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# taz.de -- Nachfolge des 9-Euro-Tickets: „Wir sollten schnell entscheiden“
> Die grüne Co-Fraktionschefin Katharina Dröge warnt, dass das Ende des
> 9-Euro-Tickets die Inflation verschärft. Sie fordert jeweils ein Ticket
> für Region und Bund.
Bild: Bald wird der ÖPNV wieder richtig teuer: Fahrgäste im Hauptbahnhof in F…
taz: Frau Dröge, Sie schlagen gemeinsam mit der grünen Parteichefin Ricarda
Lang und NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer als Nachfolge des
9-Euro-Tickets ein zweistufiges Modell vor: ein regionales
29-Euro-Monatsticket und eine bundesweit gültige Fahrkarte für 49 Euro im
Monat. Warum zwei Tickets?
Katharina Dröge: Wir sehen in der Kombination dieser beiden Vorschläge ein
Modell, das auf der einen Seite zu einer hohen Nutzung führt und auf der
anderen Seite finanzierbar ist.
Wie soll das regionale Ticket aussehen?
Wir wollen ein regionales Ticket, das mindestens in einem ganzen Bundesland
gilt, an vielen Stellen aber auch darüber hinausgeht, etwa
Berlin–Brandenburg oder Hamburg–Niedersachsen–Bremen als jeweils ein
Gebiet. Wir lehnen uns dabei an [1][den Vorschlag des VCD an, des
Verkehrsclubs Deutschland, der acht Verkehrsregionenvorsieht].
Und wieso sieht Ihr Vorschlag zusätzlich ein bundesweites Ticket vor?
Weil es Menschen gibt, die über die Grenzen dieser Regionen hinaus pendeln.
Und auch aus sozialen Gründen: Wir haben gesehen, dass es gerade in den
Sommermonaten auch eine Frage von Teilhabe von Menschen mit geringem
Einkommen ist, die vielleicht auch einmal einen Ausflug machen wollen.
Wie wollen Sie Ihr Modell finanzieren?
Wir könnten uns vorstellen, das sogenannte Dienstwagenprivileg abzubauen.
Das heißt, die steuerlichen Vergünstigungen am CO2- Ausstoß auszurichten.
Das Grundprinzip wäre dann: Je geringer der CO2-Ausstoß des Autos, umso
besser wäre der finanzielle Effekt für Unternehmen und Beschäftigte. Das
ist dann ein Hebel für mehr Klimaschutz und gleichzeitig für mehr soziale
Gerechtigkeit. Die Mehreinnahmen für die öffentliche Hand, die damit
möglich wären, liegen bei ungefähr 3 Milliarden Euro für den Bund. Für die
Länder kämen noch mal 60 Prozent dazu. In der Summe entspricht das Kosten
von etwa 5 Milliarden Euro. Aber wir sind auch für eine andere Finanzierung
offen.
Manche Verkehrsexpert:innen finden es wichtiger, Geld in den massiven
Ausbau des ÖPNV zu stecken, statt Fahrkarten billiger zu machen. Ist das
falsch?
Ich würde das nicht als Entweder-oder-Entscheidung betrachten. Deswegen
sieht unser Vorschlag beides vor. Wir brauchen mit Blick auf Klimaschutz
kurzfristig wirksame Maßnahmen. Das günstige ÖPNV-Ticket hat einen
kurzfristigen Effekt. In einer Zeit, in der die Preise immer weiter steigen
und die Haushaltskassen vieler Bürgerinnen und Bürger belasten, ist es
wichtig, Mobilität möglichst günstig zu halten. Für die Nachfolge des
9-Euro-Tickets können wir mit dem Abbau des Dienstwagenprivilegs
zusätzliche Mittel generieren. Daneben unterstützen wir aber auch die
Forderung der Landesverkehrsminister:innen, die Regionalisierungsmittel des
Bundes für die Länder zu erhöhen, also Mittel für den öffentlichen
Personennah- und Regionalverkehr. Das haben wir im Koalitionsvertrag
festgeschrieben, und das ist auch eine Grundbedingung für den Ausbau der
Infrastruktur.
