# taz.de -- Coronaproteste in Berlin: Querdenker laufen trotz Verbot | |
> Nicht genehmigte Demos von Coronaleugnern halten am Sonntag die Berliner | |
> Polizei auf Trab. Nach Räumung des Großen Sterns ziehen sie bis | |
> Kreuzberg. | |
Bild: Querdenker*innen durchbrechen Polizeisperrungen in Berlin | |
Der Fußweg an der Ebertstraße klebt vom Lindensaft, die Schuhsohlen pappen | |
bei jedem Schritt etwas fest. „Das haben die Querdenker auch bemerkt“, sagt | |
ein Fotograf, der am Sonntagmittag dort eine Kundgebung der Omas gegen | |
Rechts fotografiert. Er hatte zuvor das Gespräch einer vorbei laufenden | |
Gruppe von Gegner*innen gegen die Coronamaßnahmen mitgehört. ‚Jetzt | |
sprühen die schon Klebstoff auf die Straße, um uns am Demonstrieren zu | |
hindern‘, habe sich einer empört, erzählt er. | |
Der Lindensaft ist dabei eine der eher schwächeren Einschränkungen der | |
Querdenker-Aktivitäten am Sonntag. Die Gruppe Querdenken 711 aus Stuttgart | |
hatte für das Wochenende zu Großdemos in Berlin aufgerufen. Zwölf | |
Versammlungen – inklusive einer Demo auf der Straße des 17. Juni mit | |
angemeldeten 22.500 Teilnehmer*innen – hatte die [1][Polizei Ende | |
letzter Woche verboten] und als Grund genannt, dass bei ähnlichen | |
Versammlungen regelmäßig die [2][Hygieneregeln missachtet] wurden. Das | |
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hatte die Verbote am Samstagabend | |
bestätigt. Allerdings schaffte es die Polizei nicht durchgängig, dies auch | |
durchzusetzen. | |
So durchbrachen Querdenker*innen am Sonntagmittag eine Blockade der | |
Polizei in Charlottenburg. Mehrere tausend Menschen rannten daraufhin über | |
den Theodor-Heuss-Platz, weitere Gruppen stießen aus anderen Richtungen | |
dazu, gemeinsam marschierten sie von dort aus ungehindert mehr als einen | |
Kilometer den Kaiserdamm hinunter. Dabei skandierten sie „Frieden, | |
Freiheit, keine Diktatur“, einige trommelten. | |
Die Teilnehmer*innen dieser nicht angemeldeten und verbotenen | |
Versammlung liefen ohne Mund-Nasen-Schutz, auch Abstände hielten sie nicht | |
ein. Der Polizei begleitete den spontanen Demonstrationszug mit lediglich | |
einem Dutzend Einsatzkräften. Erst am Sophie-Charlotte-Platz gelang es ihr, | |
die Straße zu sperren. | |
## Mobilisierung in den Westen | |
Die Demonstrant*innen, darunter auch Kinder und ältere Menschen, | |
verstreuten sich daraufhin in die Nebenstraßen und den angrenzenden Park | |
und wirkten zunächst planlos. Viele waren mit Rucksack unterwegs, mit | |
Tagesproviant und Stadtplänen, kleinen Bibeln und Grundgesetzen | |
ausgerüstet, eher wie Touristen wirkend und offensichtlich bereits länger | |
auf den Beinen. | |
Viele Querdenker*innen hatten sich bereits am Vormittag Richtung | |
Olympiastadion und Westend bewegt und in den sozialen Medien dorthin | |
mobilisiert. Mehrmals kam es zu Zusammenstößen mit Polizist*innen, bei | |
denen letztere auch tätlich angegriffen wurden. Am Nachmittag machten sich | |
viele Grüppchen auf in Richtung großem Stern, die Polizei sperrte | |
Bismarckstraße, Straße des 17. Juni und weitere Zubringer zum Stern mit | |
Gittern ab und fuhr Wasserwerfer in Richtung Siegessäule, ein Hubschrauber | |
kreiste. | |
Hier fiel es der Polizei leichter, die Kontrolle über das Geschehen zu | |
bekommen: von Anfang an waren mehr Polizist*innen vor Ort, sie drohten | |
mit Wasserwerfereinsätzen, zudem hatten sie den Tiergarten im Vorfeld fast | |
komplett von Absperrgittern umstellt, so dass die Querdenker*innen | |
Blockaden nicht umgehen konnten. Die Polizei wollte damit nach eigenen | |
Angaben vor allem verhindern, dass Querdenker – wie im vergangenen Jahr – | |
bis zum [3][Reichstag] vordringen. | |
In den sozialen Netzwerken verbuchte Querdenken es als Erfolg, dass es | |
gelungen war, trotz der Verbote zu laufen – Sympathisant*innen | |
beklagten aber auch Polizeigewalt. | |
## Protest von Omas gegen Rechts | |
Zur Gegenkundgebung der [4][Omas gegen Rechts], die am Sonntag in der | |
Ebertstraße am Rand des Holocaust-Mahnmals gegen die Querdenker*innen | |
protestierten, kamen rund 150 Menschen. „Ohne das Demoverbot wären wir wohl | |
mehr gewesen“, sagt eine Sprecherin der Initiative: „Wir wollen nicht, dass | |
das Mahnmal von Rechten vereinnahmt wird, als Hintergrund für Streams oder | |
von Menschen, die sich mit Opfern des Holocaust vergleichen.“ Es reiche, | |
dass die Querdenker*innen sich nicht impfen lassen wollten. „Da müssen | |
sie nicht auch noch den Holocaust verunglimpfen.“ | |
Am frühen Abend formierte sich ein weiterer Demonstrationszug in Richtung | |
Kurfürstenstraße, der bei Redaktionsschluss weiter durch Schöneberg in | |
Richtung Kreuzberg lief, auch dort zunächst ohne größere Polizeibegleitung. | |
1 Aug 2021 | |
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## AUTOREN | |
Uta Schleiermacher | |
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