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# taz.de -- Kampf ums 9-Euro-Ticket: „Schub in die Debatte“
> Ein breites Bündnis in Hamburg fordert mit einer Petition an die
> Verlängerung des 9-Euro Tickets. Sabine Hartmann und Jens Deye erklären
> warum.
Bild: Billig und begehrt: öffentlicher Nahverkehr in Zeiten des Neun-Euro-Tick…
taz: Frau Hartmann, Herr Deye, wie groß ist die Chance, dass das
9-Euro-Ticket bleibt?
Sabine Hartmann: Der Kanzler hat sich ja erstaunlich weit aus dem Fenster
gelehnt, indem er gesagt hat, dass das eine der besten Ideen ist, die es je
gab. Ich glaube, es macht einfach kein gutes Bild, wenn die Politik
zurückrudert und sagt: Es ist nicht finanzierbar. Das stimmt ja nicht.
Bislang ist laut Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) das höchste
der Gefühle ein deutlich teureres Monats- oder Jahresticket.
Und das wäre von Nachteil. Ich habe viele Leute getroffen, die gesagt
haben: Mensch, zum ersten Mal kann ich mir noch mal eine Fahrt in den
Garten leisten. Beim 9-Euro-Ticket geht das super, bei 69 Euro wären sie
wieder draußen.
Ein Dämpfer in der Diskussion war, dass viele der Fahrten mit dem
Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zusätzlich stattfinden, nicht
alternativ zum Autoverkehr.
Sie erreichen uns gerade auf dem Land. Hier kann ich nur mit dem Fahrrad
zum nächsten Bahnhof fahren, um dann wieder in den ÖPNV zu steigen. Meine
Nachbarn sagen: Es wäre so toll, wenn wir nicht mit dem Auto in die Stadt
fahren müssten. Wenn jetzt hier regelmäßig ein Bus fahren würde, der dann
auch die Mobilität auf dem Land sicherstellt, würde das Ganze noch mal
einen ganz anderen Drive kriegen.
Dieser Ausbau im ländlichen Raum ist gerade eines des Gegenargumente zur
Verlängerung des 9-Euro-Tickets: Dafür bliebe dann kein Geld mehr.
Das halte ich für Fake News. Das Bundesumweltamt hat wunderbare
Statistiken, wie viel Subventionen es für fossil betriebene Mobilität gibt.
Da kommen wir auf eine Summe von 60 Milliarden. [1][Der Verkehrssektor muss
sich umstrukturieren], der erreicht seine CO2-Einsparziele nicht. Der ÖPNV
ist ein wesentlicher Schlüssel dazu.
Das sind sehr alte Forderungen, siehe etwa die Dienstwagensubventionen. Was
macht Sie optimistisch, dass die jetzt umgesetzt werden?
Das hängt natürlich von der Gesellschaft ab, wie sehr sich die
Bürger:innen selber informieren. Ich finde es [2][nicht zielführend, die
Diskussion alleine auf das Dienstwagenprivileg zu verengen]. Man muss den
ganzen Sektor betrachten. Man könnte meinetwegen auch übers
Ehegattensplitting reden, das sind, glaube ich, 20 Milliarden.
Würden Sie sich da von Anjes Tjarks, dem grünen Hamburger Senator für die
Mobilitätswende, noch lautere Worte wünschen?
Ja, ich würde mir von Anjes Tjarks wünschen, dass er sich im Bundesrat, bei
der Bundespolitik stark macht. Bisher haben er und auch der Hamburger
Verkehrsverbund (HVV) immer gesagt: Wir können billiger werden, wenn wir
alles ausgebaut haben. [3][Gerade bei den steigenden Preisen, die wir im
Moment erleben, ist es doch toll,] wenn man einen Haushaltsposten hat,
nämlich meine persönliche Mobilität, der bei neun Euro liegt.
Sie beißen sich seit Jahren die Zähne aus an der Forderung nach einem
kostenlosen HVV. Ist das für Sie die Stunde, wo sich endlich etwas bewegt?
Das hat noch mal richtig Schub in die Debatte gebracht.
Jens Deye: Laut HVV ist die Pkw-Nutzung um zwölf Prozent zurückgegangen.
Hartmann: In der Vergangenheit war es ja auch schon so, dass die HVV-Preise
über den Inflationsraten lagen. Irgendwann war der Bogen so überspannt,
dass der HVV mit seinen Fahrgastzahlen nicht mehr gewachsen ist. Das ist
natürlich nicht das, was wir wollen – wir wollen, dass die Pendler
umsteigen.
Ich fand es auffällig, wie breit das Bündnis für die Demo morgen in Hamburg
ist – von der alevitischen Gemeinde bis zum Fanladen St. Pauli. Ist das
eine neue Enwicklung?
Deye: Es zeigt, wie breit der gesellschaftliche Wille ist, dass das Ticket
weitergeführt wird, und wie wichtig auch der soziale Aspekt bei dem Thema
ist. Ganz viele soziale Gruppen sagen jetzt: Das ist ein wichtiger Teil der
Teilnahme an der Mobilität, die ganz vielen verwehrt wurde. Etwa der
Familie, die jetzt einfach mal am Wochenende an die Ostsee fahren kann.
In Berlin gibt es eine Initiative, die einen Fonds für Schwarzfahrer
aufgelegt hat, um das 9-Euro-Ticket bereits jetzt fortzuführen. Ist das für
Hamburg zu radikal?
Für so einen Fonds muss man organisatorisch gut aufgestellt sein. Falls man
in der Politik doch wieder zu seinem Weiter-so übergeht, müssen wir da in
Zukunft vielleicht über eine breite Bündnisebene herangehen. Es braucht
eine ganze Menge Spender:innen, um das zu bestücken. Wünschenswert ist das
mit Sicherheit.
Wie geht es nach der Demo weiter?
Hartmann: Wir hoffen ja, dass die Politik noch den Drive findet. Und zwar
nicht erst, wenn im November von Herrn Wissing irgendwelche Zahlen
evaluiert worden sind. Wir haben auf unserer Petitionsseite auch noch eine
Eingabemöglichkeit, wo man die Mitglieder der Hamburgischen Bürgerschaft
auffordern kann, sich für das 9-Euro-Ticket einzusetzen.
Demonstration „9-Euro-Ticket forever“, 16 Uhr Hamburg, Jungfernstieg
25 Aug 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Friederike Gräff
## TAGS
Hamburg
Volker Wissing
9-Euro-Ticket
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9-Euro-Ticket
Wochenkommentar
Christian Lindner
IG
Verkehrswende
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