# taz.de -- Rechte Drohungen und mediale Ignoranz: Wo bleibt der Aufschrei gege… | |
> In Duisburg müssen Schulen wegen rechtsextrem Drohungen schließen. In | |
> Wetzlar gibt es einen Femizid mit Nazihintergrund. Und alles bleibt | |
> ruhig. | |
Bild: Bedrohungslage in Duisburg: Gesamt- und Sekundarschulen blieben Anfang de… | |
In Duisburg blieben am vergangenen Montag 20 Schulen geschlossen, nachdem | |
rechtsradikale Drohmails gegen sie verschickt wurden. 18.000 | |
Schüler:innen mussten zu Hause bleiben. Am Donnerstag musste erneut ein | |
Duisburger Gymnasium schließen, wieder eine rechtsradikale Drohmail. | |
Hunderte Schüler:innen und Lehrer:innen wurden evakuiert. | |
In [1][Wetzlar] erschoss am vergangenen Donnerstag ein 32-Jähriger eine | |
17-Jährige. Der Täter, der zumindest in der Vergangenheit der militanten | |
Neonazi-Szene angehörte, ist vorbestraft. 2010 verübte er einen | |
Brandanschlag auf das Haus des antifaschistischen [2][Pastoralreferenten | |
Joachim Schaefer]. Das 17-jährige Opfer und ihre Familie hatten bereits im | |
März Strafanzeige gegen Francesco M. wegen Körperverletzung und versuchter | |
Nötigung erstattet. Der Täter hatte die Frau gestalkt, nachdem sie sich von | |
ihm getrennt hatte. | |
Der Winter war von Terrorandrohungen und Terroranschlägen geprägt, in | |
Magdeburg, Aschaffenburg und München. Ein ganzer Bundestagswahlkampf wurde | |
fast ausschließlich dafür verwendet, Sicherheitskonzepte, | |
Gesetzesverschärfungen, Abschiebungen und Taskforces zu fordern, in der | |
nicht zuletzt die AfD von einem omnipräsenten Gefühl der Angst, des Hasses | |
und der Unsicherheit profitierte. | |
Bedrohung kennt man also hier mittlerweile eigentlich. Allerdings stellt | |
sich aktuell die Frage: Wo ist hier und jetzt eigentlich der Aufschrei? | |
Stell dir vor, da wird eine Frau von einem vorbestraften Neonazi | |
erschossen, da werden 18.000 Schulkinder von Rechtsradikalen bedroht, und | |
keinen interessierts. | |
## Wie ein schlechter Krimi | |
Stattdessen titelt die Bild: „Er stellte ihr seit Monaten nach: Stalker | |
erschoss Marla (17) auf einem Feldweg“. Der folgende Artikel beginnt dann | |
wie ein schlechter Krimi: „Jeden Morgen lief Marla H. einen verlassenen | |
Feldweg entlang, um zur Arbeit zu kommen. Doch auch ihr Killer kannte den | |
Weg.“ Auch die rechten Trolle sind still, auf X trendet einzig der Hashtag | |
„Beziehungstat“, ein Begriff wie „Familiendrama“, der versucht, | |
strukturellen Frauenhass, Besitzanspruch und Egoismus von gewalttätigen | |
Männern ins Private zu drängen. | |
Wäre es ein islamistischer Täter, wäre es ein Flüchtling, wäre es nicht ein | |
weißer Täter – was wäre dann los? Zurückgelehnte Einzelfallmeldungen wie | |
zurzeit wären schlichtweg unvorstellbar. Wann würde Hendrik Wüst die | |
betroffenen Schulen in Duisburg besuchen, wann Boris Rhein einen Kranz in | |
Wetzlar niederlegen? Was hätten Friedrich Merz und Alice Weidel zu sagen? | |
Wo gäbe es die ersten Demos und Aufmärsche? Wie viele Talkshows müssten wir | |
in den nächsten Wochen angucken, in denen sich Gespräche um | |
Abschiebekontingente und die Schließung nationaler Grenzen drehten? | |
Wenn die Frage lautet Wer und nicht Was, wenn ein gesellschaftliches | |
Ungerechtigkeitsgefühl nur noch von manchen Tätern überhaupt evoziert | |
werden kann, läuft etwas sehr falsch. Und entblößt die Doppelmoral eines | |
immer verzerrteren Diskurses, in dem das eine systematisch hochgejazzt, | |
während das andere penetrant verharmlost wird: Weil die Täter rechts sind | |
und nicht islamistisch oder psychisch krank, weil es nach und nicht vor der | |
Wahl ist. | |
Das spaltet und zersetzt. Und vor allem verleugnet es die Gefahr des | |
Rechtsextremismus. Und die ist lebensbedrohlich. Die Zahl rechtsextremer | |
Straftaten liegt auf einem Rekordhoch, 41.406 hat die Polizei im Jahr 2024 | |
erfasst, [3][eine alle 13 Minuten]. | |
Wenn diese Taten also kein Grund mehr sind, breit und ausführlich über die | |
Bedrohung durch Rechtsextremismus und Frauenhass zu berichten und gegen sie | |
vorzugehen, dann müssen wir uns schleunigst fragen, womit die Aufregung bei | |
anderen Gewalttaten überhaupt noch begründet wird. Warum dann | |
Aschaffenburg, München? Wenn Medien und Politik nicht weiter an | |
Glaubwürdigkeit verlieren wollen, müssen sie angemessen und verhältnismäßig | |
auf Bedrohungen reagieren. Auf jede. | |
11 Apr 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Landtagswahl-in-Hessen/!5960498 | |
[2] https://die-linke-ldk.de/joachim-schaefer-hessencam-im-interview/ | |
[3] /Rechtsextreme-Gewalt/!6077300 | |
## AUTOREN | |
Amelie Sittenauer | |
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