# taz.de -- Neue Partei: Wer würde sie wählen? | |
> Sahra Wagenknecht findet Zustimmung auch unter Menschen, die bisher | |
> Linke, SPD oder Grüne gewählt haben. Was sind die Gründe dafür, was | |
> bewegt sie? | |
Auf dem Parkplatz vor dem Werktor merkt Frank Loock, dass er nicht mehr | |
richtig dazugehört. Loock arbeitet als Führungskraft bei einem | |
Automobilkonzern in Niedersachsen, seit über 30 Jahren ist er in der Firma. | |
Sonst konnte Loock morgens wie alle anderen durch das stählerne Werktor auf | |
das Gelände fahren. Jetzt aber darf er das nicht mehr. Frank Loock muss den | |
Wagen vor dem Werk parken, sich in eine Schlange stellen und warten. | |
Es ist November 2021, die [1][Delta-Variante geht gerade um]. Alle | |
Ungeimpften müssen beim Wachdienst einen Coronatest vorweisen. Das Werktor | |
hat ein Dach, aber das reicht nicht bis hinaus auf den Parkplatz. Da stehen | |
sie, jeden Morgen, auch bei Regen, mal 40, mal 80 Leute, während die | |
Kolleg*innen an ihnen vorbeifahren. | |
Als Führungskraft kennt man ihn, so viele gibt es am Standort nicht. Alle, | |
die vorbeikommen, wissen nun: Der Loock hat sich nicht impfen lassen. Frank | |
Loock, promovierter Chemiker, drahtig und nicht besonders groß, stellt sich | |
in diesen Momenten extra gerade hin. Sollen sie ihn doch sehen. | |
So erzählt er es knapp zwei Jahre später. An einem Dienstag im August hat | |
Frank Loock wieder vor dem stählernen Tor geparkt, jetzt am Abend ist es | |
geschlossen. Längst gelten keine Coronaauflagen mehr. Doch die Situation | |
geht ihm immer noch nach. „Ich habe das als eine Entwürdigung meiner Person | |
empfunden“, sagt er. Seiner Firma gibt er nicht die Schuld, sie habe nur | |
Vorgaben umgesetzt, sie sei ein „Spiegel der Politik“ gewesen. | |
Frank Loock, 58, stammt aus einer Arbeiterfamilie, [2][die SPD war wichtig, | |
Willy Brandt], Helmut Schmidt. Nun sagt er: „Die SPD mit Scholz an der | |
Spitze ist für mich unwählbar geworden.“ | |
Er ist sich noch nicht sicher. Aber sollte Sahra Wagenknecht tatsächlich | |
eine neue Partei gründen, könnte es schon sein, dass Frank Loock, der lange | |
durch und durch Sozialdemokrat war, für sie stimmt. Und das hätte dann ein | |
wenig auch mit der Situation vor dem Werktor zu tun. | |
Seit Monaten wird [3][über die Gründung einer Wagenknecht-Partei | |
spekuliert], wie sie die Parteienlandschaft in Deutschland verändern | |
könnte. Offiziell sagt Sahra Wagenknecht, sie wolle sich bis zum Jahresende | |
entscheiden, die Pläne klingen aber längst konkret. Naheliegend wäre, dass | |
sie bei der [4][Europawahl im Juni] 2024 das erste Mal mit eigener Partei | |
antritt. | |
Wie viele Menschen Wagenknecht wirklich wählen würden, ist schwer | |
abzuschätzen. In einer [5][Mitte August veröffentlichten Forsa-Umfrage] | |
sagten 3 Prozent der Befragten, sie würden eine Wagenknecht-Partei „auf | |
jeden Fall“ wählen, 18 Prozent gaben an, die Wahl in Erwägung zu ziehen. | |
Rund ein Fünftel der Befragten zeigte sich also – wie in [6][anderen | |
Umfragen] zuvor – mehr oder weniger offen für eine solche Partei. | |
Sahra Wagenknecht kommt vor allem bei Wähler*innen der Linkspartei und | |
der AfD gut an. Glaubt man den Umfragen, könnten aber auch alle anderen | |
Parteien Stimmen an sie verlieren. Demnach zieht [7][jede*r siebte SPD- | |
und Grünen-Wähler*in] zumindest in Erwägung, das Kreuz bei Wagenknecht zu | |
machen. Wer mit dem Gedanken spielt, eine neue Partei zu wählen, tut das am | |
Ende nicht unbedingt. Aber schon das Gedankenspiel drückt etwas aus: | |
Offenbar findet Wagenknecht nicht nur unter Wähler*innen der Ränder | |
Anklang, sondern bis in die Mitte der Gesellschaft. Und bis in Milieus, die | |
auch der taz nahestehen. | |
Wer sind die Menschen, die bislang Linke, SPD oder Grüne gewählt haben und | |
die jetzt überlegen, für eine Wagenknecht-Partei zu stimmen? Was bewegt | |
sie, warum wenden sie sich von den etablierten Parteien ab? | |
Um das herauszufinden, haben wir im Juni eine Mail über den | |
Genossenschaftsverteiler der taz verschickt, also an etwa 18.000 Adressen. | |
Schnell wurde deutlich, wie sehr das Thema polarisiert. Rund 20 | |
