# taz.de -- Niedrige Milch- und Fleischpreise: Die Angst vor den Billigimporten | |
> Mehr Tierschutz würde Frischmilch und -fleisch aus Deutschland im | |
> Preiswettbewerb benachteiligen, sagen Landwirte. Eine berechtigte Angst? | |
Bild: Protest gegen den Preisdruck der Discounter im Dezember in Barmstedt | |
Berlin taz | Die beiden größten deutschen Discounter kaufen Frischmilch und | |
-fleisch hauptsächlich hierzulande ein. „Unsere Frischmilch wird fast | |
ausschließlich in Deutschland produziert und verarbeitet“, teilte Lidl der | |
taz auf Anfrage mit. „Den überwiegenden Anteil beziehen wir von | |
Lieferanten, die hierzulande ansässig sind“, schrieb Aldi. Der Discounter | |
kündigte nun sogar an, seine konventionelle und Bio-Frischmilch nur noch | |
aus deutscher Landwirtschaft beziehen. | |
Auch das Frischgeflügel und anderes Frischfleisch stamme „zu fast 100 | |
Prozent aus Deutschland“, so Lidl. „Mehr als 90 Prozent der von uns | |
verkauften Frischfleischprodukte und rund 80 Prozent der Wurstwaren stammen | |
ebenfalls aus deutscher Erzeugung“, erklärte Aldi. | |
Bei Obst- und Gemüse liege „der Anteil von Artikeln aus deutschem Anbau am | |
Gesamtsortiment, soweit saisonal möglich, bei über 50 Prozent“, schrieb | |
Lidl. Aldi gab hier nur an, „wo immer möglich“, diese Waren in Deutschland | |
zu kaufen. | |
Der Selbstversorgungsgrad Deutschlands ist bei Obst und Gemüse geringer als | |
etwa bei Milch und Fleisch, weil die Ernte schnell verderblicher | |
pflanzlicher Produkte wegen des Klimas hierzulande nur während weniger | |
Monate möglich ist. | |
## Unklarheit bei der Herkunft der Rohstoffe | |
Deutsche Bauern behaupten vermehrt, billigere Lebensmittelimporte würden | |
ihre eigenen Produkte verdrängen. Der bei seinen Berufskollegen wegen | |
seiner Videoposts sehr beliebte Landwirt Christian Lohmeyer behauptete etwa | |
bei Facebook: „In unseren Läden stapeln sich zunehmend [1][chinesische | |
Lebensmittel] - während wir Bauern die Quadratur des Kreises im Umwelt- und | |
Tierschutz vollbringen sollen!“ [2][Auch deshalb lehnen sie schärfere | |
Umwelt- und Tierschutzvorschriften ab], die ihre Produktionskosten erhöhen | |
würden. Der Deutsche Bauernverband fordert eine [3][verpflichtende | |
Herkunftskennzeichnung]. | |
Die Discounter machten aber keine Angaben dazu, woher die Rohstoffe von in | |
Deutschland hergestellten Nahrungsmitteln kommen. Der Verband Freie Bauern | |
und eine unabhängige Gruppe von Landwirten hatten vor kurzem beim | |
weltgrößten Fertigpizza-Hersteller, Freiberger, in Berlin gegen den | |
Preisdruck demonstriert, den die Branche durch „Verwendung billigster | |
Rohstoffe aus dem Ausland gegen die heimische Landwirtschaft ausübt“. | |
Freiberger ist eine Tochterfirma des Südzucker-Konzerns, einer | |
Genossenschaft von Bauern. In deren Aufsichtsrat sitzt auch der Präsident | |
des Bauernverbands, Joachim Rukwied. | |
Zahlen zur Herkunft der Rohstoffe waren weder bei der Bundesanstalt für | |
Landwirtschaft und Ernährung noch beim Statistischen Bundesamt zu bekommen. | |
Allerdings produzieren die deutschen Bauern laut Statistik rechnerisch | |
gesehen schon jetzt rund 90 Prozent der Lebensmittel, die hierzulande | |
verbraucht werden. Der Selbstversorgungsgrad bei Schweinefleisch liegt bei | |
120 Prozent und bei fast allen Milcherzeugnissen ebenfalls bei über 100 | |
Prozent. | |
## Die Sorge ist sehr prinzipiell | |
2019 bezogen deutsche Molkereien nur 695.000 Tonnen Kuhmilch aus anderen | |
EU-Ländern, wie Zahlen des Branchendienstes [4][ZMB] zeigen. Das entspricht | |
2 Prozent der gesamten Milchanlieferungen. Gegenrechnen müsste man sogar | |
noch die Mengen die deutsche Bauern an ausländische Molkereien liefern. Vor | |
Importen von außerhalb der EU schützt die Europäische Union ihre | |
wichtigsten Agrarmärkte durch hohe Zölle. | |
Auch Reinhard Jung, Pressesprecher der Freien Bauern, schätzt, „dass die | |
allermeisten in Deutschland verbrauchten Agrarrohstoffe aus Deutschland | |
kommen (schon um Transportkosten zu sparen)“. Aber die Verwendung | |
ausländischer Billigprodukte brauche keine relevante Größenordnung zu | |
erreichen, um den deutschen Bauern zu schaden. „Allein die Tatsache, dass | |
sie erfolgt und jederzeit beliebig ausgedehnt werden kann, reicht aus, um | |
die Preise für uns massiv zu drücken. Mit einer verpflichtenden | |
Herkunftskennzeichnung wäre die beliebige Ausdehnbarkeit (so der | |
Verbraucher mitspielt) erheblich eingeschränkt“, schrieb Jung der taz. | |
10 Jan 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.facebook.com/100003184682039/videos/3528565150592940/ | |
[2] /CDU-Politiker-ueber-Klimaziele/!5738370 | |
[3] /Bauernverband-gibt-Widerstand-auf/!5488129 | |
[4] http://www.moproweb.de/zmb2020 | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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