# taz.de -- Gastronom über Pommes Frites: „Anfassen gehört zum Genuss dazu�… | |
> Wie macht man die perfekten Pommes? Ein Gespräch mit Vladislav Gachyn, | |
> Betreiber des De-luxe-Imbiss „Goldies“, über Belgien, Frittierzeiten und | |
> Knuspertexturen. | |
Bild: Pommes mit Topping? Gibt es im Goldies | |
taz am wochenende: Herr Gachyn, lassen Sie uns über Pommes reden. Zunächst | |
ein paar Standardfragen: Ketchup oder Mayo? | |
Vladislav Gachyn: Für mich persönlich beides. Und am besten noch „spezial�… | |
also mit rohen, scharfen Zwiebeln. | |
Mit Schale frittieren – oder ohne? | |
Mit etwas Schale. Im Pommesland Belgien werden die Fritten zu hundert | |
Prozent aus geschälten Kartoffeln geschnitten. In den USA ist es fast | |
umgekehrt. Bei uns im „Goldies“ verwenden wir zu 25 Prozent ungeschälte | |
Kartoffeln. Es gibt den Pommes einen leicht erdigen Beiklang, aber der | |
Kartoffelpüreegeschmack bleibt noch erhalten. | |
Finger oder Spießchen? | |
Finger. Das Anfassen gehört zum Genuss dazu. | |
Und schließlich: Pappe oder Tüte? | |
Pappe. Die Belgier schwören auf die Trichtertüten, weil das Fett nach unten | |
abtropfen kann und die Pommes länger heiß bleiben. Der Nachteil ist aber, | |
dass man am Ende mit der Hand durch die ganzen Saucen an der Tütenwand | |
langen muss. Nicht so richtig geil. | |
In Ihrem „Goldies“ sind Pommes nicht die Beilage für Burger oder Würstche… | |
sondern das Hauptgericht. Es ist dennoch kein stinknormaler Pommesimbiss. | |
Was macht das „Goldies“ so speziell? | |
Mein Partner Kajo Hiesl und ich orientieren uns an der belgischen | |
Tradition. Wenn wir schon keine Burger im Angebot haben, dann gibt es bei | |
uns die Pommes mit speziellen selbst gemachten Toppings: Peking-Ente, | |
Roastbeef oder Rote Bete mit Saucen, die wir alle selbst machen. Wir nennen | |
das Kombos, sie sind ein wenig wie Poutine … | |
… ein Gericht aus Kanada: Fritten mit Bratensauce. | |
Genau. Oft sind die Pommes darin aber eher ertränkt. Davon wollten wir uns | |
bewusst distanzieren und haben uns an Länderküchen orientiert. Es gibt zum | |
Beispiel eine chinesische Variante mit Peking-Ente, eine ukrainische mit | |
Weißkraut-Karotten-Salat und Dill und eine italienische mit Caponata. | |
Belgische Pommes gelten als Nonplusultra. Was kann man von den Belgiern | |
lernen? | |
Dass Pommes einfach ultrageil sind, wenn sie aus frischen Kartoffeln | |
gemacht und in Rinderfett frittiert werden. Das Fett gibt einen | |
unnachahmlichen Geschmack. Die Lokale, die das in Brüssel richtig gut | |
machen, kann man an einer Hand abzählen. Aber es sind immer noch mehr als | |
in ganz Deutschland, würde ich sagen. | |
Gehen wir ins Detail. Wie müssen gute Pommes schmecken? | |
Eine gute Pommes hat eine Kruste mit vielen unterschiedlichen | |
Knuspertexturen. Das Innere muss nach fluffigem Kartoffelpüree schmecken | |
mit einer leichten Salznote. | |
Sie kommen zweimal ins heiße Fett. | |
Das ist ein Muss. Pommes werden bei etwa 120 Grad für etwa acht bis zehn | |
Minuten vorfrittiert, je nach Kartoffel und Jahreszeit. Wir verwenden dafür | |
Erdnussöl, das gibt den Pommes einen leicht nussigen Beigeschmack. | |
Bräunen sie dabei schon? | |
Nein, sie werden eher vorgekocht und entwickeln eine leicht ledrige | |
Außenhaut, die beim zweiten Frittieren zur Kruste wird. Wichtig ist, von | |
Hand vorzufrittieren. Dabei wird gerührt und die Kartoffelstäbchen bekommen | |
leichte Bruchstellen. Beim zweiten Frittieren bei 168 Grad, wenn die Pommes | |
Farbe annehmen und kross ausgebacken werden, entwickeln sich krustige | |
Krater, und es entsteht das, was ich als Knuspertextur bezeichnet habe. | |
Gibt es wirklich Unterschiede zwischen Belgien und den Niederlanden? | |
Riesige. Holländische Pommes sind etwas dünner geschnitten, sie sind 12 | |
statt 14 Millimeter dick. Außerdem wird in den Niederlanden meiner | |
Beobachtung nach etwas kürzer, dafür aber heißer vorfrittiert. So sind die | |
Pommes heller, nicht ganz so kross, dafür aber auch nicht so fetthaltig. | |
Aus Pommes-Sicht sind die beiden Länder völlig eigene Universen, und wir | |
glauben, wir haben uns das Beste aus beiden Welten abgeschaut. | |
Nämlich? | |
Wir schneiden so dünn wie in Holland und frittieren wie in Belgien: Im | |
zweiten Gang kommen unsere Pommes in Rinderfett. | |
Und was machen Vegetarier? | |
Für die frittieren wir die Pommes im zweiten Gang auch in Erdnussöl. | |
In Deutschland bieten immer mehr Burgerläden selbst gemachte Pommes an … | |
… aber machen noch einiges falsch. Das fängt schon bei den Kartoffeln an. | |
Viele nehmen die falsche Sorte, die zu schnell karamellisiert. Es kommt | |
eher auf das richtige Verhältnis von Zucker und Stärke an. Der Zucker | |
bildet sich, wenn die Kartoffeln gelagert werden. Zu lang gelagerte | |
Kartoffeln bräunen schneller, bilden aber keine richtige Kruste aus, | |
deshalb werden die Pommes schnell wieder labberig. | |
Also am liebsten frisch geerntete Kartoffeln? | |
Nein, die Lagerung ist schon wichtig und auch eine Kunst an sich. Dabei | |
reift die Kartoffel. Aber eigentlich fängt es schon beim Anbau an. | |
Welche Sorte ist die beste? | |
In den USA haben sie die Russet Burbank, die man an der sommersprossigen | |
Schale erkennt. Sie wird auch von McDonald’s verwendet. Im europäischen | |
Raum werden vor allem die Sorten Bintje, Agria, die Premiere und in | |
Großbritannien die Maris Piper verwendet. Man sagt, die Agria ist | |
eigentlich die perfekte Pommes-Kartoffel. Sie ist schön gelb, hat die | |
perfekte Lagerungsfähigkeit und den richtigen Stärkegehalt. | |
Haben Sie eigentlich als Kind schon Pommes geliebt? | |
Klar, Pommes gehörten immer dazu. Aber ich verbinde damit keine Erlebnisse | |
wie viele andere, die sofort an Schwimmbad-Pommes denken. | |
Die ja eigentlich alles andere als gute Pommes sind. | |
Aber das macht nichts. Es kommt auf das Gefühl an. Vielleicht ist es | |
tatsächlich so: Wenn man völlig aufgeweicht aus dem Chlorwasser steigt, | |
dann schmecken übersalzene, labberige Kartoffelstäbchen einfach am besten. | |
18 Nov 2017 | |
## AUTOREN | |
Jörn Kabisch | |
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