Genoss*innen rieten davon ab, sich mit dem Thema näher zu beschäftigen. | |
Die einen hielten das Vorhaben für „gefährliches Terrain“, ein anderer | |
hatte Sorge, die taz würde „Wirrköpfen“ ein Forum bieten. Die Angst vor | |
unliebsamen Meinungen sollte in der Recherche tatsächlich eine Rolle | |
spielen – aber anders als von dem Genossen gedacht. | |
Rund 60 Personen, die sich angesprochen fühlten, meldeten sich zurück. Der | |
Erste war Frank Loock, schon nach einer Viertelstunde schickte er eine | |
Mail. Auch Shannon Mesing, eine 32-jährige Ingenieurin aus | |
Schleswig-Holstein, schrieb zurück. Sie habe bisher die Grünen oder die | |
Linke gewählt. „Ich sehe meine Ansichten bei keiner der größeren Parteien | |
mehr vertreten.“ Hartmann Vetter, der jahrzehntelang Geschäftsführer des | |
Mietervereins in Berlin war, mailte: „Ihr sucht Gesprächspartner*innen, die | |
bei Wagenknecht andocken könnten. Ich bin so jemand.“ | |
Wie sich im Laufe der Gespräche herausstellen sollte, haben Frank Loock, | |
Shannon Mesing und Hartmann Vetter teils gegensätzliche Meinungen zu den | |
großen Themen der Zeit, zu Corona etwa oder zum Krieg in der Ukraine. Und | |
doch gibt es Gründe, warum sich alle drei bei Sahra Wagenknecht | |
wiederfinden. Gründe, die weit über das Phänomen Wagenknecht hinausweisen. | |
„Hier entlang!“, ruft Shannon Mesing und winkt den Besuch durch den Garten | |
auf die Terrasse. Es ist ein sonniger Samstag im August, der Wind pustet | |
dicke weiße Wolken über den Himmel. Shannon Mesing, im schulterfreien | |
Sommerkleid, stellt geschnittenes Obst auf den Holztisch. Wir unterhalten | |
uns draußen, das Wohnzimmer ist noch eine Baustelle. Shannon Mesing und ihr | |
Mann haben das rote Klinkerhaus am Rand von Neustadt in Holstein vor | |
einiger Zeit gekauft, für sich und die zwei Kinder. Das Haus stammt aus den | |
1960er Jahren, sie renovieren gerade. Ein Anbau ist geplant, auch Mesings | |
Mutter soll einziehen. Sie überlegen, Solarzellen auf das Dach zu | |
montieren. | |
Mesing will die Gesellschaft verbessern, im Kleinen und im Großen, so viel | |
wird im Gespräch schnell klar. Diesen Anspruch hat sie an sich selbst, aber | |
auch an die Politik. Sie ist enttäuscht, wenn das nur begrenzt klappt. | |
Shannon Mesing ist nördlich von Lübeck aufgewachsen, auf dem Land. Ihre | |
Eltern waren früher Punks, als Jugendliche ging Shannon mit ihnen auch mal | |
auf Konzerte. „Von ihnen habe ich mit auf den Weg bekommen, dass man Dinge | |
anzweifeln sollte. Und dass jeder eine Meinung haben und vertreten kann.“ | |
Dass das so ungehindert möglich ist, daran zweifelt sie inzwischen | |
manchmal. | |
Als junge Erwachsene blockierte Mesing im Wendland einen Castortransport. | |
2017 gründete sie „Demokratie in Bewegung“ mit, ein basisdemokratisches | |
Projekt. Sie hoffte, dass eine neue, andere Partei entstehen würde, an den | |
Inhalten sollten sich viele über das Internet beteiligen können. Bei der | |
Bundestagswahl 2017 kam Demokratie in Bewegung auf [8][0,1 Prozent]. Die | |
Beteiligung im Plenum sei oft gering gewesen, es habe Absplitterungen | |
gegeben, erzählt Mesing. 2020 trat sie wieder aus. | |
Shannon Mesing versuchte Dinge im Alltag besser zu machen. Eine Zeit lang | |
lebte sie vegan, aber es ging ihr nicht gut damit, heute isst sie wieder | |
Käse und auch Fleisch, aber möglichst wenig. Sie achtet beim Einkauf auf | |
Fairtrade. „Aber wenn wir Baumaterialien für das Haus kaufen, geht das | |
nicht, das ist zu teuer“, sagt sie. „Eigentlich müssten wir alle unser | |
Konsumverhalten ändern. Doch die Menschheit ist zu blöd dafür, ich auch.“ | |
Bislang hat sie Grüne und Linke gewählt. Bekannte oder Kollegen sagen ihr | |
auch manchmal, sie sei „öko“, „eine Grüne“, erzählt sie. Doch sie se… | |
findet sich bei vielen Themen nicht mehr bei den Grünen wieder. „Egal, mit | |
wem ich rede, ich ecke überall an“, sagt sie. Den einen sei sie zu rechts, | |
den anderen zu links. Den einen zu kapitalistisch, den anderen zu | |
kapitalismuskritisch. „Ich sitze zwischen allen Stühlen.“ | |
Während der Coronapandemie war das noch nicht so. Die Mesings lebten zu der | |
