# taz.de -- Rechtsextremismus: Antifaschistischer Protest kann teuer werden | |
> Im bayerischen Rosenheim zog ein Rechtsradikaler in den Stadtrat ein. | |
> AktivistInnen demonstrierten – und sollen nun bis 2.100 Euro Strafe | |
> zahlen. | |
Bild: Berüchtigt als „Corona-Rebell“: Der Rechtsextremist Stefan Bauer | |
München taz | Weil sie laut gegen die Vereidigung eines Rechtsradikalen im | |
Rosenheimer Stadtrat protestierten, hat die oberbayerische Stadt jetzt | |
drastische Strafen gegen 14 AktivistInnen verhängt. Sie erhielten | |
Hausverbot für die Sitzungssäle des Rathauses und sollen Bußgelder in Höhe | |
von bis zu 2.100 Euro pro Person zahlen, wie örtliche Medien berichteten. | |
Bei den Protesten ging es um den berüchtigten „Coronarebellen“ Stefan | |
Bauer, der schon öfter für Aufsehen oder – präziser gesagt – Skandale | |
gesorgt hatte. Ihm gelang es mit seinem Verhalten, sogar aus seiner Partei, | |
der AfD, ausgeschlossen zu werden. Und in Bayern selbst der AfD zu rechts | |
zu sein, dazu gehört schon einiges. Schließlich gilt der Landesverband als | |
besonders völkisch und klar auf Linie des Faschisten Björn Höcke. In der | |
Landtagsfraktion sitzen auch rechtsextreme Burschenschaftler wie Daniel | |
Halemba. | |
Und doch, Stefan Bauer duldete man seit 2021 nicht mehr in den eigenen | |
Reihen. Er erhielt sogar Hausverbot in den Räumlichkeiten der Partei. | |
Vorausgegangen war dem Parteiausschluss ein knapp einminütiges Video, das | |
Bauer ins Netz gestellt hatte. Es zeigt ihn, wie er im Außenbereich der | |
[1][Gedenkstätte des Konzentrationslagers] Mauthausen in Oberösterreich | |
steht und üble Kommentare absondert. | |
## Ende Januar zog er in den Stadtrat ein | |
„Wenn man momentan sieht, wie die Freiheiten von uns Bürgern eingeschränkt | |
werden, dann kann einem schon ganz anders werden“, sagt er in die Kamera | |
und fährt fort, man hoffe nicht, dass jemand vorhabe, wieder | |
Konzentrationslager einzurichten – „auch nicht für Leute, die die Impfung | |
verweigern oder die sich nicht testen lassen wollen“. Das Ganze beschließt | |
er mit einem besonders ekelhaften Vergleich: „Wir brauchen kein neues | |
Zyklon B, sei es als AstraZeneca oder als Biontech. Nein, das brauchen wir | |
nicht.“ Zyklon B war das Giftgas, das die Nationalsozialisten in den | |
Gaskammern eingesetzt haben, um ihre Opfer zu ermorden. | |
Dieser Mann nun, der gern eine Schirmmütze auf dem kahlen Haupt trägt, zog | |
Ende Januar – obwohl nicht mehr Mitglied der Partei – auf AfD-Ticket in den | |
Rosenheimer Stadtrat ein. Der Grund: Einer der bisherigen drei | |
AfD-Stadträte, Hans Raß, war im November gestorben. Der AfD-Kandidat, der | |
bei der Kommunalwahl 2020 die viertmeisten Stimmen erhalten hatte, lebt | |
inzwischen allerdings nicht mehr in der Stadt. | |
So kam die Nummer fünf, Stefan Bauer, zum Zuge und durfte für Raß | |
nachrücken. Dass er der AfD nicht mehr angehört, spielt dem bayerischen | |
Wahlrecht zufolge keine Rolle. Bei den Kommunalwahlen können Wählerinnen | |
und Wähler nicht nur einer Liste, sondern auch einzelnen Kandidaten ihre | |
Stimme geben. Bauer, der auf Platz sieben der AfD-Liste angetreten war, | |
hatte so 3.726 Stimmen erhalten. | |
## „Alle zusammen gegen den Faschismus“ | |
Als Bauer nun, ganz in Weiß gekleidet, seinen Eid ablegen sollte, | |
skandierten etliche Menschen im Saal: „Alle zusammen gegen den Faschismus!“ | |
Oberbürgermeister Andreas März (CSU) rief die Polizei, ein Aufgebot von 40 | |
Beamten begleitete die Störenfriede nach draußen, damit Bauer seinen Eid | |
ablegen konnte. In einem Fernsehbeitrag des Regionalsenders RFO lässt sich | |
die Szene beobachten. | |
Doch damit nicht genug. Einige Wochen nach dem Vorfall erhielten die | |
DemonstrantInnen nun Post und wurden über die verhängten Strafen | |
informiert. Sie halten die Reaktion des Rathauses für unverhältnismäßig. | |
CSU-Mann März dagegen verteidigt das harte Vorgehen. Politischer Protest | |
sei erlaubt, müsse aber im Rahmen der demokratischen Spielregeln erfolgen, | |
zitiert ihn der Sender Radio Charivari Rosenheim. | |
Die Initiative für Erinnerungskultur, die sich in Rosenheim vornehmlich um | |
die Verlegung von Stolpersteinen kümmert, die an Opfer der Nazis erinnern, | |
schickte März eine Protestnote. In einem offenen Brief sprechen die | |
Vertreter der Initiative von „einer vollkommen überzogenen Reaktion auf den | |
friedlichen Protest gegen einen Rechtsextremen, der nun in die Lage | |
versetzt wurde, die Stadtpolitik mit zu beeinflussen“. | |
## Neue App #ROmember | |
Unter den DemonstrantInnen, die jetzt mit den Strafen belegt worden sind, | |
waren offenbar auch zwei Mitarbeiter der Initiative, die sich ehrenamtlich | |
um die Erinnerungskultur in Rosenheim verdient gemacht hatten. Einer von | |
ihnen soll auch an einem neuen digitalen Angebot der Stadt beteiligt | |
gewesen sein. Die App [2][#ROmember] wurde gerade erst gelauncht und | |
bietet einen interaktiven Zugang zur Geschichte der Nazis in Rosenheim. | |
Gemeint sind die Nazis im Nationalsozialismus. | |
13 Apr 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.mauthausen-memorial.org/de | |
[2] https://www.rosenheim.de/erinnerungskultur-rosenheim-launch-der-app-romembe… | |
## AUTOREN | |
Dominik Baur | |
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