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# taz.de -- Schriftsteller Henry David Thoreau: Begehren und Bohnen züchten
> US-Autor Henry David Thoreau würde am Mittwoch 200 Jahre alt. Nun
> erscheint eine neue Biografie über den geselligen Eigenbrötler.
Bild: Hat sogar eine eigene Briefmarke: Henry David Thoreau
„Alles in allem halte ich ihn für einen Mann, dessen Bekanntschaft
gewinnbringend und bekömmlich ist“, sagte der Schriftsteller Nathaniel
Hawthorne über seinen Freund Henry David Thoreau, dessen Geburtstag sich am
12. Juli zum 200. Mal jährt. Mit diesem Zitat endet das erste Kapitel der
Biografie „Henry David Thoreau – Waldgänger und Rebell“, in dem Frank
Schäfer zahlreiche Einschätzungen, die etwa Ralph Waldo Emerson und Ellery
Channing über ihren Weggefährten äußerten, montiert.
Durch diesen Kniff setzt Schäfer gleich den Ton für sein Porträt des
„Aussteigers, Naturfreundes und Philosophen“. Es gibt Aufschluss über
dessen prinzipientreue Denkweise und kauzige Wesensart – die ihm den
Beinamen „der furchtbare Thoreau“ einbrachte –, aber auch über seine gute
körperliche Konstitution und sogar die Art, sich zu kleiden. Schäfer wertet
dafür Tagebucheinträge und zeitgenössische Zeitungsberichte aus, und
erzählt schnoddrig, aber respektvoll Thoreaus Leben nach.
Henry David Thoreau wird 1817 in Concord, Massachusetts, geboren. Obwohl er
fast sein ganzes Leben dort verbringt, denkt er wie ein Kosmopolit. Das
tolerante Klima in der Familie war prägend. Die Mutter pflanzt den vier
Kindern ein starkes Verbundenheitsgefühl mit der Natur ein.
Transzendentales Denken, wonach das Göttliche keineswegs in einer
Institution wie der Kirche zu finden sei, sondern in der freien Natur,
„unter jedem Stein“, war ihm sehr nahe.
## Mit allen Schrullen und Vorzügen
Thoreau studiert im nahe gelegenen Harvard und arbeitet als Lehrer. Wegen
seiner Beobachtungsgabe ist er als Landvermesser gefragt. 1845 erwirbt er
von seinem Freund Ralph Waldo Emerson ein Grundstück am See Walden Pont,
außerhalb von Concord. Gemäß seinem Credo „Folge deinem Begehren und
begrenze deine Bedürfnisse“ lebt er mehr als zwei Jahre in einem
selbstgezimmerten Haus, ernährt sich von den Erträgen seines Ackers (und
Mittagessen bei Muttern) und verkauft selbst gezüchtete Bohnen.
Der daraus entstandene konsumkritische Essay „Walden“ ist heute sein
berühmtestes Werk. Schäfer porträtiert Thoreau als geselligen Eigenbrötler,
der seine Ideale zähneknirschend zugunsten wirtschaftlicher Zwänge
hintanstellen muss, um die Familie zu unterstützen. So arbeitet er auch in
der maroden Bleistiftmanufaktur des Vaters, die durch sein verbessertes
Graphit-Rezept sogar wirtschaftlich gesundet.
Da die USA seiner Meinung nach einen unrechtmäßigen Krieg gegen Mexiko
führt, Indianer schändlich behandelt und die Sklaverei duldet, weigert er
sich aus „prinzipiellen Gründen“ Steuern zu zahlen und landet 1846 für ei…
Nacht im Gefängnis. Dennoch vermeidet Thoreau, seinen „individualistischen
Prinzipien“ gemäß, bei jeglicher politischer Vereinigung Mitglied zu
werden.
Der daraus resultierende Essay „Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den
Staat“ findet beim zeitgenössischen Publikum Anklang, auch Résistance und
US-Bürgerrechtsbewegung, Hippies und Anhänger der
Antiglobalisierungsbewegung zogen und ziehen die Schrift zu Rate. Schäfer
stellt anschaulich dar, dass Thoreaus Streben nach Einfachheit erst durch
seine Bildung möglich und in seiner philosophischen Vertiefung in Wahrheit
zutiefst kompliziert ist.
Der Autor hebt den großen Denker nie auf einen Sockel, er beschreibt
Thoreau mit allen Schrullen und Vorzügen, und verweist nebenher auf die
über die USA hinausgehenden internationalen Impulse, die Thoreaus
fortschrittsskeptisches Denken antreiben. Eine sehr gut lesbare Biografie,
die zwar eine Zeittafel vermissen lässt, aber dazu anregt, sich
unverzüglich Thoreaus Originalschriften vorzunehmen.
12 Jul 2017
## AUTOREN
Sylvia Prahl
## TAGS
Schriftsteller
wochentaz
Philosophie
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