Zeit in einer kleinen Wohnung in einem Plattenbau in Wismar. „Wir haben uns | |
als Familie ganz strikt an die Kontaktbeschränkungen gehalten“, erzählt | |
sie. Die Politik habe die Situation relativ gut gelöst, urteilt sie | |
rückblickend. Auch die Berichterstattung erschien ihr weitgehend | |
„wissenschaftlich fundiert“. Sie ist geimpft. Trotzdem störte es sie, dass | |
Ungeimpfte „kriminalisiert wurden“, wie sie es nennt. | |
Nach dem 24. Februar 2022 war Mesing selbst in der Minderheit. Es sei | |
schrecklich und falsch, dass Russland die Ukraine angegriffen hat, sagt | |
sie. Sie könne aber verstehen, wie es dazu kam. Die USA hätten ihre | |
Einflusssphäre nicht bis an die russische Grenze ausdehnen dürfen. Mesing | |
glaubt nicht, dass es den USA in der Ukraine wirklich um Werte gehe. „Ich | |
bin so aufgewachsen, dass sich Russland und die USA nicht viel nehmen.“ An | |
dieser Sicht ändern auch der russische Angriffskrieg und Putins | |
Imperialismus nichts. Beide Staaten seien Großmächte, die ihre Interessen | |
durchsetzten, sagt sie. | |
Mesing unterzeichnete im Frühjahr die [9][Petition von Wagenknecht und | |
Alice Schwarzer], in der sie Friedensverhandlungen forderten. „Wie soll es | |
sonst eine Lösung geben, ohne dass am Ende Atombomben fallen?“ | |
Einmal saßen sie bei einem Familienfest abends im Garten. Als der | |
Ukrainekrieg zur Sprache kam, sei es am Tisch Konsens gewesen, dass die | |
Ukraine Waffenlieferungen brauche und man es Putin zeigen müsse, erzählt | |
sie. „Da musste ich schon was sagen.“ Das Gespräch sei sehr unangenehm | |
geworden. „Sie haben mir unterstellt, ich würde das Leid der Familien in | |
der Ukraine nicht ernst nehmen.“ Ihr Mann hält in solchen Momenten zu ihr, | |
sagt sie, auch wenn er die USA positiver sehe als sie; er hat ein Jahr dort | |
gelebt. | |
Shannon Mesing redet eindringlich, mit heller Stimme. Man merkt, wie sehr | |
sie all das beschäftigt. Nach einer Weile kommt ihr kleiner Sohn auf die | |
Terrasse, kuschelt sich an sie. Er darf ein bisschen mit ihrem Handy | |
spielen und verschwindet wieder nach drinnen. | |
Nicht nur bei der Ukraine, auch bei anderen Themen argumentiert sie anders | |
als viele Linke. Sie kritisiert beispielsweise, wie über Zuwanderung | |
gesprochen wird. Die Gesellschaft komme mit der Aufnahme von Geflüchteten | |
an Grenzen, sagt sie. „Man muss über Probleme reden können, ohne gleich als | |
ausländerfeindlich abgestempelt zu werden.“ | |
Oder die Genderfrage. Bei Demokratie in Bewegung wurde gegendert, Mesing | |
hat lange überlegt, wie sie das finden soll. Heute lehnt sie es ab, Quoten | |
ebenso. Sie hat Maschinenbau studiert. An der Hochschule und jetzt als | |
Ingenieurin in einer Medizintechnikfirma ist sie oft allein unter | |
Männern. Sie sagt: „Wenn man zeigt, dass man kompetent ist, hat keiner ein | |
Problem damit. Eine Quotenfrau würde ich nicht sein wollen.“ | |
Wegen des Transthemas hatte sie sogar richtig Krach mit ihrer besten | |
Freundin. Shannon Mesing findet es „gefährlich“, wenn junge Menschen selbst | |
entscheiden können, das Geschlecht zu ändern. „Ich war als Jugendliche | |
schlaksig, habe Jungsklamotten getragen. Mit der Idee, ich sei kein | |
richtiges Mädchen, hätte man mich zeitweise auch kriegen können.“ Sie und | |
ihre Freundin stritten sich deshalb. „Das war total traurig.“ Seitdem | |
meiden sie das Thema. | |
Klimaschutz ist Shannon Mesing sehr wichtig, Chancengleichheit auch. Ist | |
sie nun rechts? Oder links? Oder beides, je nach Themenfeld? Sie selbst | |
glaubt, dass diese Zuordnung nicht mehr funktioniert. „Rechts und links | |
gibt es für mich nicht mehr.“ | |
Mit ihren Positionen sieht sich Mesing derzeit von keiner der Parteien im | |
Bundestag mehr vertreten. Sie ist überzeugt: „Wir brauchen eine andere | |
Opposition als die AfD.“ | |
Die Schatten der Bäume auf der Terrasse sind länger geworden, es riecht | |
nach Grillanzünder aus dem Nachbargarten. Shannon Mesing findet Sahra | |
Wagenknecht eigentlich gar nicht sympathisch. Und doch verbindet sie mit | |
ihr eine Hoffnung. „Die Frage ist, ob so eine neue Partei Menschen wie mich | |
auffangen könnte.“ | |
Der Gesellschaftswissenschaftler[10][Oliver Nachtwey] forscht zu sozialen | |
