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# taz.de -- E-Autos versus Verbrenner: Der gefühlte Freiheitsverlust
> Die Absatzzahlen von E-Autos steigen, aber die meisten Käufer:innen
> entscheiden sich weiter für Verbrenner. Das hat nicht nur mit dem Preis
> zu tun.
Bild: Mit dem E-Auto unterwegs: Autos waren mal ein Freiheitsversprechen
Zwischen Uelzen und Paris liegen – je nach Route – etwa 900 Kilometer. Mit
dem Auto ist das in einer Nacht locker zu schaffen, aber das muss man gar
nicht so genau wissen, bevor man sich auf den Weg macht. Das Auto steht vor
der Tür, vollgetankt wird an beliebigen Tankstellen unterwegs, Zahnbürste,
Wechselsachen und Handy-Ladekabel in den Kofferraum geworfen – hallo
Roadtrip, hallo Croissants mit Blick auf die Sacré-Cœur, hallo Freiheit!
Was, nie gemacht? Aber immer davon geträumt? Macht nichts. So geht es den
meisten Autobesitzer:innen. Denn mit dem Auto kauft man nicht nur eine
motorisierte Blechkiste auf vier Rädern, man kauft auch ein Set an
Möglichkeiten: die Möglichkeit, zur Arbeit zu pendeln, ohne sich dabei
entweder im Nahverkehr zwischen anderen Menschen oder auf dem Rad zwischen
Autos drängeln zu müssen; die Möglichkeit, mal schnell diesen wunderbaren
Tisch auf dem Kleinanzeigenportal zu kaufen und gleich abzuholen; oder eben
auch die Möglichkeit, jederzeit – unabhängig von Zug- oder Busfahrplänen,
von Flugzeugen, die abheben oder auch mal nicht, von Streiks, Pandemien,
Wind und Wetter – sein altes Leben hinter sich zu lassen und am nächsten
Morgen in der Patisserie Pain Pain ein Abricot Coco zu kaufen. Ein neues
Leben anzufangen – und sei es nur für ein verlängertes Wochenende.
Gerade diese letzte ist nicht nur eine Möglichkeit, sie ist fast schon ein
Versprechen, das mit dem Autokauf einhergeht. Nicht umsonst ist in der
Autowerbung das Freiheitsthema das Leitmotiv. Und dass E-Mobilität gerade
auf dem Land nicht mal ansatzweise dabei ist, sich durchzusetzen, liegt –
neben der mittlerweile immerhin sinkenden Preisdifferenz zu Verbrennern –
auch daran, dass die Elektros dieses Freiheitsversprechen vermeintlich
nicht einlösen können.
Dabei sehen die Fakten erst einmal vielversprechend aus. Zum Beispiel
steigt die Ladesäulendichte: Im bundesweiten Schnitt kamen – Stand Juli
2024 – 17,3 E-Autos auf einen öffentlichen Ladepunkt. Im Januar 2023 waren
es laut einer Berechnung des Verbands der Automobilwirtschaft (VDA) noch 23
E-Autos pro Säule.
## Planung ist alles
Das liegt nicht etwa daran, dass die Zahl der E-Autos deutlich gesunken
wäre, sondern daran, dass die Zahl der Ladesäulen zunimmt: Von September
2023 bis September 2024 meldete die Bundesnetzagentur einen Zuwachs um 26
Prozent auf 145.857 Ladepunkte bundesweit. Und in einer Umfrage des
Interessenverbands ACE, Auto Club Europa, vom November äußerten sich 81
Prozent der Befragten positiv über die Ladeinfrastruktur. Man kann daraus
schließen: Wer ein E-Auto fährt, kommt in aller Regel damit klar. Doch die
Hürde ist, erst einmal diesen Schritt zu gehen.
