# taz.de -- Gesetz gegen unfairen Handel: Ketten diktieren weiter die Preise | |
> Der Bundestag hat ein Gesetz beschlossen, um die Marktmacht von | |
> Supermärkten zu brechen. Die CDU spricht von einem „Schutzwall“, Kritik | |
> kommt von NGOs. | |
Bild: Ganz schön viel Marktmacht: Warteschlange vor einer Aldi-Filiale in Hann… | |
Berlin afp/taz | Auftragsstornierungen in letzter Minute oder einseitige | |
Vertragsänderungen: Solche unfairen Praktiken im deutschen | |
Lebensmittelhandel sollen bald der Vergangenheit angehören. Der Bundestag | |
stimmte am Donnerstag einer entsprechenden Änderung des | |
Agrarmarktstrukturgesetzes zu. Landwirte und Verbraucherschützer begrüßten | |
die Neuregelung, aus der Opposition und der Zivilgesellschaft kam hingegen | |
Kritik. | |
Leider hätten „Bundesregierung und Bundestag die Chance verpasst, dem | |
ruinösen Preiskampf im Lebensmitteleinzelhandel einen Riegel vorzuschieben | |
und den Einkauf unterhalb der Produktionskosten als unlautere | |
Handelspraktik in das Gesetz aufzunehmen“, heißt es [1][in einer Mitteilung | |
der Nichtregierungsorganisationen Brot für die Welt, Forum Fairer Handel | |
und GEPA vom Freitag]. Damit bliebe „auch vielen Bananenproduzentinnen und | |
–produzenten in Peru beispielsweise der Weg zu existenzsichernden Einkommen | |
und Löhnen verwehrt.“ | |
## „Der Kosten- und Preisdruck wird weitergegeben“ | |
Aufgrund ihrer Marktmacht können Supermarktketten weiter ihren Lieferanten | |
die Preise diktieren. „Der Kosten- und Preisdruck wird so entlang der | |
Lieferkette an die Erzeugerinnen und Arbeiter weitergegeben – in | |
Deutschland und Europa genau wie im Globalen Süden“. | |
Das Gesetz sei „ein wichtiger Schritt für mehr Fairness im | |
Lebensmittelmarkt“, erklärte dagegen der Vorstand des Verbraucherzentrale | |
Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller. Viele Verbraucher wollten sich | |
nachhaltig ernähren, Preisdruck sei nicht in ihrem Interesse. Auch der | |
Deutsche Bauernverband (DBV) wertete die Nachbesserung als „positives | |
Signal“, wie Generalsekretär Bernhard Krüsken sagte. | |
Die ernährungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Ursula Schulte, lobte | |
die Stärkung der Marktposition von landwirtschaftlichen Betrieben und | |
Landwirten. „Das ist nur gerecht, denn am Ende sind sie es, die unsere | |
Lebensmittel produzieren, nicht Supermärkte.“ | |
## Ruinöser Preiswettbewerb | |
Aus der Union kam Kritik an den „großen Vier“ – den Supermarktketten Ald… | |
Lidl, Edeka und Rewe. Es sei ein Kampf zwischen „David und Goliath“, wenn | |
sie den Erzeugern ihren „ruinösen Preiswettbewerb“ aufdrückten, sagte | |
Fraktionsvize Gitta Connemann (CDU). „Deshalb bauen wir für sie einen | |
Schutzwall.“ | |
[2][Den Grünen geht das Gesetz nicht weit genug.] Sie forderten ein Verbot | |
für zu niedrige Preise für Lebensmittel. Außerdem müsse unlauteres Handeln | |
generell untersagt werden, nicht nur einzelne Praktiken, mahnte ihr | |
agrarpolitischer Sprecher Friedrich Ostendorff. Das Verbot von | |
Listungsgebühren für bereits am Markt eingeführte Produkte findet | |
Ostendorff dagegen gut. | |
Sein größter Kritikpunkt ist, dass das Gesetz nicht die Methoden verbiete, | |
unter denen viele Bauern litten – „allen voran die gängige Praktik der | |
Molkereien, den Milchlieferpreis erst nachträglich festzuschreiben“, sagte | |
er zur taz. Deshalb werde das Gesetz auch laut der Arbeitsgemeinschaft | |
bäuerliche Landwirtschaft „nicht zu einer nennenswerten Stärkung | |
landwirtschaftlicher Betriebe in der Wertschöpfungskette führen“. | |
Der agrarpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Gero Hocker, kritisierte das | |
Gesetz als „Augenwischerei“. Die Große Koalition versuche, ihre „für die | |
Landwirte zermürbende Politik dem Lebensmitteleinzelhandel in die Schuhe zu | |
schieben“. Die Situation der Landwirte könne nur durch eine Stärkung des | |
Bundeskartellamts verbessert werden. | |
Das Gesetz dient der Umsetzung einer EU-Richtlinie, die erstmals einen | |
EU-weiten Mindestschutzstandard für Unternehmen in der Agrar- und | |
Lebensmittelversorgungskette vorsieht. Neben dem Verbot einiger unlauterer | |
Handelspraktiken wird eine Ombudsstelle eingerichtet, an die sich die | |
landwirtschaftlichen Betriebe bei unlauteren Praktiken wenden können. | |
7 May 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.brot-fuer-die-welt.de/pressemeldung/2021-dumpingpreise-zuegig-v… | |
[2] /Agrarmarktstrukturgesetz-im-Bundestag/!5746160 | |
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