| # taz.de -- Der Fall Föderl-Schmid: Übers Ziel hinausgeschossen | |
| > Abschreiben ohne Kenntlichmachung ist nicht schön, aber auch nicht | |
| > dramatisch. Der Fall der „SZ“-Vizechefin hat einige Eskalationsstufen zu | |
| > viel. | |
| Bild: Das Vorgehen der „Süddeutschen Zeitung“ ist auf mehreren Ebenen nich… | |
| Journalismus beruht eigentlich auf der grundsätzlichen Verabredung aller | |
| Beteiligten, dass keine Birnen mit Äpfeln verglichen werden. Das bringt | |
| keine Erkenntnis, verwirrt am Ende nur und zerstört langfristig diese | |
| gemeinsame Geschäftsgrundlage. Die vergangene Woche war ein Musterbeispiel | |
| dafür. Da verschmolzen bei der Süddeutschen Zeitung eine schon länger | |
| schwelende Geschichte über die eher ungeschickte und vor allem | |
| überdimensionierte Suche nach einem Leck in der eigenen Redaktion (Wirkung) | |
| mit Vorwürfen gegen [1][die stellvertretende Chefredakteurin Alexandra | |
| Föderl-Schmid] (Anlass). | |
| Die Stimmung war angespannt. Denn der Branchendienst Medieninsider hatte | |
| schon Ende 2023 länglich aus SZ-Redaktionskonferenzen zitiert, wo über die | |
| Konsequenzen darüber diskutiert wurde, dass der Medieninsider schon vorher | |
| aus Konferenzen zitiert hatte, wo über angeblich nicht gekennzeichnete | |
| Zitate von Vizechefin Föderl-Schmid gesprochen worden war, die der | |
| Medieninsider der SZ vorgeworfen hatte. | |
| Das ist einerseits ganz hübsch, weil so endlich mal wieder das gute alte | |
| Plusquamperfekt zum Einsatz kommt. Gleichzeitig ist es aber auch misslich, | |
| weil die SZ hier ein bisschen Harakiri der Gegenwart betrieben hat. Bei den | |
| von Medieninsider monierten Artikeln ging es um Erklärtexte von | |
| Föderl-Schmid, unter anderem um die sogenannte Charta der Hamas und das | |
| jüdische Simchat-Fest, und die in Rede stehenden Passagen stammen von | |
| Websites wie der des Jüdischen Museums Berlin oder der Bundeszentrale für | |
| politische Bildung. Dies sind Institutionen, die ausdrücklich wünschen, | |
| beziehungsweise dazu da sind, dass ihre Inhalte und Erkenntnisse große | |
| Verbreitung finden. | |
| [2][Wenn Föderl-Schmid nun ein paar Sätze mit Hintergrundinformationen] zum | |
| Simchat-Fest beim Jüdischen Museum abschreibt und das nicht richtig | |
| kenntlich macht, ist das doof. Sollte einer Chefredakteurin besser nicht | |
| passieren – hat sie selbst auch mit der notwendigen Zerknirschung | |
| eingeräumt. Es ist aber kein Weltuntergang. Und daher erst recht keine | |
| augenblickliche Implosion ihrer journalistischen Integrität. | |
| ## Suche wie nach den Panama Papers | |
| Auch nicht, wenn sich Mediendienste und ihre Journalist*innen darüber | |
| lustig machen. Problematisch wird es, wenn die SZ deswegen nach einem | |
| Maulwurf sucht wie [3][nach den Panama Papers.] Das schießt deutlich übers | |
| Ziel hinaus und zeugt von einer höchst ungesunden Nervosität in den eigenen | |
| Reihen. Ja, Redaktionskonferenzen und dergleichen fallen unters | |
| Redaktionsgeheimnis. So weit die Theorie, die Praxis sah schon immer ein | |
| bisschen anders aus. Das Problem liegt aber woanders: Was ist das für eine | |
| Stimmung und Haltung in einem Laden, wenn dort alles in angeblich voller | |
| Länge nach draußen gereicht wird? Und der dann mit zu Recht umstrittenen | |
| Aktionen wie dem Massenabgleich von IP-Adressen reagiert? | |
| Die zweite Eskalationsstufe folgte mit so gezielten wie plumpen | |
| Pseudoenthüllungen von Julian Reichelts Weborgan Nius. Das tat sich mit dem | |
| österreichischen Plagiatsprüfer Stefan Weber zusammen. Weber monierte | |
