# taz.de -- Kampf gegen Rechtsextremismus: Demokratieförderung auf Dauer | |
> Nach langem Ringen einigt sich das Kabinett auf ein Gesetz, um | |
> Demokratieprojekte langfristig zu fördern. Anderswo blockiert die Union | |
> weiter. | |
Bild: Für sie ist das Demokratiefördergesetz ein Durchbruch: Familienminister… | |
BERLIN taz | Es stand lange auf der Kippe, am Mittwoch nun wurden doch | |
Eckpunkte dazu im Bundeskabinett beschlossen: Das „Gesetz zur Förderung der | |
wehrhaften Demokratie“, zuvor auch als [1][Demokratiefördergesetz] | |
firmierend. Es sei „dringend notwendig“, dass zivilgesellschaftliche | |
Projekte „dauerhafte, verlässliche Strukturen“ bekommen, begrüßte | |
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) den Beschluss. Die Arbeit | |
für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sei „unerlässlich“. „Die | |
Demokratieförderung ist eine nationale Aufgabe, die nicht endet.“ | |
Mit dem Projekt sollen Demokratieprojekte etwa in Kommunen, Schulen oder | |
mit Neonazi-Aussteigern langfristig vom Bund finanziert werden. Bisher gilt | |
die Förderung immer nur für eine Legislaturperiode – danach stehen die | |
Projekte wieder vor dem Aus und müssen sich mit neuen Konzepten bewerben. | |
Das Gesetz wurde schon lange diskutiert und von der Bundesregierung | |
schließlich im November 2020 als eine zentrale Konsequenz aus den | |
rechtsextremen Anschlägen auf Walter Lübcke, in Halle und Hanau verkündet – | |
zusammen mit [2][88 weiteren Maßnahmen]. | |
Ziel des Gesetzes sei „die Schaffung eines gesetzlichen Auftrags des Bundes | |
zur Erhaltung und Stärkung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung | |
und des zivilgesellschaftlichen Engagements für Demokratie“, heißt es in | |
den Eckpunkten. Geschaffen werden solle eine „bedarfsorientierte, | |
längerfristige und altersunabhängige Projektförderung von Maßnahmen mit | |
überregionaler Bedeutung zur Demokratiestärkung“. | |
## Seehofer war für das Gesetz, die Unionsfraktion dagegen | |
Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte zuletzt für das Gesetz | |
geworben: „Es geht um Prävention. Darum, Gruppierungen zu unterstützen und | |
zu fördern, die sich für gelebte Demokratie einsetzen und deren Gegnern die | |
Stirn bieten.“ | |
Die Unionsfraktion aber hatte sich lange [3][gegen das Gesetz gewehrt]. | |
Dafür gebe es keinen Bedarf, denn schon jetzt würden Demokratieprojekte | |
jährlich mit 150 Millionen Euro gefördert, hieß es dort. Auch bestehe die | |
Sorge, dass radikale Initiativen gefördert werden könnten. Die Fraktion | |
pochte deshalb auf ein gesondertes, schriftliches Demokratiebekenntnis der | |
Projekte. Eine entsprechende „Extremismusklausel“ hatte bereits 2011 die | |
frühere CDU-Familienministerin Kristina Schröder eingeführt. Später wurde | |
diese [4][wieder abgeschafft], nachdem Initiativen einen Generalverdacht | |
beklagt hatten. | |
## Projekte müssen Demokratieklausel unterzeichnen | |
Giffeys Familienministerium, das für das „Wehrhafte-Demokratie-Gesetz“ | |
federführend ist, hatte die Eckpunkte deshalb zuletzt nachgebessert. Nun | |
müssen die Projekte bei der Antragstellung schriftlich zusichern, dass sie | |
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen und dass sie | |
ihre Mittel ausschließlich für grundgesetzkonforme Ziele verwenden. Die | |
Initiativen sollen dies auch „im Rahmen ihrer Möglichkeiten“ für ihre | |
Mitarbeiter:innen und Partnerorganisationen überprüfen. | |
Daraufhin – und nach Vermittlung von Bundeskanzlerin Angela Merkel – | |
stimmte auch die Union dem Projekt zu. Dass das Gesetz aber noch in dieser | |