Bewegungen. Er beobachtet schon länger eine „normative Unordnung“, wie er | |
es nennt. „Es gibt vermehrt Bewegungen, die sich dem klassischen | |
Links-rechts-Schema entziehen und eine Offenheit gegenüber rechten | |
Positionen haben, ohne gleich rechts zu sein“, sagt er. Während der | |
Occupy-Proteste Anfang der zehner Jahre, die noch recht klar links waren, | |
sei ihm das Phänomen das erste Mal begegnet, 2014 dann [11][bei der | |
Mahnwache für den Frieden]. | |
Nachtwey hat sich auch viel [12][mit den Coronaprotesten] beschäftigt. Für | |
das Buch „Gekränkte Freiheit“ interviewten er und seinen Kolleg*innen | |
unter anderem 45 Personen aus dem Querdenken-Milieu. Die während der | |
Pandemie verbreitete Meinung, die meisten Protestierenden seien Rechte, | |
stimme nicht, sagt er. „30 Prozent der Leute, die wir befragt haben, haben | |
früher grün gewählt.“ Leute von Ostermärschen seien darunter gewesen, | |
ökologisch Bewegte, Kosmopolit*innen. | |
Warum gerade sie auf die Straße gingen, erklärt Oliver Nachtwey so: „Links�… | |
sei im Spektrum der Kritik normalerweise verbunden mit Solidarität, mit der | |
Öffnung gegenüber Schwachen, der Inklusion von Minderheiten. „Rechts“ | |
dagegen stehe für das Ausschließen von Minderheiten und eine starke | |
Hierarchisierung. Während der Pandemie kam es zum Lockdown, also zu | |
einer Schließung, sie wurde hierarchisch angeordnet. „Normalerweise hätte | |
die Kritik daran von links kommen müssen, aber auch Linke haben die | |
Maßnahmen mitgetragen.“ | |
Zu Recht, wie Nachtwey findet, schließlich ging es damals um den Schutz von | |
Menschenleben. Das hatte aber Folgen: „Es gab relativ wenig | |
Herrschaftskritik. Es entstand eine Lücke in der linken Politik und auch in | |
der Berichterstattung, die von den Protestierenden artikuliert wurde.“ Dem | |
Staat und den Medien seien viele von ihnen mit wachsendem Misstrauen | |
begegnet. „Das Establishment war das neue Feindbild.“ | |
Dieser „Generalverdacht gegen das Establishment“ zeige sich auch jetzt | |
wieder an Protesten gegen Waffenlieferungen an die Ukraine. Die westliche | |
Darstellung der Ursachen des Kriegs werde angezweifelt, statt in deutschen | |
Medien informierten sich die Leute beispielsweise [13][bei RT, früher | |
Russia Today]. Die Protestierenden stießen erneut in eine Lücke der | |
Herrschaftskritik, sagt Nachtwey. „Die Grünen haben mit den Positionen der | |
klassischen Friedensbewegung fast nichts mehr gemein.“ | |
Hier setze Sahra Wagenknecht an, so der Wissenschaftler. Sie versuche, die | |
verschiedenen Milieus zusammen zu binden, die ursprünglich linken | |
Querdenker*innen, die Migrationsskeptiker*innen und die | |
Pazifist*innen. „Linke und rechte Anteile sind bei ihr gleichermaßen | |
vertreten. Ihre Klammer ist das Anti-Establishment.“ | |
Nun ist Shannon Mesing keine Querdenkerin, auch eine Offenheit nach rechts | |
würde sie weit von sich weisen. Oliver Nachtweys Forschung in seinem Buch | |
„Gekränkte Freiheit“ bezieht sich auf andere, radikalere Gruppen. Die | |
„normative Unordnung“ beschreibt aber ganz gut, was auch Mesing umtreibt. | |
Und nicht nur sie. | |
„Links, rechts, nicht ich habe mich verändert, sondern die Parteien und die | |
politischen Kräfte“, sagt Hartmann Vetter. Er sitzt in einem Café am | |
Stuttgarter Platz in Berlin-Charlottenburg. Ein warmer Nachmittag im | |
August. Vetter, 78, trägt ein bunt gemustertes Hemd und Trekkingsandalen. | |
Am S-Bahnhof eilen Menschen vorbei. Hier, am westlichen Ende des „Stutti“, | |
wie Vetter den Platz nennt, ist es grün und friedlich. Ein Café reiht sich | |
an das nächste. „Wie in Italien“, schwärmt Vetter. | |
Früher waren am Stuttgarter Platz der Busbahnhof und ein Rotlichtviertel. | |
Dass sich die Gegend gut entwickelt hat, liegt ein wenig auch an Hartmann | |
Vetter. Gemeinsam mit anderen gründete er eine Mieterinitiative, Anfang der | |
80er kauften sie zusammen ein Haus, dessen Seitenflügel abgerissen werden | |
sollte. Ganz im Sinne der „behutsamen Stadterneuerung“ erhielten sie das | |
alte Gebäude und renovierten es zum Teil selbst. In dem Haus wohnt er mit | |
seiner Frau heute noch. | |
