| # taz.de -- Europäische Flüchtlingspolitik: Asylverfahren abgeschoben | |
| > Die Bundesregierung will Asylverfahren teilweise an die EU-Außengrenzen | |
| > auslagern. Kritik kommt auch von den Grünen. | |
| Bild: 500 Geflüchtete an der süditalienischen Küste am 11. März | |
| Berlin taz | Gerade hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die | |
| gemeinsame Position der Ampelkoalition zur [1][Reform der europäischen | |
| Asylpolitik] vorgestellt, schon gibt es Kritik aus den eigenen Reihen. Eine | |
| faire Verteilung Schutzsuchender in der EU werde es dadurch nicht geben, | |
| sagte der taz der Grünen-Bundestagsabgeordnete Julian Pahlke. | |
| „Das ist keine Verbesserung des europäischen Asylsystems. Im | |
| Koalitionsvertrag haben wir uns darauf geeinigt, dass jeder Asylantrag | |
| inhaltlich geprüft werden muss“, so Pahlke. „Verpflichtende Grenzverfahren, | |
| sichere Drittstaatskonzepte und schnellere Abschiebungen untergraben diesen | |
| Grundsatz.“ | |
| Schon lange ringt die EU um eine Reform der Asylpolitik. Strittig ist vor | |
| allem die Frage der gerechten Verteilung Asylsuchender unter den | |
| Mitgliedstaaten. Die Bundesregierung will sich auf Ratsebene nun für | |
| Asylverfahren an den EU-Außengrenzen einsetzen: „Das heißt, dass bereits | |
| dort die Registrierung und Erfassung und Identifizierung der Geflüchteten | |
| stattfinden wird“, sagte Faeser in der ARD. Es gebe derzeit „ein | |
| historisches Momentum“ für ein gemeinsames Asylsystem. | |
| Entsprechende Vorschläge der EU-Kommission liegen schon länger auf dem | |
| Tisch. Die Position, mit der Deutschland nun in die Verhandlungen gehen | |
| will, trägt diese im Grundsatz mit – will aber an einigen Stellen weniger | |
| weit gehen. Die Kommission plant Grenzverfahren für alle Menschen aus | |
| Ländern, deren Anerkennungsquote unter 20 Prozent liegt. Damit sind etwa | |
| Herkunftsländer wie Syrien oder Afghanistan nicht betroffen. | |
| ## Bei diesem Konzept müssten sich alle Länder einbringen | |
| Deutschland will das Instrument etwas restriktiver handhaben: Nur wer aus | |
| Ländern mit einer Schutzquote unter 15 Prozent kommt, soll bereits in einem | |
| sogenannten Ankunftszentrum an der [2][EU-Außengrenze] sein Asylverfahren | |
| durchlaufen. Damit würden zusätzlich Länder wie Kongo, Benin oder | |
| Kasachstan aus dem Grenzverfahren herausfallen. | |
| Falls es in den Aufnahmezentren zu Überfüllung kommt, soll die Quote | |
| nochmals auf fünf Prozent abgesenkt werden. Für Familien mit Kindern unter | |
| 18 Jahren solle es grundsätzlich kein Grenzverfahren geben – die Kommission | |
| hatte hier 12 Jahre angesetzt –, ebensowenig für besonders vulnerable | |
| Gruppen wie alleinreisende minderjährige, schwangere, behinderte oder | |
| queere Geflüchtete. | |
| Für das Asylverfahren ist jener Staat zuständig, in dem ein Mensch in die | |
| EU einreist. Auch für die Grenzverfahren sollen die jeweiligen Länder | |
| zuständig sein. Faeser betonte, dass die Menschen nach diesen Verfahren auf | |
| „solidarische Mitgliedstaaten“ verteilt werden sollen. | |
| Einen freiwilligen Verteilmechanismus gibt es bereits, [3][in der Realität | |
| funktioniert er aber nur bedingt]. Auch der nun geplante verpflichtende | |
| Soli-Mechanismus soll nicht regeln, welches Land wie viele Menschen | |
| aufnimmt – sondern lediglich, dass alle Länder sich in irgendeiner Form | |
| einbringen müssen, ob nun durch Aufnahme oder durch finanzielle oder | |
| materielle Unterstützung. | |
| ## Grenzverfahren als Kardinalsfehler | |
| „Ohne dass die Verteilung tatsächlich explizit geregelt ist, werden die | |
| Mittelmeranrainer solchen Plänen vermutlich nicht zustimmen“, sagte der | |
| SPD-Politiker Hakan Demir der taz. | |
| Seiner Erfahrung nach bergen Grenzverfahren zudem die Gefahr, dass | |
| rechtsstaatliche Standards abgesenkt werden. Positiv bewertete Demir den | |
| Einsatz der Bundesregierung für ein umfassendes Menschenrechtsmonitoring. | |
| Pro Asyl hat die Äußerungen Faesers derweil harsch kritisiert. Damit | |
| rückten „Grenzverfahren in Haftlagern an der EU-Grenze mit Ziel der | |
| Zurückweisung in nicht sichere Drittstaaten immer näher“, so die | |
| Menschenrechtsorganisation. „Grenzverfahren sind der Kardinalsfehler der | |
| letzten Jahre, denn die Erfahrung zeigt, dass Verfahren an der Grenze zu | |
| humanitären Missständen, schlechten Verfahren und letztlich zu einer | |
| Verweigerung von Schutz führen“, sagte Karl Kopp, der die Europa-Abteilung | |
| von [4][Pro Asyl] leitet. | |
| Eine deutsche Zustimmung dazu passe nicht zu dem „Versprechen des | |
| Koalitionsvertrags, bessere Standards für Schutzsuchende in den | |
| Asylverfahren zu schaffen und das Leid an den Außengrenzen zu beenden“, so | |
| Kopp. | |
| 2 May 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dinah Riese | |
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