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# taz.de -- Demokratieförderung im Koalitionsvertrag: Zivilgesellschaft bleibt…
> Immerhin: Das Förderprogramm „Demokratie leben“ bleibt. Doch es gibt auch
> Leerstellen im Koalitionsvertrag, vor allem beim Kampf gegen
> Rechtsextremismus.
Bild: Linke NGOs demonstrierten im Februar auch gegen die Union, nachdem die mi…
Berlin taz | Nach der [1][vom „tiefen Staat“ raunenden CDU-Anfrage mit 551
Fragen] an die Zivilgesellschaft wurde bei vielen Organisationen in Sachen
Demokratieförderung schon das Schlimmste befürchtet. CDU-Politiker hatten
im Wahlkampf außerdem mit der Streichung von Fördermitteln gedroht, weil
linke NGOs auch gegen die Union protestierten hatten, nachdem diese Ende
Januar in einem Tabubruch mit AfD-Stimmen einen Migrationsantrag
beschlossen hatten. Die Union forderte zwischenzeitlich gar eine
Verpflanzung des Förderprogramms „Demokratie leben!“ in das bald
CSU-geführte Innenministerium.
Nach [2][Veröffentlichung des Koalitionsvertrages] ist klar: Das
Demokratieförderprogramm „Demokratie Leben!“ bleibt, sogar im
Familienministerium. Es heißt gar wertschätzend, dass man „verstärkt in die
Wehrhaftigkeit unserer Demokratie investieren müsse“ – man „unterstreiche
die Bedeutung gemeinnütziger Organisationen, engagierter Vereine und
zivilgesellschaftlicher Akteure als zentrale Säulen unserer Gesellschaft“.
Dieses Bekenntnis heißt aber leider nicht, dass alles gut ist: Denn das
Familienministerium soll von der CDU geführt werden. „Demokratie Leben!“
wird damit erstmals unter Unionsverantwortung stehen. Und die dreht
bekanntlich in einigen Regionen bereits jetzt zivilgesellschaftlichen
Vereinen den Geldhahn zu – zusammen mit der AfD.
Zudem heißt es: „Wir werden eine unabhängige Überprüfung dieses Programms
in Bezug auf Zielerreichung und Wirkung veranlassen“. Außerdem wolle man
„die Verfassungstreue geförderter Projekte“ sicherstellen. Das dürfte von
der Union eher restriktiv mit Blick auf alles Linke gemeint sein. Die
Unions-Angriffe auf die Zivilgesellschaft könnten also weitergehen.
## „Misstrauen statt Rückendeckung“
Entsprechend ambivalent fielen die Reaktionen der Zivilgesellschaft auf den
Koalitionsvertrag aus. Exemplarisch: Timo Reinfrank von der Amadeu Antonio
Stiftung lobte grundsätzlich, dass die Parteien formal jede Zusammenarbeit
mit rechtsextremen und verfassungsfeindlichen Kräften ausschließen und sich
für Demokratiebildung und „Demokratie Leben!“ aussprechen. Aber er
kritisierte die angekündigte „unabhängige Überprüfung“: „Das am besten
evaluierte Förderprogramm des Bundeshaushalts soll erneut überprüft werden.
Warum?“
Reinfrank befürchtete, dass harmlos klingende Begriffe wie „rechtssichere
Arbeit“ und „Verfassungstreue“ politisch genutzt würden, um Träger
auszubremsen, die sich für eine Brandmauer gegen Rechtsextremismus
engagieren. „Wer Demokratieförderung weiter mit Misstrauen statt mit
Rückendeckung begegnet, schwächt jene, die tagtäglich unsere Demokratie
gegen Nazis, Rassisten und Antisemiten verteidigen“, kritisierte Reinfrank.
„Planungssicherheit, Schutz vor rechtsextremen Angriffen und Rückendeckung
durch die neue Familienminister*in sind jetzt entscheidend“.
## Leerstelle Rechtsextremismus
Auch Heike Kleffner, Geschäftsführerin des Verbands der
Opferberatungsstellen für Betroffene rechter Gewalt, freute sich über das
„überraschend deutliche“ Bekenntnis zur Zivilgesellschaft. Sie sah aber
auch Leerstellen: „Obwohl [3][rechtsextreme Gewalt auf einem alarmierenden
Höchststand] ist, gibt es im Koalitionsvertrag eine auffällige Leerstelle:
Es gibt keine politische Strategie zur Bekämpfung des Rechtsextremismus.“
Weder gebe es einen Nationalen Aktionsplan noch eine Bund-Länder-Task-Force
– anders als etwa in den Bereichen Islamismusprävention oder
Umweltkriminalität. Darin zeige sich eine „besorgniserregende
Normalisierung und politische Planlosigkeit.“
Angriffe auf linke NGOs, aber auch auf Naturschutz- und sogar Sportvereine,
die sich gegen Rechtsextremismus oder Rassismus positionieren, gibt es
schon länger, vor allem durch die AfD. Die stellt regelmäßig Anzeigen wegen
angeblicher Verletzungen der parteipolitischen Neutralität im
Gemeinnützigkeitsrecht.