Stadtentwicklung ist Hartmann Vetters großes Thema. Er war 30 Jahre lang | |
Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, er stritt für die Legalisierung | |
von Hausbesetzungen, für die Mietpreisbindung und Obergrenzen. „Mann der | |
Mieter“, „Häuserkämpfer“, so lauteten die Überschriften, als er 2009 | |
aufhörte. | |
Hartmann Vetter hat wie Shannon Mesing lange die Grünen gewählt, später | |
PDS/Die Linke. „Die Grünen haben ihre soziale Seite vergessen“, kritisiert | |
er. Sollte Wagenknecht eine Partei gründen, würde er sie wohl wählen. | |
Dass Wagenknecht, wie der Gesellschaftswissenschaftler Nachtwey sagt, auf | |
„Anti-Establishment“ setzt, stört ihn nicht. „Anti-Establishment? Das ist | |
mir erst mal grundsätzlich sympathisch. So bin ich politisch sozialisiert.“ | |
Hartmann Vetter ist ein 68er. Er war in Köln im Sozialdemokratischen | |
Hochschulbund und wollte ins Zentrum der Bewegung. An Ostern 1968, direkt | |
nach dem Attentat auf Rudi Dutschke, zog er nach Westberlin. Er studierte | |
Jura und Stadt- und Regionalplanung. Die Zeit der Hausbesetzungen und die | |
Wiedervereinigung erlebte er bereits als Geschäftsführer des Mietervereins. | |
Vetter sitzt sehr aufrecht, während er spricht. Er erzählt freundlich, aber | |
bestimmt. Seine Kollegen sollen ihn früher auch „Comandante“ genannt haben. | |
2015, während der sogenannten Flüchtlingskrise, wurde Vetter kurzzeitig zum | |
Merkel-Fan. Beim Thema Zuwanderung liege er nicht ganz auf Wagenknechts | |
Linie, sagt er. „Aber die Probleme müssen gesehen werden.“ In der | |
Coronapandemie gehörte er dann zum Team Vorsicht. „Die Menschen waren in | |
dieser Situation solidarisch, auch der Staat“, lobt er. Während der | |
Pandemie habe es eine Einheitsfront gegeben. „Zu der gehörte ich auch.“ | |
Das änderte sich mit dem Ukrainekrieg. Wie Shannon Mesing verweist er | |
darauf, dass der Krieg eine Vorgeschichte habe. „Gäbe es eine vergleichbare | |
Situation in Mittelamerika, würden die USA das auch nicht akzeptieren.“ | |
Eine Hypothese, die auch Wagenknecht vertritt. | |
Als junger Mann war Vetter selbst Soldat, zwei Jahre lang. Es war Kalter | |
Krieg, sie übten den Verteidigungsfall. „Die Russen haben die Elbe | |
überschritten!“, so etwas wurde beim Nachtalarm durch die Gänge gerufen, | |
erzählt er. Nach dieser Zeit wollte er wissen: Wie sind die Russen | |
wirklich? Gemeinsam mit einem Freund reiste er 1967 für neun Wochen durch | |
die Sowjetunion. „Wir fuhren von Minsk Richtung Moskau.“ Sie durften die | |
Route nicht verlassen, doch sobald sie stoppten, kamen Menschen neugierig | |
zu ihnen ans Auto. | |
So schildert er es. Eine alte Frau ist ihm besonders in Erinnerung | |
geblieben. Die Deutschen hatten entlang der Strecke Tod und Verwüstung | |
hinterlassen, die Frau musste den Krieg erlebt haben. Und doch sei sie | |
ihnen freundlich begegnet wie die meisten anderen. „Война не надо … | |
braucht keiner.“ Das habe sie gesagt. „All das wird jetzt wieder zerstört.… | |
Hartmann Vetter hat Angst, dass – und sei es aus Versehen – ein dritter | |
Weltkrieg ausgelöst wird. Er hatte diese Angst schon einmal, mit 17. „Die | |
Hochrüstung im Kalten Krieg, die Kubakrise, das habe ich hautnah erlebt.“ | |
Dass die Grünen vor der Bundestagswahl 2021 noch „[14][Keine Waffen in | |
Kriegsgebiete]“ plakatierten, angesichts des russischen Angriffs dann aber | |
umschwenkten, das nimmt er ihnen übel. „Sie schreien am allerlautesten nach | |
Waffen.“ Er schüttelt den Kopf. „Ich weiß nicht, wie man so geschichtslos | |
sein kann.“ Auch die Verfechter*innen der Waffenlieferungen | |
argumentieren mit der Geschichte, Vetter leitet daraus aber eben das | |
Gegenteil ab. Er schaut regelmäßig Wagenknechts Videos. Bei ihr findet er | |
sich inzwischen viel eher wieder. | |
Shannon Mesing und Hartmann Vetter blicken nicht nur ähnlich auf den | |
Ukrainekrieg. Sie kritisieren auch beide den öffentlichen Diskurs, den sie | |
als zu einseitig empfinden. „Der Meinungskorridor ist enger geworden“, sagt | |
Mesing. Bei Corona habe sie das so wahrgenommen, jetzt beim Krieg in der | |
Ukraine wieder. „Gut und böse stehen viel zu schnell fest.“ Das werde den | |
