| # taz.de -- Agrarmarktstrukturgesetz im Bundestag: Die Macht der Discounter bre… | |
| > Ein neues Gesetz soll verhindern, dass Händler Lieferanten mit unfairen | |
| > Methoden unter Druck setzen. Doch ändern wird es nur wenig. | |
| Bild: Gesetzentwurf soll kleinere Lieferanten und Bauern gegenüber Aldi und Co… | |
| Berlin taz | Der Bundestag berät ab Mittwoch über einen Gesetzentwurf der | |
| Regierung, der kleinere Lieferanten und Bauern gegenüber den großen | |
| Supermarktketten stärken soll. Das [1][Agrarmarktstrukturgesetz] von | |
| Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) soll „unlautere | |
| Handelspraktiken“ verbieten – zum Beispiel dass Käufer Bestellungen von | |
| verderblichen Lebensmitteln kurzfristig stornieren. | |
| Händler dürften auch nicht mehr einseitig die Lieferbedingungen, | |
| Qualitätsstandards oder Zahlungskonditionen ändern. Ebenso müssten | |
| verderbliche Lebensmittel binnen 30 Tagen und nicht verderbliche | |
| Nahrungsmittel innerhalb von 60 Tagen nach Lieferung bezahlt werden. | |
| Verstöße sollen mit Geldbußen von bis zu 500.000 Euro bestraft werden. | |
| Damit will die Große Koalition eine EU-Richtlinie umsetzen, die die Folgen | |
| des Machtgefälles zwischen dem Lebensmitteleinzelhandel und den Lieferanten | |
| verringern soll. In Deutschland erzielen die vier größten Handelsketten | |
| mehr als 85 Prozent des Branchenumsatzes. Ihnen stehen Tausende Lieferanten | |
| – zum Beispiel Fleischfabriken, Molkereien und Bauern – gegenüber. „Das … | |
| dazu geführt, dass sich Praktiken etabliert haben, die Erzeuger klar | |
| benachteiligen“, so das Agrarministerium. | |
| Das Gesetz könnte vor allem zwei Konsequenzen haben: Erstens könnte es | |
| dafür sorgen, dass einige Bauern mehr Geld für ihre Produkte bekommen. Das | |
| zumindest verspricht Klöckner, [2][wenn Landwirte gegen zu niedrige | |
| Erzeugerpreise demonstrieren.] Zweitens müssen die VerbraucherInnen laut | |
| der Vorlage möglicherweise bald etwas mehr für ihre Lebensmittel bezahlen, | |
| falls Aldi und Co. die höheren Einkaufspreise an ihre Kundschaft | |
| weitergeben. | |
| ## Händler spielen die Lieferanten aus | |
| Wie viel mehr, lässt der Entwurf offen. Aber es wird sicherlich dabei | |
| bleiben, dass Deutschland einer der EU-Staaten ist, in denen die Haushalte | |
| die [3][geringsten Anteile ihres Einkommens für Lebensmittel] ausgeben. | |
| Denn das Gesetz wird nicht die Ursache beheben, weshalb die | |
| Supermarktketten mit unfairen Methoden überhaupt durchkommen können: dass | |
| wenige Händler viele Lieferanten gegeneinander ausspielen können. An die | |
| extreme Marktkonzentration im Lebensmitteleinzelhandel wagt sich die Große | |
| Koalition nicht heran. Alles andere wäre ja eine Revolution, und die will | |
| die CDU bekanntlich nicht. | |
| Daran werden auch die Verschärfungen des Entwurf nichts ändern, die Gitta | |
| Connemann, die für Agrarpolitik zuständige Vizevorsitzende der | |
| CDU/CSU-Fraktion, durchsetzen will. Im Fachblatt [4][Top Agrar] forderte | |
| sie ein Verbot für Supermärkte, von Lieferanten Gebühren für die Aufnahme | |
| etablierter Produkte ins Sortiment und Werbung zu verlangen. Außerdem ist | |
| Connemann dafür, dass das Gesetz nicht nur Lieferanten mit einem | |
| Jahresumsatz unter 350 Millionen Euro, sondern am liebsten 2 Milliarden | |
| Euro schützt. | |
| Listungsgebühren konsequent zu untersagen findet auch Friedrich Ostendorff | |
| gut. „Wir wollen nicht die Verarbeitungsindustrie, sondern die Erzeuger vor | |
| dem Handel schützen, deshalb wäre eine zu hohe Umsatzschwelle falsch“, | |
| sagte der agrarpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag der taz. Sein | |
| größter Kritikpunkt ist allerdings, dass das Gesetz nicht die Methoden | |
| verbiete, unter denen nicht Lebensmittelfabriken, sondern Bauern litten – | |
| „allen voran die gängige Praktik der Molkereien, den Milchlieferpreis erst | |
| nachträglich festzuschreiben“. Deshalb werde das Gesetz laut der | |
| Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft „nicht zu einer nennenswerten | |
| Stärkung landwirtschaftlicher Betriebe in der Wertschöpfungskette führen“. | |
| Der Handelsverband Deutschland, der zum Beispiel Aldi vertritt, lehnt das | |
| Gesetz ab, weil es „zu weniger Wettbewerb und in der Folge zu steigenden | |
| Verbraucherpreisen“ führe. Die Bauern würden davon nicht profitieren, weil | |
| die Lebensmittelhersteller kein Interesse hätten, größere Gewinne an die | |
| Landwirte weiterzugeben. | |
| 26 Jan 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/261/1926102.pdf | |
| [2] /Landwirte-blockieren-Discounter-Lager/!5735376 | |
| [3] https://ec.europa.eu/eurostat/de/web/products-eurostat-news/-/DDN-20191209-… | |
| [4] https://www.topagrar.com/management-und-politik/news/connemann-wir-muessen-… | |
| ## AUTOREN | |
| Jost Maurin | |
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