Viele Vereine fordern daher schon länger eine Überarbeitung des
Gemeinnützigkeitsrechts, die mehr politischen Spielraum lässt. Im
Koalitionsvertrag verspricht Schwarz-Rot jetzt zwar eine Modernisierung und
Vereinfachung des „Katalogs von gemeinnützigen Zwecken“ – ob und inwiefe…
politisches Engagement darunter fällt, bleibt allerdings offen.
## Wenig Konkretes zur Gemeinnützigkeit
„Der Ansatz stimmt,“ sagte dazu Stephanie Handtmann von der „Allianz
Rechtssicherheit für politische Willensbildung“: „Es gibt durchaus Chancen
für bessere rechtliche Absicherung gemeinnütziger Arbeit, doch entscheidend
wird die konkrete Ausgestaltung sein.“ Man werde die künftige Regierung an
ihrem klaren Bekenntnis zu gemeinnützigen Organisationen und zur
Zivilgesellschaft messen.
Ansonsten berge der Koalitionsvertrag wenige Überraschungen, aber „auch
keine massiven Verschlechterungen, so wie nach dem als Kleine Anfrage
getarnten Frontalangriff der Union vielfach befürchtet“, so Handtmann. Die
Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts sei leider insbesondere zur
Erweiterung der Satzungszwecke unkonkret. „So fehlt die vielleicht
wichtigste Klarstellung, dass politische Arbeit nicht schädlich für die
Gemeinnützigkeit ist“, so Handtmann.
In anderen Bereichen gibt es durchaus deutlichere Kritik:
Friedensorganisationen etwa vermissen generell das Thema Abrüstung und
kritisieren, dass Union und SPD auf Aufrüstung, Nato-Politik und atomare
Abschreckung setzen, sagte Lars Pohlmeier, Vorsitzender der Internationalen
Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs. Rüstungsexporte würden an den
Interessen der Wirtschaftspolitik ausgerichtet, kritisierte das Bündnis
„Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“. Auch das kirchliche
Hilfswerk „Brot für die Welt“ schloss sich der Kritik an.
## AfD-Rhetorik und Law-and-Order
Der Republikanische Anwält*innenverein (RAV) kritisierte vor allem
[4][die Beschränkung von Freiheitsrechten und den Abbau rechtsstaatlicher
Errungenschaften]. Justiz und Verfahrensrechte würden beschnitten, unter
dem Vorwand Gerichtsverfahren zu beschleunigen. Es deute sich eine
„Law-and-Order-Wende“ im Strafrecht an, so der RAV: Im Koalitionsvertrag
sind die Einführung der Vorratsdatenspeicherung, eine automatisierte
Datenanalyse, KI-Gesichtserkennung und mehr Funkzellenabfragen und
Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) geplant.
RAV-Geschäftsführer Lukas Theune bescheinigte der neuen Koalition bei der
Migrationspolitik außerdem „AfD-Rhetorik im Wortlaut, statt Politik auf
Basis von Fakten“.
Ähnliches mahnte Reinfrank von der Amadeu Antonio Stiftung an. Beim Kampf
gegen Rechtsextremismus sei die formale Abgrenzung gegen rechtsextreme
Kräfte nicht genug: „Auch die Übernahme rechtsextremer Sprache, Narrative
und Deutungsmuster gehört konsequent ausgeschlossen.“
Gerade beim Thema Migration nutzten Union und SPD aber eine harte Rhetorik,
kritisierte Reinfrank. „Wer glaubt, der AfD mit symbolischer Härte begegnen
zu können, übernimmt ihr Framing – und zahlt in der Konsequenz weiter auf
die rechtsextreme Partei ein“, so Reinfrank. Janka Schubart von
LeaveNoOneBehind wurde noch deutlicher – sie sagte der taz: „Der
Koalitionsvertrag liest sich wie ein Förderprogramm für die AfD“.
10 Apr 2025
## LINKS
[1] /551-Fragen-im-Bundestag/!6069900
[2] https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag_2025.pdf
[3] /Rechtsextreme-Gewalt/!6077300
[4] https://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/koalitionsvertrag-…
## AUTOREN
Marco Fründt
Gareth Joswig
## TAGS
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Demokratie
Zivilgesellschaft
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