komplexen Sachlagen oft nicht gerecht. Hartmann Vetter sagt: „Leute, die | |
skeptisch sind bei Waffenlieferungen, werden in den Talkshows als Naivlinge | |
und Putin-Versteher niedergemacht.“ | |
## Die Welzer-Precht-Debatte | |
Man kennt dieses Argument von den Autoren Harald Welzer und Richard David | |
Precht. In ihrem im September 2022 veröffentlichen Buch „Die vierte Gewalt“ | |
kritisieren sie ein zu einheitliches Meinungsbild in den Medien. Obwohl | |
sich im Frühjahr 2022 nur knapp die [15][Hälfte der Bevölkerung] für die | |
Lieferungen schwerer Waffen aussprach, seien diese in den Medien nahezu | |
uniform befürwortet worden. Das Buch wurde viel besprochen – und | |
kritisiert. Ein Vorwurf: Welzer und Precht fehle für ihre Behauptungen die | |
empirische Basis. | |
Die gab es bald darauf, zumindest für eine Auswahl an Medien. Um den | |
Jahreswechsel veröffentlichte eine Forschungsgruppe um den | |
Kommunikationswissenschaftler Marcus Maurer von der Uni Mainz | |
[16][eine Studie] zur Berichterstattung von FAZ, Süddeutscher, Bild, | |
Spiegel, Zeit, ARD-„Tagesschau“, ZDF-„heute“ und „RTL aktuell“ im F… | |
2022. Das Ergebnis: „Die meisten deutschen Leitmedien haben in den ersten | |
drei Monaten des Ukrainekrieges überwiegend für die Lieferung schwerer | |
Waffen plädiert und diplomatische Verhandlungen als deutlich weniger | |
sinnvoll charakterisiert.“ Nur im Spiegel sei das etwas anders gewesen. | |
Dabei sei keineswegs nur regierungsfreundlich berichtet worden. „Kanzler | |
Scholz wurde zwar zunächst für seine Entscheidungsfreudigkeit gelobt, dann | |
aber als Zauderer kritisiert.“ | |
Auch die [17][Berichterstattung während Corona] hatten sich Maurer und | |
Kollegen genauer angeschaut. Sie untersuchten sieben | |
Onlinenachrichtenportale und vier Fernsehnachrichtensendungen von Januar | |
2020 bis April 2021. „Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie wurden in | |
den meisten Medien als angemessen oder sogar als nicht weitreichend genug | |
bewertet“, lautet ein Ergebnis. „Insgesamt nahmen die Medien eine eindeutig | |
warnende Haltung ein, die man durchaus als einseitig betrachten kann.“ | |
Die Autoren verweisen allerdings auch auf die Gefahr einer false balance: | |
Dass fundamentale Gegner der Coronapolitik kaum Gehör fanden, ebenso wenig | |
wie Wissenschaftler*innen, die die Gefährlichkeit des Virus rundheraus | |
abstritten, könne man nur dann als Mangel an Vielfalt interpretieren, wenn | |
man eine „Darstellung von Ansichten unabhängig von ihrem Bestätigungsgrad“ | |
wolle. Pluralismus bedeutet schließlich nicht, dass Medien falsche Fakten | |
verbreiten sollten. | |
Vergleichsweise selten sei allerdings auch über die negativen | |
wirtschaftlichen und psychosozialen Folgen der Maßnahmen berichtet worden. | |
Die Bewertung sei hier untrennbar mit dem Verständnis der Rolle von Medien | |
in Krisenzeiten verbunden, so die Wissenschaftler. Gehöre es zu ihrer | |
Aufgabe, Kritiker und negative Nebenfolgen der Maßnahmen zu thematisieren, | |
„auch wenn das möglicherweise die gesellschaftliche Akzeptanz der Maßnahmen | |
mindert“? Oder sei die Bekämpfung der Pandemie vorrangig? Die Antwort hänge | |
maßgeblich davon ab, für wie gefährlich man das Virus halte. | |
Es gab also tatsächlich eine gewisse Einseitigkeit der Berichterstattung, | |
sowohl während Corona als auch zu Beginn des Ukrainekriegs – die man | |
richtig finden kann oder falsch. Diejenigen, die wie Shannon Mesing oder | |
Hartmann Vetter einen verengten Diskurs beklagen, dürften sich bestätigt | |
sehen. | |
Sahra Wagenknecht fiel Frank Loock während Corona das erste Mal richtig | |
auf. Sie kritisierte viele Maßnahmen, auch sie ließ sich nicht impfen. Er | |
musste ab November 2021 morgens vor dem Werktor warten; sie durfte im | |
Bundestag nur noch auf der Besuchertribüne sitzen statt im Plenum. | |
„Ungeimpfte wurden wie Aussätzige behandelt“, sagt er. | |
Als promovierten Chemiker irritierte es Loock, dass ein langjähriger | |
Prozess wie die Entwicklung eines Impfstoffs plötzlich so schnell ging. | |
Erfahrungen aus seinem Umfeld machten ihn noch misstrauischer. Zwei ältere, | |
