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# taz.de -- Interview zu Queerfeindlichkeit: „Dankbares Feld, um Stimmung zu …
> Mika Pérez Duarte untersucht, wie rechte Medien Queerfeindlichkeit
> verbreiten – und wie die übrige Presse in Deutschland dabei mitmacht.
Bild: Die Verrohung des Diskurses spiegelt sich in der Zunahme von Hassgewalt
taz: Mika Pérez Duarte, mit Ihren Kolleg*innen vom Antifaschistischen
Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin e. V. (apabiz) haben Sie
Queerfeindlichkeit in der extrem rechten Publizistik in Deutschland
untersucht. Welche zentralen Narrative konnten Sie dabei finden?
Mika Pérez Duarte: Wir haben uns die 2022 und 2023 erschienen Ausgaben von
rechten Medien wie [1][Compact], Junge Freiheit, [2][Sezession] und weitere
angeschaut. Sie alle verbindet das Narrativ des Kinder- und Jugendschutzes.
Demnach stellen Queers eine vermeintliche Gefahr dar, weil sie eine
Vielfalt von Geschlecht und Sexualität präsentieren. Allein das Wissen über
diese Vielfalt würde Kinder und Jugendliche schwul, lesbisch oder trans
machen. Dahinter steckt die Angst vor dem Verlust der traditionellen
Familie, die Vater, Mutter und Kind umschließt. In der Wahrnehmung von
extremen Rechten wäre dieser Verlust für den deutschen Volkskörper
verheerend, weil sich das Volk nicht weiter etablieren könnte und seine
Eindeutigkeit verlieren würde. Besonders Transgeschlechtlichkeit wird als
„Krankheit“ oder als „Gift“ für die Gesellschaft bezeichnet. Außerdem…
es das Narrativ, dass Transgeschlechtlichkeit eine Gefahr für Frauen in
Schutzräumen darstellen würde. Transpersonen werden als gewalttätig
dargestellt. [3][Tatsächlich erfahren sie häufiger Gewalt als andere.]
Welche Themen nehmen diese Zeitschriften zum Anlass, um queerfeindliche
Narrative aufzugreifen?
Die Sprachdebatten zum Thema Gender sind uns allen bekannt. Eine selektive
Thematisierung gab es auch im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft
der Männer in Katar und der Regenbogenfahne auf dem Spielfeld. Weitere
Anlässe waren die Ehe für alle und die Gegenaktion der Identitären Bewegung
und der AfD zum Christopher Street Day unter dem Hashtag [4][„Stolzmonat“].
Autor*innen pickten außerdem Kinderbücher heraus, die geschlechtliche
Vielfalt thematisieren. Zuletzt war das [5][Selbstbestimmungsgesetz und die
Bundestagsdebatten] fast wöchentlich ein Thema.
Welcher Stilmittel bedienen sie sich dabei?
Ein Stilmittel, vor allem in der Compact, sind Vergleiche mit dem
Nationalsozialismus. In einem Artikel wird zum Beispiel LGBTIQ* mit der
NSDAP in einen Satz gebracht, um Gleichstellungsmaßnahmen als totalitäre
Umerziehung zu rahmen. Dazu wird unterstellt, dass die Untersuchung
potenzieller Samenspender, wenn gleichgeschlechtliche Paare Kinder
bekommen, an Eugenik erinnere. Insgesamt zeichnet sich ein hohes Maß an
Desinformation ab. Vermeintliche Fakten werden als Belege präsentiert.
Queere Themen werden traditionell links verortet. Woher kommt die Obsession
der Rechten?
Leider ist die Konstruktion eines Feindbildes von Queers derzeit ein
dankbares Feld, um Stimmung zu machen und Zustimmung zu erfahren. Die
extreme Rechte sucht ständig nach Wegen, um im Gespräch zu bleiben. Gendern
zum Beispiel ist ein heiß diskutiertes Thema in der Gesellschaft. Sie
profitiert davon, dass die übrige Presse mitunter unsensibel, überzeichnet
und an traditionalistischen Werten orientiert diskutiert. Zwar berichten
liberalere Medien weniger menschenfeindlich, aber die Narrative des Kinder-
und Frauenschutzes oder der Bewahrung von Familienwerten finden sich auch
dort. Die Thematisierung von Queerness durch die extreme Rechte ist jedoch
nicht neu. Die Ablehnung einer pluralistischen Ausgestaltung von Liebe,
Sexualität und Geschlechtsidentität fußt für die extreme Rechte in
Deutschland [6][letztlich im Nationalsozialismus.]
Welchen Effekt hat diese Thematisierung der extrem rechten Publizistik auf
die Gesamtgesellschaft?
Ihnen gelingt es damit anzustacheln. Konservative oder rechte Milieus
greifen die Narrative auf, um für sich zu werben. Die Verrohung des
Diskurses spiegelt sich in der [7][Zunahme von Hassgewalt]. Gerade hat
Brandenburg [8][neue Zahlen vermeldet]: Die Zahl der queerfeindlichen
Vorfälle hat sich im vergangenen Jahr verdoppelt.
Wie lässt sich queerfeindlichen Narrativen entgegensteuern?
Die extreme Rechte lehnt frühzeitige Aufklärung, einen
Sexualkundeunterricht, der Vielfalt beinhaltet, ab. Das macht die Menschen
später empfänglicher für eindeutige Feindbilder. Solange Weltbilder noch
nicht geschlossen sind, kommen wir mit Diskurs voran. Die Analyse extrem
rechter Publizistik ist unser Beitrag dazu.
3 Mar 2024
## LINKS
[1] /Ludwig-und-Press--Book-kicken-Compact/!5987446
[2] /Rechtsextreme-Traditionslinien/!5926513
[3] /Aktivistin-ueber-Gewalt-gegen-Trans/!5730266
[4] https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/stolzmonat-rechtsradikale-social-med…
[5] /Expert_in-ueber-Selbstbestimmungsgesetz/!5926716
[6] /Rechtsextremismusexperte-ueber-Rechtsruck/!5958358
[7] /LGBTIQ-in-Deutschland/!5961579
[8] https://www.maenner.media/gesellschaft/community/brandenburg-immer-mehr-gew…
## AUTOREN
Clara Löffler
## TAGS
Queer
Rechtsextremismus
Compact
Transfeindlichkeit
Journalismus
Schwerpunkt LGBTQIA
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Gesundheitswesen
Kai Wegner
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