| einige Passagen aus Föderl-Schmids Zeit als Israel-Korrespondentin der SZ. | |
| Beispiel: Die Welt schrieb laut Weber am 9. 11. 2017: „Militärische | |
| Kooperation zwischen Deutschland und Israel ist kein Novum. Deutsche | |
| Drohnen- und Hubschrauberpiloten werden in Israel ausgebildet. Allein 2017 | |
| fanden 80 gemeinsame Projekte zwischen beiden Armeen statt.“ Und in der SZ | |
| stand am 15. 11. 2017: „Bereits seit Jahren kommen Drohnen- und | |
| Hubschrauberpiloten der Bundeswehr nach Israel zur Ausbildung. Die | |
| militärische Kooperation ist ohnehin rege: Allein 2017 fanden 80 gemeinsame | |
| Projekte zwischen beiden Armeen statt.“ | |
| Zu vermuten ist, dass die Angaben aus einer offiziellen Erklärung der | |
| Armeen stammen. Und wenn Journalist*innen solche „Waschzettel“ | |
| auswerten, kann sich das eben ziemlich ähnlich anhören. Weber ist die | |
| Dünnheit seiner Belege bewusst, weshalb er zudem meint, hier sei vielleicht | |
| Agenturmaterial mit im Spiel, aber nicht gekennzeichnet. Was es im Übrigen | |
| auch nicht werden muss. Der Rest der Beispiele ist von ähnlicher Güte. | |
| Dass Föderl-Schmid deshalb trotzdem ihren Chef*innenjob ruhen lässt – | |
| auch weil der von Reichelt bezahlte Weber ihre Doktorarbeit von 1996 | |
| durchflöht – macht keinen Sinn. Sie selbst hat ihre Universität um eine | |
| eigene unabhängige Prüfung gebeten. Wie die österreichische Historikerin | |
| Barbara Tóth am Freitag im Falter schrieb, ist auch hier kein | |
| substanzieller Verstoß gegen akademische Regeln zu erwarten. Die, nur mal | |
| zur Erinnerung, auch nicht deckungsgleich mit journalistischen Regeln sind. | |
| ## Redaktionelle Indiskretion | |
| Dafür enthüllt Tóth einen interessanten Disclaimer Webers, der an derselben | |
| Uni studierte und Beef mit Föderl-Schmids Doktorvater hatte – laut Weber | |
| seinen „ersten schwerwiegenden wissenschaftlichen Konflikt überhaupt“. Ein | |
| von Weber bevorzugter Professor dagegen musste gehen. Und es wurde „der | |
| bekennende Neomarxist Manfred Knoche berufen. Im Anschluss übernahmen die | |
| bundesdeutschen Cultural und Gender Studies die Macht“, so Weber. Womit | |
| immerhin klar ist, dass Weber und Reichelt prima zusammenpassen. | |
| Weniger klar ist, warum die SZ trotzdem eine hochkarätige | |
| Prüfungskommission mit der Überprüfung der gegen die SZ gerichteten | |
| Behauptungen beauftragt. Auch hier schießt sie wieder über das Ziel hinaus. | |
| Wer dort auch noch Ex-Spiegel-Chefredakteur Steffen Klusmann, der eben erst | |
| mit dem Fall des von Russland teilfinanzierten Journalisten Hubert Seipel | |
| einen echten Skandal prüfte und bei dem [4][immer ein Hauch Relotius] | |
| mitschwingt, zum Leiter macht, gibt den Affen auch noch Zucker. | |
| Und was ist mit den redaktionellen Indiskretionen, die am Anfang der ganzen | |
| Sache stand? In der guten alten Zeit gab es einen geregelten Ablauf für | |
| kontroverse Mitarbeitendenversammlungen beim NDR. Senderleitung und | |
| Redakteur*innen gaben sich was auf die Mütze, und hinterm Sofa lag ein | |
| taz-Mensch und schrieb mit. Veröffentlicht wurde aber nur, was wirklich | |
| relevant und interessant war. | |
| 12 Feb 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Suche-nach-prominenter-Journalistin/!5991306 | |
| [2] /Aufregung-bei-der-Sueddeutschen-Zeitung/!5987384 | |
| [3] /Nach-Auswertung-der-Panama-Papers/!5595844 | |
| [4] /Ex-Spiegel-Reporter-Relotius/!5772345 | |
| ## AUTOREN | |
| Steffen Grimberg | |
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