sportliche Freunde bekamen nach der Impfung Herzmuskelentzündungen, erzählt | |
er. „Der eine war ein Rennradgott. Er ist seitdem nicht mehr aufs Rad | |
gestiegen.“ Danach habe er für sich persönlich entschieden, sich nicht | |
impfen zu lassen. Es gebe auch andere Arten, sich und andere vor einer | |
Infektion zu schützen. Kontakte reduzieren, Maske tragen. Das kannte er | |
schon von seinen Geschäftsreisen nach China. | |
Frank Loock war früher Mitglied der SPD. Als Rot-Grün Hartz IV einführte, | |
trat er aus, das fand er „menschenverachtend“. Trotzdem wählte er die SPD | |
weiter; oder die Grünen, für mehr Klimaschutz. Die Linkspartei setze sich | |
zwar glaubhaft für soziale Gerechtigkeit ein, sagt er. „Aber die dreht sich | |
nur um sich selbst.“ | |
Vor der Bundestagswahl im Herbst 2021 spendete Loock der SPD 100 Euro. Noch | |
im Wahlkampf hatte Olaf Scholz eine allgemeine [18][Impfpflicht | |
ausgeschlossen]. Drei Monate später, im November, hielt er sie doch für | |
nötig. Loock konnte das kaum glauben. „So etwas ist unaufrichtig.“ Im | |
November sprach zudem Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, | |
ebenfalls Sozialdemokrat, von einer „[19][Brandmauer“ gegen Ungeimpfte], | |
die es zu errichten gelte. Loock sagt: „Ich bereue jeden Cent, den ich der | |
SPD gespendet habe.“ | |
Die Abendsonne fällt schräg über die Felder auf den Parkplatz vor dem Werk. | |
Frank Loock steigt in das dunkelrote E‑Auto. Klimaschutz ist ihm wichtig. | |
Die Familie ist deshalb mehrere Jahre nicht in den Urlaub geflogen, sie | |
haben ein Haus gekauft, das es schon gab, statt ein neues zu bauen. Loock | |
ist Fördermitglied bei der Deutschen Umwelthilfe und bei Greenpeace. Er, | |
der für einen Autokonzern arbeitet, fordert dringend ein Tempolimit. Er | |
versteht nicht, warum die Grünen in der Ampel da nicht hart geblieben sind. | |
„Mit über 200 auf der Autobahn, das ist doch Wahnsinn.“ | |
Der Wagen gleitet über die Landstraße an Feldern und Böschungen vorbei nach | |
Wolfenbüttel. Hier wohnt Loock mit seiner Familie in einem Reihenhaus. Im | |
offenen Wohn- und Esszimmer mit Kamin setzt sich auch seine Frau dazu. | |
Frank Loock ist ein Bildungsaufsteiger. Er war der Erste in der Familie, | |
der Abitur machte, studierte und sogar promovierte. Loock lernte früh, | |
seinen eigenen Weg zu gehen, sich nur auf sich selbst zu verlassen. „Wenn | |
ich jemanden brauchte, der mir Integralrechnung erklärt, dann war da | |
niemand.“ Er wurde ein Einzelkämpfer, Teamfähigkeit lernte er erst später, | |
erzählt er. „Wenn jemand etwas von mir wollte, war es für mich | |
selbstverständlich zu hinterfragen: Ist das zielführend?“ | |
Den ersten Lockdown während Corona nahm er sehr ernst. Abends saßen sie vor | |
dem Fernseher und verfolgten die Infektionszahlen. Doch nicht alle | |
Maßnahmen leuchteten ihm ein. Dass Kinder nicht auf den Spielplatz durften, | |
fand er von Beginn an falsch. Mit seiner Patentochter ging er trotzdem hin, | |
sie ignorierten das Absperrband einfach. | |
Anders als Frank Loock waren Shannon Mesing und Hartmann Vetter bei Corona | |
voll im Meinungsmainstream, beim Krieg in der Ukraine nicht mehr. Bei Loock | |
ist es umgekehrt: Er hätte sich im Frühjahr 2022 sogar schnellere | |
Waffenlieferungen der deutschen Regierung gewünscht. „Wir sprechen hier | |
über einen verbrecherischen Angriffskrieg. Deutschland war da viel zu | |
zögerlich.“ | |
Mit Wagenknechts Äußerungen zum Krieg kann er nicht viel anfangen. Gegen | |
Friedensverhandlungen habe er nichts, sagt er, er sei ja kein | |
Kriegstreiber. „Aber ihre Sowjetromantik geht mir so was von auf die | |
Nerven.“ Trotzdem erwägt er, sie zu wählen. | |
Tritt Wagenknecht an, würden sicherlich auch Menschen für sie stimmen, die | |
bisher AfD gewählt haben. Aber eben nicht nur sie. Frank Loock, Shannon | |
Mesing und Hartmann Vetter sind links sozialisiert, das ist in den | |
Gesprächen sehr deutlich geworden. Sie teilen auch weiterhin vieles von | |
dem, was in linken Kreisen gesagt und gedacht wird. Zum Teil aber auch | |
nicht. | |
Das liegt nicht nur an ihnen. Die großen Krisen der jüngeren Zeit haben die | |
Koordinaten verschoben. Aus Sorge vor dem Virus, aus Solidarität mit | |