Legislatur verabschiedet wird, nannte selbst Giffey „extrem ambitioniert“. | |
Dafür müsse das Kabinett spätestens am 2. Juni über das Gesetz beraten. | |
Laut Giffey brauche es aber nur noch die Zuarbeit des Innenministeriums: | |
„Jetzt ist Speed angesagt.“ Eigentlich dürfe es bei diesem Thema keine | |
Diskussion geben. | |
## Auch Strafverschärfungen geplant | |
Neben dem „Wehrhafte-Demokratie-Gesetz“ einigte sich die Koalition auch auf | |
weitere Eckpunkte, darunter eine Stärkung des Bundesfreiwilligendienstes, | |
den Aufbau eines neuen Bundesprogramms „Demokratie im Netz“ oder | |
Strafverschärfungen. So soll künftig schon die versuchte Unterstützung | |
einer terroristischen Vereinigung strafbar sein. Auch soll der Strafrahmen | |
für „besonders schwere“ Angriffe auf Polizeibeamte, etwa wenn diese in | |
einen Hinterhalt gelockt werden, von fünf auf bis zu zehn Jahren erhöht | |
werden. | |
Die Bundesregierung verabschiedete am Mittwoch auch den Abschlussbericht | |
des nach dem Hanau-Anschlag eigens geschaffenen [5][Kabinettsausschuss] zur | |
Bekämpfung des Rechtsextremismus – der den 89 Punkte umfassenden | |
Maßnahmenkatalog enthält. Dazu gehören etwa neue Strafparagrafen für | |
„verhetzende Beleidigungen“ oder Feindeslisten, mehr Personal und | |
Kompetenzen für die Sicherheitsbehörden, ein neues Beratungszentrum für | |
Rassismus-Betroffene oder eine „Einbürgerungsoffensive“. | |
Die Bekämpfung des Rechtsextremismus „kann nur durch einen breiten | |
Politikansatz gelingen“, heißt es in dem Bericht. Auch in der kommenden | |
Legislaturperiode solle die Umsetzung der Maßnahmen „eine zentrale Rolle | |
einnehmen“. Für diese sind von 2021 bis 2024 insgesamt gut eine Milliarde | |
Euro eingeplant. | |
## Maßnahmen sind eine „Daueraufgabe“ | |
Seehofer lobte das Paket: „Nie zuvor hat eine Bundesregierung so viel zur | |
Bekämpfung von Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus getan wie | |
diese.“ Die Ergebnisse des Kabinettsausschusses seien gemeinsam mit | |
Zivilgesellschaft und Politik erarbeitet worden und „von unschätzbarem Wert | |
für unser ganzes Land“. Die Extremismusbekämpfung bleibe aber eine | |
„Daueraufgabe“. Auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) | |
erklärte, mit dem Abschlussbericht sei die Arbeit „keineswegs | |
abgeschlossen“. Die beschlossenen Maßnahmen müssten nun „so schnell wie | |
möglich auch umgesetzt werden“. | |
Zwei Punkte landeten – auf Druck der Unionsfraktion – am Mittwoch indes | |
nicht im Kabinett, obwohl auch sie Teil des 89-Punkt-Plans sind. Der eine | |
ist die [6][Streichung des „Rasse“-Begriffs] aus dem Grundgesetz, auf den | |
Lambrecht drängte. Sie und Seehofer hatten sich bereits auf eine | |
Neuformulierung geeinigt, dass künftig Diskriminierungen „aus rassistischen | |
Gründen“ verboten sein sollen. Die Unionsfraktion wollte lieber, dass von | |
„vermeintlicher Rasse“ die Rede ist. Lambrecht kritisierte die Blockade der | |
Union als „fatales Signal im Kampf gegen Rassismus“. | |
Zudem wollte der Kabinettsausschuss Betroffenen von rassistischen, | |
religiösen oder anderen Benachteiligungen sechs statt bisher zwei Monate | |
Zeit einräumen, um sich mittels des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes | |
dagegen zu wehren. Hier geht es um Fälle im Berufsleben, der Bildung oder | |
etwa bei Wohnungsanmietungen. Auch in diesem Punkt verhinderte die | |
Unionsfraktion aber kurz vor knapp, dass er im Kabinett landete. | |
12 May 2021 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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