Einige Stimmen [2][warnen vor einer Fortsetzung] mit dem Argument, das
9-Euro-Ticket sei klimaschädlich, weil wenige Leute vom Auto umgestiegen
seien, aber sehr viele mehr Bus und Bahn fahren, die sonst gar nicht
unterwegs wären. Ist da nicht was dran?
Nach den bislang bekannten Zahlen hat etwas mehr als ein Drittel der
Befragten angegeben, dass sie das Ticket kaufen, weil sie auf das Auto
verzichten möchten. Wir sehen also einen Lenkungseffekt. Wenn Menschen den
ÖPNV stärker nutzen, die ihm bislang kritisch gegenüberstanden, wird es den
Effekt haben, dass sie in Zukunft öfter Bus oder Bahn fahren. Selbst wenn
es beim ersten Mal eine zusätzliche Fahrt war, haben sie einen Schritt hin
zum ÖPNV gemacht. Gleichzeitig ist das 9-Euro-Ticket eine soziale
Entlastung für diejenigen, die ein Monatsticket haben.
Kritiker:innen monieren einen Gießkanneneffekt, weil auch Leute
profitieren, die es nicht nötig haben. Was sagen Sie dazu?
Das 9-Euro-Ticket ist deutlich weniger Gießkanne als viele andere
Maßnahmen, die aktuell zur Entlastung diskutiert werden. Steuerliche
Entlastungen führen oft dazu, dass Menschen mit hohem Einkommen mehr
profitieren als Menschen mit geringem Einkommen. Wir wissen, dass Menschen
mit geringem Einkommen stärker auf den ÖPNV angewiesen sind. Deshalb ist es
ein sehr zielgenaues Instrument.
Der Zeitdruck ist groß, wenn es am 1. September einen Anschluss geben soll.
Ist das zu schaffen?
Wir sollten tatsächlich schnell entscheiden. Denn ein günstiger ÖPNV ist
auch ein effektives Mittel gegen die hohe Inflation. Wir sollten die
Inflation nicht verschärfen, indem wir das 9-Euro- Ticket jetzt ohne
Anschlusslösung auslaufen lassen. Es ist wichtig, jetzt den August zu
nutzen, um zwischen Bund und Ländern zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen.
Im September kommt der Bundestag zusammen, dann könnten wir entscheiden,
sodass wir zum 1. Oktober ein neues Ticket hätten.
Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen [3][schlägt die Verlängerung des
9-Euro-Tickets für zwei Monate] vor, um Zeit zu gewinnen. Unterstützen Sie
das?
Wir haben jetzt einen konkreten Vorschlag für ein Nachfolgeticket gemacht.
Ich halte es für sinnvoller, sich darauf zu konzentrieren, hier schnell zu
entscheiden. Denn auch Zwischenlösungen müssten ja verhandelt und
beschlossen werden.
Bundesfinanzminister Christian Lindner hat ausgeschlossen, dass das
9-Euro-Ticket weitergeht oder eine vergleichbare Anschlusslösung kommt. Wie
sind die Chancen, dass die FDP sich auf Ihren Vorschlag einlässt?
Dass deutlich mehr Menschen Bus und Bahn nutzen, und das sozial gerecht,
finden alle gut in der Koalition. Bundesverkehrsminister Wissing von der
FDP hat klar gesagt, dass das 9-Euro-Ticket ein fulminanter Erfolg ist. Er
hat angekündigt, dass es eine Anschlusslösung geben wird. Da nehmen wir ihn
beim Wort. Die Frage ist nur, wann. Und da bringen wir nun einen
umsetzbaren Vorschlag ein, der auch den Bedenken des Finanzministers
Rechnung trägt, dass es auch eine Finanzierung braucht. Denn bislang war es
ja einzig die Frage des Geldes, die dem Nachfolgeticket für das
9-Euro-Ticket im Weg stand. Mit der Reform des Dienstwagenprivilegs
schlagen wir eine Finanzierung für das Ticket vor, die den bisherigen
Bundeshaushalt nicht belastet. Der Finanzminister sollte sich jetzt einen
Ruck geben und den Weg frei machen für ein neues, günstiges Ticket für Bus
und Bahn.
7 Aug 2022
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## AUTOREN
Anja Krüger
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