vulnerablen Gruppen befürworteten auch Linke in der Pandemie | |
Einschränkungen der Grundrechte. Aus Solidarität mit der Ukraine waren | |
Kriegsgegner*innen nach dem 24. Februar 2022 plötzlich für | |
Waffenlieferungen. Die normative Unordnung, die Oliver Nachtwey in den | |
Protestbewegungen beobachtet, sie hat im Prinzip die ganze Gesellschaft | |
erfasst. | |
Vieles ist in Bewegung geraten, und nicht alle sind bei jeder Bewegung | |
mitgegangen. Diese Menschen haben andere Meinungen, sie sind deswegen aber | |
nicht automatisch „Wirrköpfe“, wie ein taz-Genosse in einer Mail warnte. | |
Und nicht automatisch rechts: Auch aus einer linken Perspektive, mit linken | |
Argumenten lassen sich Coronamaßnahmen oder Waffenlieferungen kritisieren. | |
Zurzeit sind Leute mit diesen Meinungen politisch heimatlos. Das Problem | |
ist: Je weniger sie sich im Diskurs wiederfinden, je mehr man sie abwertet | |
oder pathologisiert, desto eher verliert man sie. Vielleicht wählen sie | |
eine Partei, wie sie [20][Wagenknecht wohl vorschwebt], in der sich linke | |
mit rechten Positionen vermischen: für Umverteilung, gegen | |
Waffenlieferungen, für eine Begrenzung der Zuwanderung, gegen eine „Cancel | |
Culture“, wie Wagenknecht es nennt. | |
Im schlimmsten Fall entfremden sie sich nicht nur von den etablierten | |
Parteien, sondern von der Demokratie an sich. An manchen Leuten aus der | |
Querdenken-Szene konnte man das beobachten. Sie radikalisierten sich, aus | |
der Kränkung wurde eine große Wut auf „die da oben“ und das ganze System. | |
## Wagenknecht als Projektionsfläche | |
Shannon Mesing hat eine Weile überlegt, ob sie wirklich mit vollem Namen in | |
die Öffentlichkeit will. Sie hat Sorge, angefeindet und in die rechte Ecke | |
gestellt zu werden. Sie hat sich, wie die anderen beiden, schließlich dafür | |
entschieden, sogar für das Foto. Sie will, dass das geht. Sie sagt: „Wir | |
müssen zu einer Streitkultur finden, wo es okay ist, wenn man eine andere | |
Meinung hat.“ | |
Und was heißt das nun alles für Sahra Wagenknecht? Eine Partei, die es noch | |
nicht gibt, eignet sich gut als Projektionsfläche. Den Erwartungen mit | |
einem konkreten politischen Programm zu entsprechen, ist noch mal etwas | |
anderes. | |
Hartmann Vetter ist dagegen, dass sie eine eigene Partei gründet, wegen der | |
Fünfprozenthürde. „Das wäre der Tod von beiden, der Linkspartei und der | |
Wagenknecht-Partei.“ Er wünscht sich eine starke Sahra Wagenknecht | |
innerhalb der Linken. Wenn beide getrennt antreten, würde er Wagenknecht | |
wohl wählen. „Dann bliebe mir ja nichts anderes übrig.“ | |
Shannon Mesing macht vom Parteiprogramm abhängig, ob sie am Ende wirklich | |
für eine Wagenknecht-Partei stimmen würde. „Wenn Wagenknecht | |
Ausländerfeindlichkeit zu sehr bedient, würde ich sie nicht wählen. Und | |
wenn Klimaschutz bei ihr hinten runterfällt, bin ich auch nicht dabei.“ | |
Auch Frank Loock hat eine Bedingung: „Ich wähle sie nur, wenn sie nicht zu | |
viel USA-Feindlichkeit im Programm hat.“ | |
Ganz schön viel „wenn“. | |
24 Sep 2023 | |
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[5] https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/sahra-wagenknecht-zers… | |
[6] https://civey.com/umfragen/27200/konnten-sie-sich-grundsatzlich-vorstellen-… | |
[7] https://www.n-tv.de/politik/Wagenknecht-koennte-Linken-und-AfD-gefaehrlich-… | |
[8] https://www.bundeswahlleiterin.de/info/presse/mitteilungen/bundestagswahl-2… | |
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[15] https://www.tagesschau.de/inland/deutschlandtrend/deutschlandtrend-2991.ht… | |
[16] https://www.otto-brenner-stiftung.de/sie-moechten/sich-ueber-aktuelles-inf… | |
[17] https://rudolf-augstein-stiftung.de/wp-content/uploads/2021/11/Studie-eins… | |
[18] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/wie-die-deutsche-politik-bei-de… | |
[19] https://www.stk.niedersachsen.de/startseite/presseinformationen/niedersach… | |
[20] https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/beschlossen-sahra-wagenk… | |
## AUTOREN | |
Antje Lang-Lendorff | |
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