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# taz.de -- Kongress zu Wohnungslosigkeit: Die Zeit läuft ab
> Bis 2030 soll niemand mehr ohne eigene Wohnung sein. Die Bauministerin
> setzt auf mehr Sozialwohnungen und Prävention. Doch: Wie realistisch ist
> das?
Bild: Die Zahl der Sozialwohnungen sinkt, die Zahl wohnungsloser Menschen steig…
Berlin taz | Auf den ersten Blick sind es bescheidene Wünsche, die Jens
Roggemann auf der Bühne ausspricht. Roggemann, von der Selbstvertretung
wohnungsloser Menschen, lebt in einer Wohnung mit eigenem Mietvertrag, aber
das war nicht immer so. Er sei in der Vergangenheit gescheitert mit dem
Versuch der Selbstständigkeit, wurde krank, hatte Mietschulden, verlor
seine Wohnung. Wenn er auf diese Zeit zurückblicke, sagt er, habe er im
Sozialhilfesystem „Empathie vermisst“, er sei behandelt worden wie ein
„Verwaltungsvorgang“, nicht wie ein Mensch, [1][der in einer Krise
steckte.] Für die Zukunft wünscht er sich, dass sich das ändert. Er fordert
bessere Hilfen, menschliche Begegnungen.
Ilse Kramer, auch von der Selbstvertretung, kann ihm nur zustimmen. Ihre
Erfahrung mit den Ämtern sei „unter aller Sau“ gewesen. Aber man müsse au…
Menschen jenseits der Verwaltung sensibilisieren, wachsam zu sein, wenn
[2][Menschen aus ihrer Wohnung gedrängt werden.]
Wie das konkret gelingen kann, war das zentrale Thema des 2. Jahreskongress
des Nationalen Forums gegen Wohnungslosigkeit, das am Donnerstag in Berlin
stattfand. Roggemann und Kramer wirken beide mit am [3][Nationalen
Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit], der im April vergangenen Jahres
beschlossen wurde. Beteiligt daran sind Vertreter*innen aus Bund,
Ländern und Kommunen sowie Akteure aus der Zivilgesellschaft und
Wirtschaft.
Mit einem Bündel von Maßnahmen soll das Ziel der Bundesregierung erreicht
werden: Bis 2030 soll hier im Land kein Mensch mehr ohne Wohnung sein. Das
sind nur noch fünf Jahre. Doch die Zahl der Sozialwohnungen sinkt, die Zahl
wohnungsloser Menschen steigt und der politische Diskurs ist davon
bestimmt, wo überall gekürzt werden soll. Unklar ist auch, wie sich die
Neuwahlen im Februar auswirken.
## Neubauziele wurden krachend verfehlt
Der zuständigen [4][Bundeswohnungsministerin Klara Geywitz] (SPD), die auch
am Kongress teilnahm, ist wichtig: Unabhängig davon, wer künftig dieses
Land regiere, die Bekämpfung von Wohnungslosigkeit müsse „ganz oben auf der
Agenda stehen.“ Geywitz wünscht sich einen parteiübergreifenden Konsens,
wie es ihn in Finnland gebe. Das Land gilt als [5][vorbildlich in der
Bekämpfung von Obdachlosigkeit. Der dort etablierte Ansatz Housing First]
wurde über verschiedene Regierungen und Koalitionen hinweg verfolgt.
Geywitz weiß aber auch, dass Deutschland vor großen Herausforderungen
steht. Denn das Problem Obdach- und Wohnungslosigkeit lässt sich letztlich
nur mit ausreichend günstigem Wohnraum lösen. Die Neubauziele, insbesondere
von Sozialwohnungen, wurden jedoch [6][krachend verfehlt.] Da hilft es
wenig, dass Geywitz erneut betont, dass die Regierung eine Rekordsumme in
den sozialen Wohnungsbau steckt. Künftig müsse man zudem besser auf die
Bedürfnisse [7][von wohnungslosen Frauen] und Kindern eingehen und stärker
auf Prävention setzen.
Sabine Bösing, von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe befand,
dass die Regierung da zu wenig unternehme. „Leider sind die ganzen
mietrechtlichen Vorhaben auf der Strecke geblieben“, kritisierte sie.
Bösing nannte [8][als Beispiel bessere Schonfristen bei ordentlichen
Kündigungen], wenn Mietschulden rechtzeitig zurückgezahlt werden. Die
Ampelregierung hatte sich eigentlich Verbesserungen vorgenommen, doch das
scheiterte am Widerstand der FDP. Gregor Jekel, Leiter des Fachbereichs
Wohnen der Stadt Potsdam, sagte, dass beim Thema Geld „die größte
Sprengkraft“ liege. Keine guten Aussichten.
Während am Donnerstag im Warmen noch weiter diskutiert wurde, ließen sich
draußen ein paar Meter entfernt am Bahnhof Tiergarten die Folgen
besichtigen. Dort hat sich ein Mensch ein graues Zelt aufgestellt, im
Januar, bei gerade mal 4 Grad und Regen.
23 Jan 2025
## LINKS
[1] /Mentale-Gesundheit-und-Zwangsraeumungen/!5958340
[2] /Anwaeltin-ueber-Zwangsraeumungen/!5996788
[3] /Aktionsplan-gegen-Wohnungslosigkeit/!6003589
[4] /Bundesbauministerin-Klara-Geywitz/!5939857
[5] /Housing-first-in-Finnland/!5914243
[6] /Fehlender-bezahlbarer-Wohnraum/!6010002
[7] /Wohnungs--und-Obdachlosigkeit/!6032585
[8] /Zwangsraeumung-ohne-Schonfrist/!5997176
## AUTOREN
Jasmin Kalarickal
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