# taz.de -- Großdemo in München: Zehntausende gegen Polizeigesetz | |
> In München hat die Opposition gegen die geplante Einschränkung von | |
> Bürgerrechten protestiert. Das Bündnis reicht von FDJ bis FDP. | |
Bild: Das Bündnis gegen das Polizeigesetz in Bayern ist breit | |
MÜNCHEN taz | Als erstes sorgen die Fußballfans für Stimmung, die gegen | |
12.30 Uhr auf dem Münchner Marienplatz eintreffen. Hunderte Männer vom | |
FC-Bayern-Ultra-Fanclub „Schickeria“ singen lauthals: „Wir sind bereit, w… | |
zeigen Flagge!“ Es klingt, als würden sie die Südkurve in der Allianz-Arena | |
bespielen. Doch es ist die Demonstration des breiten Bündnisses „noPAG“, | |
das sich gegen das geplante neue bayerische Polizeigesetz richtet. Die | |
Landesregierung will der Polizei mit dem Polizeiaufgabengesetz (PAG) eine | |
bisher einzigartige Fülle an Befugnissen geben, die von vielen Kritikern | |
als Schaffung eines Überwachungsstaates gesehen werden. | |
Um 13 Uhr am Donnerstag, zu Beginn der Demonstration, ist der Marienplatz | |
vor dem Münchner Rathaus knallvoll, wie man ihn kaum je gesehen hat. Grüne, | |
die SPD, Attac, Studenten, Republikanische Anwälte und 70 andere | |
Organisationen haben zum Protest gegen das Vorhaben der Söder-Regierung | |
aufgerufen, das kommenden Dienstag den Landtag mit CSU-Mehrheit passieren | |
soll. 7.000 Teilnehmer waren angemeldet, doch jetzt sind es mehr, viel, | |
viel mehr. Die Polizei spricht von 30.000 Menschen, die SPD von 40.000. | |
Massenweise junge Leute sind da, viele schwarz gekleidet, die sich etwa auf | |
dem Pflaster vor einem Kaufhaus hinfläzen. Illustre Bündnisse bilden sich | |
mit nur einer gemeinsamen Sache, nämlich dem Kampf gegen das PAG. An den | |
Arkaden des Alten Rathauses sammelt sich etwa die FDP, rund 100 Personen | |
stark. „Es gilt, die Bürgerrechte zu verteidigen“, sagt der Liberale | |
Andreas Keck, „und ein Zeichen gegen Auswüchse zu setzen“. Mit den teils | |
linksradikalen Mitdemonstranten hat er nichts am Hut. Er hoffe, dass sie | |
die Demonstration nicht dominieren. Der FDP-Slogan lautet: „Dein Leben, | |
deine Freiheit“. | |
20 Meter weiter, am Eingang zum Viktualienmarkt, versammelt sich hingegen | |
die Ultralinke. Ein Mädchen von der DKP-Jugendorganisation SDAJ verteilt | |
Flyer gegen den „Polizeistaat Bayern“, weiter heißt es: „Stoppen wir die | |
Vorbereitung des Faschismus!“ Die Linke ist stark vertreten, und selbst die | |
FDJ, einst die DDR-Jugend, ist mit einer Handvoll Uniformierter im Blauhemd | |
dabei. | |
## „Welcome back to 1933“, heißt es auf einem Transpi | |
Der Platz ist so voll, dass die geplanten Auftaktreden gestrichen werden. | |
Die Leute sollen direkt ihre Runde durch München ziehen, vorbei an Markus | |
Söders Staatskanzlei und zum Odeonsplatz zur Schlusskundgebung. Doch das | |
zieht sich alles weitaus länger als geplant. | |
Im bayerischen Polizeigesetz, so wird gewarnt, erhält die Ordnungsmacht | |
Befugnisse wie ein Geheimdienst. Sie kann schon bei „drohender Gefahr“ | |
einschreiten, nicht erst bei einer konkreten. Auch soll Videoüberwachung | |
mit intelligenter Gesichtserkennung und vieles mehr eingeführt werden. | |
Bayerns Datenschutzbeauftragter Thomas Petri warnt vor einem Tabubruch, der | |
Datenschutzexperte Thilo Weichert warnt: „Es darf keinen Durchmarsch | |
bayerischer Sicherheitspolitik geben.“ Das Gesetz sei „inakzeptabel und | |
gefährlich“. | |
Auf vielen Plakaten der Demonstranten wird Bayerns Ministerpräsident Markus | |
Söder direkt angegangen. „Welcome back to 1933“, heißt es auf einem. Manc… | |
Teilnehmer geben sich auch ironisch bis spaßig, meinen etwa: „Hilfe, ich | |
werde unterdrückt!“ Oder: „Ich bin so wütend, ich hab sogar ein Schild | |
dabei!“ Die Jusos rufen im Chor: „PAG – Scheißidee“. | |
Die Polizei hält sich am Nachmittag zurück und gibt den höflichen | |
Ordnungsdienst. Sie twittert, dass die Feuerwehr an durstige Demonstranten | |
Wasser ausgibt und schreibt: „Gebt Acht aufeinander.“ Insgesamt wird die | |
Lage trotz der vielen Menschen als gelassen eingeschätzt, in den anderen | |
Münchner Straßen flanieren Einheimischen und die Touristen wie gewohnt. Und | |
der seit dem Münchner Amokattentat bekannte Polizeisprecher Marcus da | |
Gloria Martins sagt im Hörfunkinterview sogar: „Demonstrieren ist etwas | |
Wunderbares.“ | |
10 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Patrick Guyton | |
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