# taz.de -- Lambrecht über Demokratiefördergesetz: „Nicht nur schneidige Re… | |
> Justiz- und Familienministerin Christine Lambrecht (SPD) engagiert sich | |
> gegen Extremismus und für Prävention. Doch das Gesetz steht auf der | |
> Kippe. | |
Bild: Christine Lambrecht | |
taz: Frau Lambrecht, als [1][neue Familienministerin] sind Sie nun auch für | |
das Demokratiefördergesetz zuständig. Warum brauchen wir ein derartiges | |
Gesetz? | |
Christine Lambrecht: Wir müssen die vielen Initiativen stärken, die sich | |
für Respekt und Zusammenhalt sowie gegen Menschenverachtung und Extremismus | |
einsetzen – gerade jetzt in Zeiten der Pandemie. Wir haben bereits | |
zahlreiche Gesetze zur Bekämpfung von Hasskriminalität und | |
Rechtsextremismus beschlossen, um Extremisten konsequent Grenzen | |
aufzuzeigen und sie zur Verantwortung zu ziehen. Jetzt müssen wir die | |
Präventionsarbeit weiter stärken. Bisher können Demokratieprogramme des | |
Bundes allerdings nur Modellprojekte fördern, die wieder auslaufen. | |
Erfolgreiche Projekte müssen wir längerfristig fördern. Projekte brauchen | |
Planungssicherheit, sonst geht viel Know-How verloren und Netzwerke müssen | |
immer wieder neu geknüpft werden. | |
Kommt das Demokratiefördergesetz noch vor der Bundestagswahl? | |
Dafür kämpfe ich. Das Bundeskabinett hat am 12. Mai Eckpunkte hierfür | |
beschlossen und es ist ein zentraler Punkt aus dem Maßnahmenkatalog gegen | |
Rechtsextremismus, den wir im Kabinett als Reaktion auf die entsetzlichen | |
rassistischen Morde in Hanau beschlossen haben. Ich setze alles daran, dass | |
wir den Gesetzentwurf jetzt sehr zügig im Kabinett auf den Weg bringen. | |
Dann kann der Bundestag noch in dieser Wahlperiode das Gesetz beschließen. | |
Bisher hat die CDU/CSU-Fraktion [2][das Demokratiefördergesetz aber | |
blockiert], weil sie es für überflüssig hält. Wird sie nun zustimmen? | |
Die aktuelle Diskussion über anwachsenden Antisemitismus zeigt, wie nötig | |
Projekte gegen Extremismus sind. Und die Gefahr, die vom Rechtsextremismus | |
ausgeht, ist unverändert hoch. Unionspolitiker halten auf Kundgebungen | |
gegen Antisemitismus schneidige Reden. Jetzt können sie ihren Worten Taten | |
folgen lassen und zeigen, dass die CDU/CSU es ernst meint mit dem Kampf | |
gegen Antisemiten und Demokratiefeinde. | |
Um welche Art von Projekten geht es? | |
Es geht zum Beispiel um Projekte, die Jugendliche befähigen, mit | |
Zivilcourage und Argumenten auf rassistische, rechtsextremistische und | |
antisemitische Hetze zu reagieren. Im zentralen Bundesprogramm „Demokratie | |
leben!“ werden derzeit bundesweit über 550 Projekte gefördert, darunter | |
rund 150 Modellprojekte für Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung und | |
Extremismusprävention sowie über 300 lokale Partnerschaften für Demokratie. | |
Um wieviel Geld geht es? | |
Das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ haben wir von 115,5 Millionen Euro | |
im Jahr 2020 auf 150,50 Millionen Euro in diesem Jahr aufgestockt. Für das | |
nächste Jahr sind in der Finanzplanung des Bundes 165,5 Millionen Euro | |
vorgesehen und ab 2023 dann jährlich jeweils 200 Millionen Euro. Das | |
Programm „Demokratie leben!“ des Bundesfamilienministeriums ist das | |
finanzstärkste und auch weitreichendste Präventionsprogramm des Bundes, das | |
alle Formen von Extremismus und Menschenfeindlichkeit in den Blick nimmt. | |
Warum sind Sie als Bundesfamilienministerin für Demokratieprogramme | |
zuständig? | |
Hauptzielgruppe des Programms sind Kinder und Jugendliche. | |
Und was ist mit Erwachsenen? | |
Im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ sind bisher nur Maßnahmen für | |
Personen bis 27 Jahren als Hauptzielgruppe möglich. Das ist ein zweites | |
Manko neben der Beschränkung auf Modellprojekte, die eingestellt werden | |
müssen, wenn sie sich bewährt haben. Mit dem Demokratiefördergesetz wollen | |
wir endlich eine stabile Basis schaffen, um Initiativen für alle | |
Altersgruppen zu finanzieren und erfolgreiche Projekte zu verstetigen. | |
Hat der Bund überhaupt die Kompetenz für ein Demokratiefördergesetz? Sind | |
Bildung und Gefahrenabwehr nicht klassische Aufgaben der Länder? | |
Der Bundestag darf ein Demokratiefördergesetz beschließen, weil der Bund | |
die Gesetzgebungskompetenz „kraft Natur der Sache“ für die Stärkung und | |
Förderung der wehrhaften Demokratie hat. | |
Die CDU/CSU-Seite hat in den Eckpunkten für das Gesetz erreicht, dass alle | |
Projekte, die gefördert werden wollen, sich schon bei der Antragstellung | |
zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennen müssen. Wie finden | |
Sie das? | |
Ich finde es grundsätzlich richtig, dass sich Projekte, die Steuergelder | |
erhalten, auch zu unseren gemeinsamen demokratischen Werten bekennen. Von | |
den Projekten kann aber nicht verlangt werden, dass sie für jeden | |
Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin politisch bürgen müssen. Das wäre auch | |
ein unerträglicher Generalverdacht gegen engagierte Menschen. | |
In den Eckpunkten steht, dass nur Maßnahmen mit „überregionaler Bedeutung“ | |
gefördert werden sollen. Stehen damit lokale und regionale Projekte vor dem | |
Aus? | |
Auf keinen Fall, das wäre ja sogar eine Verschlechterung zur aktuellen | |
Situation. Nein, der Kampf gegen Rassismus, Rechtsextremismus und | |
Antisemitismus ist immer von überregionaler Bedeutung. | |
Kann man noch von „zivilgesellschaftlichen“ Initiativen sprechen, wenn | |
diese überwiegend vom Staat bezahlt werden? | |
Ja, natürlich fördern wir hier die Zivilgesellschaft und vielfach | |
ehrenamtliches Engagement in den Projekten. Und wenn Sozialarbeiterinnen | |
und Sozialarbeiter sich in Schulen und Jugendclubs für Demokratie, Vielfalt | |
und Toleranz stark machen, dann ist das für mich ebenfalls ein wichtiges | |
Engagement für unsere Zivilgesellschaft. | |
29 May 2021 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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