| # taz.de -- Devendra Banhart über neues Album: „Meine Musik ist reinstes Ber… | |
| > Der Folk-Musiker Devendra Banhart kann auch zart. Ein Gespräch über | |
| > Nachhaltigkeit, Inspirationen und Haare im Fahrtwind. | |
| Bild: Devendra Banhart im Juli 2013 in der Schweiz | |
| taz.am wochenende: Herr Banhart, Ihr neues Album heißt „Ape in Pink | |
| Marble“… | |
| Devendra Banhart: Können Sie den Titel ins Deutsche übersetzen? | |
| Affe in rosa Marmor | |
| Affe in rosa Marmor. | |
| Auch die Übersetzung verrät mir nicht, was dieser Titel bedeutet. | |
| Dann sind wir schon zwei. Willkommen im Club! | |
| Was mir dagegen sofort aufgefallen ist, wie langsam diese 13 Songs sind. So | |
| zart, so anrührend! Verglichen damit war der Vorgänger „Mala“ Überschall… | |
| Ich bin da von mir selbst enttäuscht, denn die neuen Songs sind immer noch | |
| nicht so sanft und behutsam, wie ich sie gerne hätte. Ich bin zu hektisch. | |
| Daher sind diese Songs im Rahmen dessen, wie ich sie spielen kann, dazu | |
| angetan, in dem Club in Berlin zu laufen, wie heißt er noch? | |
| Berghain. | |
| Genau, verglichen mit dem, was ich für sanft halte, ist mein neues Album | |
| reinstes Berghain. | |
| Das muss ich erst mal sacken lassen! | |
| Eines Tages werde ich Musik komponieren, die pure Nachhaltigkeit ist und | |
| bar jeder Aggression. Sanftheit ist ein relativer Begriff. Für mich klingt | |
| „Ape in Pink Marble“ wie Industrial-Noise. | |
| Als wir uns das letzte Mal getroffen haben, waren Sie nach New York | |
| gezogen, um dem Geist des Musikers Arthur Russell näher zu sein. Das hallt | |
| nach auf „Ape in Pink Marble“ | |
| Stimmt, ich habe 2013 auch einen Song zu dem Russell-Tribut-Album „Red Hot | |
| and Arthur“ beigesteuert. Nachdem ich „Losing my Faith in Nightlife“ | |
| eingespielt hatte, merkte ich, dass meine Zeit in New York abgelaufen war. | |
| Das lag aber auch an Luther Burbank. | |
| Wer ist das? | |
| Er hat die Songs des neuen Albums inspiriert. Burbank war ein renommierter | |
| Botaniker, er züchtete eine Kaktusart ohne Stacheln. | |
| Never trust a Hippie. | |
| Im Ernst, Burbank ist ein kalifornischer Heiliger, Paramahansa Yogananda | |
| hat ihm die „Biography of a Yogi“ gewidmet. Ich las begeistert in der | |
| Burbank-Biografie „The Garden of Invention“. Die Beschreibungen von Flora | |
| und Fauna haben mir Kalifornien wieder nähergebracht. Wenn ich wegen Arthur | |
| Russell nach New York gezogen bin – durch Luther Burbank bin ich zurück | |
| nach Kalifornien. | |
| Alle 13 Songs haben einprägsame Melodien. Ich höre Anklänge an die frühen | |
| Fleetwood Mac, nicht die Kokain-Fleetwood-Mac der mittleren Siebziger, die | |
| alle Popper mögen, sondern Fleetwood Mac mit Peter Green, im Speziellen den | |
| Song „Albatross“. | |
| Wenn ich fünf Songs aufzählen müsste, die für mein Leben bedeutsam sind – | |
| „Albatross“ ist darunter. Eigentlich will ich Ihnen das gar nicht erzählen, | |
| jetzt denken Sie, ich komponiere Plagiate. | |
| Aber nein! Das war ein Kompliment, außerdem klingen ja noch viele andere | |
| Einflüsse an. Jetzt verraten Sie mir bitte Ihr Geheimrezept. | |
| Ich mache immer weiter, worin ich gut bin: Bei mir ist das die Verbindung | |
| aus Kompositionsprozess und Spielpraxis. Ich versuche, besser zu werden, | |
| kriege es aber nie hin. Beim Scheitern bin ich nicht allein, das geht | |
| vielen Kollegen ähnlich. Entweder wir komponieren immer den gleichen Song, | |
| oder wir versuchen, ihn besser zu spielen. Irgendwann habe ich aufgegeben, | |
| meine Fehler zu korrigieren. Ich mache keine Musik, um reich zu werden. Ich | |
| mache auch keine Musik, damit ich mit Ihnen darüber reden kann. Ich mache | |
| auch keine Musik, weil sie mir Schmerzen bereitet. Und ich mache auch keine | |
| Musik, weil ich selbstzufrieden bin. Ich mache Musik, damit ich mich frage, | |
| warum ich Musik mache. | |
| Bärtige Songwriter, die jammervolle Lieder singen, gibt es viele. Sie | |
| fallen schon mit Ihrem Auftaktsong „Middle Names“ und der Einstiegszeile �… | |