Geht es mit dem E-Auto ins Ausland, ist Planung alles. Welche
Ladesäulenbetreiber gibt es dort? Wo stehen ihre Säulen? Welche Apps
und/oder Ladekarten werden benötigt, um Strom zu ziehen? Wie unterscheiden
sich die Anbieter tariflich? Gibt es Anbieter, die eine Blockiergebühr
erheben, wenn man zu lange an einer Säule parkt? Welche Fahrtroute soll es
sein, und gibt es auf dieser Route Ladepunkte der bevorzugten Anbieter? Und
wenn nein, was sind die Alternativen, was Routenführung oder
Lademöglichkeiten angeht? Welche App hilft beim Übersetzen, wenn die
Ladesäule nur die Landessprache spricht? Passt der Stecker des eigenen
Fahrzeugs in die anvisierten Lademöglichkeiten? Und gibt es idealerweise
vor Ort eine Unterkunft, die eine Ladesäule in der Nähe hat oder einen
eigenen Ladepunkt für Gäste?
Das zu klären, ist keine unerfüllbare Aufgabe. Wer es hinkriegt, sich um
einen neuen Mobilfunkvertrag zu kümmern oder einen Förderantrag für eine
Balkonsolaranlage zu stellen, schafft auch die Planung einer Reise mit dem
E-Auto ins Ausland. Aber die gefühlte Spontanität liegt dann eben nicht
mehr so nah dran an dem Trip mit dem Verbrenner, sondern eher im Bereich
der öffentlichen Verkehrsmittel wie Zügen, bei denen man sich auch im
Vorfeld um Routen und Tickets kümmern muss.
Wer ein Gefühl für die Vorbereitungsphase bekommen möchte, kann sich
übrigens in Reiseblogs durch zahlreiche Erfahrungsberichte aus
verschiedenen Ländern hindurchlesen, die zwischen Verzweiflung (vierte
Ladesäule hintereinander defekt, Akkustand im kritischen Bereich,
Nervenzusammenbruch in Sicht) und Stolz (alles gar nicht so wild,
Reichweitenangst kennen wir nicht, E-Mobilität ist die Zukunft, ihr
Verbrenner-Retros) schwanken.
## Die Öffis sind gefragt
Und so [1][bleiben die Skeptiker:innen halt bei ihrem Verbrenner] – den
bekannten Folgen für Emissionen und Klima zum Trotz. Dem etwas
entgegensetzen könnte übrigens ausgerechnet [2][der öffentliche Nah- und
Fernverkehr]: Das Deutschlandticket ist ein erster Ansatz, den Aufwand für
die einzelnen Reisenden zu reduzieren. Ein weiterer wären verlässliche und
kurze Taktungen der Züge und eine nahtlose Anbindung über die Landesgrenzen
hinaus.
Individuelle Mobilität braucht dann vermutlich noch im ländlichen Raum das
eigene Auto, aber nicht unbedingt als Verbrenner: Schließlich laden
Hausbesitzer ihren Pkw mit Solarstrom vom Dach quasi kostenlos. Und einer
Berechnung der Initiative Klimaneutrales Deutschland zufolge ist die
Reichweite der beliebtesten E-Auto-Modelle rund 15-mal so groß wie die
hierzulande durchschnittlich am Tag gefahrenen 35 Kilometer pro Pkw. Es
geht also vor allem um eine gefühlte Angst vor Freiheitsverlust – die
übrigens von rechten Kreisen auch gerne instrumentalisiert wird.
Für den nächsten spontanen motorisierten Frankreich-Trip übrigens nicht
vergessen: Für die Einfahrt in eine Umweltzone, zum Beispiel in Paris, sind
die [3][kostenpflichtigen Umweltplaketten Crit’Air nötig]. Online
bestellen, knapp 5 Euro inklusive Versand. Je nach Stadt müssen die
schlechten bis mittleren Schadstoffgruppen draußen bleiben. Die
Verbrennerwelt bekommt zunehmend Grenzen.
12 Aug 2025
## LINKS
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[3] /Verkehrswende-in-Paris/!6098945
## AUTOREN
Svenja Bergt
## TAGS
grüne Mobilität
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