# taz.de -- Devendra Banharts Konzert in Berlin: Voll auf Kamillentee | |
> Beglückend: US-Singer-Songwriter Devendra Banhart spielt zum Auftakt | |
> seiner Europatour am Dienstagabend in der Berliner Columbiahalle. | |
Bild: Hätte gerne noch einen Pelz gehabt: Devendra Banhart in Berlin | |
Darauf kann man sich verlassen: Wenn Devendra Banhart nach Berlin kommt, um | |
eines seiner beglückenden Konzerte zu spielen, erleben wir hier den bisher | |
heißesten Tag des Jahres. Entsprechend entspannt summt es vor der | |
Columbiahalle – die zumeist Unterdreißigjährigen haben sich sommerlich | |
herausgeputzt. | |
In der pechschwarzen Halle – einzig durch einen geöffneten Notausgang | |
strahlt kurz gleißendes Sonnenlicht herein – eröffnet Huw Evans als H. | |
Hawkline mit einigen Folksongs das Auftaktkonzert von Banharts Europatour. | |
Der Waliser spielt seine Gitarre akzentuiert und singt mit glockenreinem | |
Tenor entspannt davon, dass er „in love with impossible people“ ist. | |
Den Song möge er gar nicht so gern, aber seine Plattenfirma meint, das sei | |
die nächste Single, also müsse er ihn spielen. Das bleibt der einzige | |
Verweis auf die Härten des Musikerdaseins an diesem Abend. | |
## Hitzebedingte Körperausdünstungen | |
Beim zweiten Aufwärmset begleitet Evans wiederum Banharts alten Freund und | |
Megapuss-Partner Gregory Rogove am Synthesizer, Rogove entlockt seiner | |
Ukulele Singer-Songwriter-Melodien, ein Konzertbesucher sagt: „Der war doch | |
zu lange auf See!“, aber die hallbehauchten, choralen Gesänge der beiden | |
Multiinstrumentalisten gehen zu Herzen. Die Columbiahalle ist inzwischen | |
brechend voll, Grasgeruch übertüncht temperaturbedingte | |
Körperausdünstungen, Getränke werden durchs internationale Publikum | |
jongliert, wer jemandem beim Nach-vorn-Drängen auf den Fuß tritt, | |
entschuldigt sich ausgesprochen freundlich. | |
Als Devendra Banhart gegen halb zehn fast verschlafen am Rand der Bühne | |
erscheint, angetan mit einer schwarz-weiß gestreiften Joppe, reicht sein | |
Gestenkanon von messianisch bis Kirchenkantor, er nippt an seiner schwarzen | |
Teetasse, wackelt kurz mit dem bärtigen Unterkiefer und legt hellwach los. | |
„Für Hildegard von Bingen“ (vom 2013er Album „Mala“) ist der zweite So… | |
und spätestens jetzt hat Banhart das Publikum unter seinem schützenden | |
Freak-Folk-Baldachin hinter sich. Dem wunderbar meckernden Vibrato seiner | |
Stimme gibt er live noch mehr Raum als auf Platte, die „La-la-las“ von | |
„Good Time Charlie“ (vom neuesten Album „Ape in Pink Marble“) passieren | |
spielend jede noch so knickerige Intonationskontrolle, und dem Betrügersong | |
„Jon Lends A Hand“ fügt er eine brüchige Intimität hinzu, die der | |
Heimstudioaufnahme fehlt. Bei „Linda“ nimmt die Verzweiflung fast Überhand. | |
## Kindskopf mit Meckerstimme | |
Überhaupt hat der 36-Jährige die kindsköpfige Albernheit früherer Zeiten | |
mit besonnen-ironischem Humor vertauscht. „Ich bin so froh, dass ich noch | |
diese Jacke anhabe. Ich wünschte, ich hätte noch einen Schal – und einen | |
Pelz“, kommentiert er die Raumtemperatur. Die Band ist filigran | |
aufeinander abgestimmt: Rogove hat ans Schlagzeug gewechselt, H. | |
Hawkline steht nun ungerührt am Synthesizer, Tim Presley von den White | |
Fences präsentiert eine tolle Glamrock-Frisur und spielt seine Gitarre | |
beeindruckend tight, Lucky Remington knuffelt den Bass mit Übersicht. Alle | |
zusammen blödeln unterhaltsam, Banhart will H. Hawklines neuen Song nur als | |
gut anerkennen, wenn der seine Mutter zum Raven bringt. Dann nippt er | |
wieder an der Teetasse. Wird die denn nie alle? | |
Das eigentlich super entspannte „Never Seen Such Good Things“ rappt Banhart | |
fast unerbittlich und wird somit zu einer Uptempo-Nummer, die von | |
psychedelischen Sounds angeschoben wird. Die Dynamik von „Golden Girls“ ist | |
berauschend, Rogove fügt stampfende Drums hinzu, der luzide Sound lässt | |
jedes noch so dezente Gerassel hören. | |
Banhart bezieht das Publikum mit ein, erfüllt Hörerwünsche – „Weißt du … | |
die Tonart?“ –, und als Zugabe huldigt die Band David Bowie mit einer | |
superzackig-verspielten Version von „Sound and Vision“, alles tanzt. Echte | |
Feuerzeuge leuchten auf. Ein Konzertbesucher sagt: „Die sind ja voll auf | |
Kamillentee.“ Das glückselige Leuchten in den Gesichtern der Anwesenden | |
lässt ahnen, dass damit nicht nur die Band gemeint ist. | |
21 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Sylvia Prahl | |
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