| pretend when I look in your eyes“ aus diesem Schema. Ist das Ihre Antwort | |
| auf das Bedürfnis nach Glaubwürdigkeit? | |
| Es gibt ein Interview mit Sly Stone, da wird er gefragt, wie er Songs | |
| komponiert. Er antwortet, dass er vor dem Spiegel singt: „Glaubst du der | |
| Person, die singt?“ Wenn er seinem Spiegelbild glaubt, lässt er den Song | |
| sein. | |
| Befolgen Sie Slys Rat? | |
| Hab’s noch nie ausprobiert. Wenn ich in den Spiegel schaue, bin ich meist | |
| überrascht. In meinen Gedanken schaue ich völlig anders aus. Egal, in dem | |
| Song „Middle Names“ geht es darum, wie man herausfindet, ob es jemand ernst | |
| meint. Ich ertappe mich oft dabei, dass ich jemandem prüfend in die Augen | |
| schaue. | |
| Den vorletzten Song, „Linda“, singen Sie in Perspektive einer Frau, er | |
| klingt melancholisch. | |
| Linda ist nicht traurig, sie ist ein Freigeist. Von außen mag es so wirken, | |
| als sei Linda melancholisch, das täuscht. | |
| Mögen Sie die Charaktere, über die Sie singen? Manchmal wirkt es so, als | |
| machen Sie sich über sie lustig, wie in dem Song „Jon lends a Hand“. | |
| Der Song ist ein Liebeslied an eine Frau, aber damit bekunde ich auch meine | |
| Zuneigung zu Jonathan Richman, im Text frage ich ihn, ob er mir beim Singen | |
| hilft. „Jonathan/Jonathan/These are your chords/I’m borrowing them/I give | |
| em back/When I’m done“. Und ja, ich mag die Frau sehr. | |
| Und Linda? | |
| Die auch, es wirkt so, als singe ich über ihr Scheitern, aber deshalb | |
| schalte ich mich als Instanz in den Text und ergehe mich in Melancholie. | |
| Linda ist eine Außenseiterin, sie scheitert, zieht um und startet wieder | |
| neu. Darin steckt Freiheit. Entsprechend haben wir den Song in ein | |
| Jazz-Arrangement gekleidet. | |
| Aus Ihrer Musik spricht kindliche Freude an der Existenz, das begann mit | |
| Ihrem Hit „I feel just like a Child“ und zieht sich bis heute durch. | |
| Sagen wir so, als Kind habe ich immer den pakistanischen Musiker Nusrat | |
| Fateh Ali Khan gehört. Seinen Song „Makki Madni“ hat mein Vater im Auto | |
| gespielt, als er mich zur Schule gefahren hat. Die Fenster waren unten, | |
| unser Haar flatterte im Wind und der Sound hat mich weggeblasen. Ich | |
| dachte, der Wagen fliegt in die Luft. Dazu ist Musik heute noch imstande. | |
| Sie bereitet mir Freude, das ist wichtig für mich. Eher drücke ich in | |
| meinen Songs Freude aus als irgendein anderes Gefühl. Das geschieht | |
| unbewusst. | |
| Inzwischen singen Sie auch über Liebe. | |
| Na klar, ich will eine Frau damit beeindrucken, bisher vergeblich. Deshalb | |
| komponiere ich doch Songs. | |
| Und trotzdem singen Sie in dem Song „Lucky“: „I’m so very very lucky“… | |
| ganz banal. | |
| Moment, der Song ist nicht autobiografisch. Er handelt von einem wahren | |
| Schöngeist, der früher Bassist in meiner Band war: Lucky Remington arbeitet | |
| inzwischen als bildender Künstler. Als alter Utilitarist habe ich das | |
| Angenehme mit dem Nützlichen verbunden und ein universelles Sentiment wie | |
| das Glücksgefühl mit dem Privaten verknüpft. Damit sage ich Lucky, dass ich | |
| ihn mag. | |
| Ein Liebeslied an einen Mann? | |
| Nein, kein romantisches Liebeslied, ich habe Lucky gerne, warum soll ich | |
| das nicht durch Musik ausdrücken? Ich bin hetero, aber ich fühle mich eher | |
| wie eine alte Lesbe. | |
| Letztes Mal fühlten Sie sich wie eine missbrauchte Bergziege. Bei unserem | |
| ersten Telefonat fragte ich, ob sie am anderen Ende der Leitung seien, und | |
| Sie antworteten … | |
| Ja, sie ist dran … | |
| Eigentlich hat das Album einen ernsten Hintergrund. | |
| Ja. 2015 gab es in meinem Umfeld einige Todesfälle, die Trauerarbeit war | |
| Teil der Aufnahmen. Das Verdrängen hat geholfen, wir haben uns vorgestellt, | |
| dass wir im Fernen Osten in einer Hotellobby spielen. | |
| 25 Sep 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Julian Weber | |
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