infranken.de] zeigt, dass sich
die Preise für Biolebensmittel bei Aldi, Lidl, Kaufland, Edeka und Rewe
stark unterscheiden. So ist der Einkauf von 18 vergleichbaren Bioprodukten
bei Aldi fast 9 Euro billiger als bei Rewe. Beispielsweise bietet
„Spitzenreiter“ Aldi Gouda-Käse mit EU-Bio-Siegel für 1,65 Euro,
„Schlusslicht“ Rewe für 2,52 Euro an. Für viele gilt auch bei nach
ökologischen Gesichtspunkten produzierten Waren: je billiger, desto besser.
„Die Preisspirale funktioniert in Deutschland so gut wie in keinem anderen
Land. Der Handel hat die Kunden hier zu Schnäppchenjägern gemacht“, betont
Riedl.
## Die Logik des Billigprinzips und der Klimawandel
HerstellerInnen, die Discounter oder Supermärkte beliefern, sind deswegen
enormem Druck ausgesetzt. Das gilt jetzt auch vermehrt für nachhaltig
produzierte Produkte. Die Billigheimer hätten durch die Mengen, die sie
abnähmen, ohnehin eine starke Marktmacht. „Die Verhandlungsmacht liegt ganz
eindeutig beim Händler“, sagt der Marktforscher. Die Logik des
Billigprinzips setze die Produzenten unter Druck. „Der Discounter muss nach
außen signalisieren, dass er Niedrigpreispolitik betreibt“, betont Riedl.
Gefährlich sei das für die HerstellerInnen, wenn sie mehrheitlich
Discounter beliefern und so in ein Abhängigkeitsverhältnis geraten.
„Der Handelspreis fängt an sich von den reellen Erzeugungskosten zu
entkoppeln“, warnt bereits Phillip Brändle, Mitglied im Bundesvorstand der
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Der Preis eines
Produkts setze sich oft nicht mehr einfach aus Erzeugungskosten und
Handelsmargen zusammen, sagt er. Die Präsenz von billigeren Bioprodukten im
Discounter beeinflusse die Preise im Fachhandel immer mehr – möglicherweise
ein Grund für Reduzierungen wie im Fall von Alnatura.
„Die erste Folge von Preisdruck ist oft, dass sich Bauern und Bäuerinnen
spezialisieren“, sagt der Landwirtschaftsexperte. Das gefährde den
geschlossenen Betriebskreislauf, ein zentrales Leitbild im Ökolandbau.
Danach werden Ackerbau und Viehhaltung aneinandergekoppelt. Das sei
kostspieliger und arbeitsintensiver als monotone Landwirtschaft und falle
deshalb häufig als Erstes den neuen Marktmechanismen zum Opfer. Die Folge
sind für Schädlinge anfällige Monokulturen, die maßgeblich zur Bedrohung
der Artenvielfalt beitragen. „Wie Bauern entlohnt werden, beeinflusst auch,
wie klimaschonend diese wirtschaften können“, meint Brändle.
17 Jun 2019
## LINKS
[1] https://bio-markt.info/berichte-fuer-abonnenten/alnatura-senkt-preise-dauer…
[2] /Oekomarke-beim-Discounter/!5540247
[3] /Groesster-deutscher-Lebensmittelhaendler/!5580777
[4] https://www.infranken.de/ueberregional/wirtschaft/bio-produkte-im-preis-ver…
## AUTOREN
Julia Springmann
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