# taz.de -- Bewegungstermine in Berlin: Die Trauer wird zur Wut | |
> Patriarchale Gewalt und der Rechtsruck bedingen sich gegenseitig. Am | |
> Mittwoch gibt es Protest gegen Femizide, am Freitag gegen ein | |
> Nazikonzert. | |
Bild: Eine Demo am Mittwoch will patriarchale Gewalt sichtbar machen | |
Es ist der 31. Oktober in Berlin-Marzahn. Der Berliner Staatsanwaltschaft | |
und Polizei zufolge tötet ein 42-jähriger Mann [1][seine 31-jährige | |
Lebensgefährtin und ihre beiden gemeinsamen Töchter, fünf und sechs Jahre | |
alt]. Nach Angaben der Polizei flüchtet der Mann zunächst, wird später | |
jedoch in Baden-Württemberg festgenommen. | |
Knapp drei Wochen zuvor, am 13. Oktober, soll in Köpenick ein 32-Jähriger | |
seine 37-jährige Lebensgefährtin getötet haben, in dem er mit einer | |
Eisenstange auf ihren Kopf und Körper schlug. Die mutmaßliche Tat hat sich | |
[2][laut Polizeimeldung] auf dem Gelände eines Güterbahnhofs ereignet, | |
anschließend soll der Mann ihren Körper noch vor Ort vergraben haben. Der | |
Mann wird in Rumänien von der Polizei gefasst. Täter und Opfer waren beide | |
wohnungslos und lebten in der Nähe des Tatorts. | |
Bereits am 30. August war in Friedrichsfelde eine 28-jährige Frau von ihrem | |
45-jährigen Ex-Lebensgefährten [3][mit einem Messer verletzt worden]. Die | |
Rettungskräfte reanimierten die Frau noch im Hausflur und brachten sie in | |
ein Krankenhaus, wo sie kurz darauf starb. Erst wenige Tage vor diesem Fall | |
war in Zehlendorf eine 36-jährige Mutter von ihrem 50-jährigen Ex-Mann | |
getötet worden. Beide Männer wurden festgenommen. | |
## Verharmlosung als „Familiendrama“ | |
All diese Fälle haben eines gemeinsam: Die Täter sind Männer, die unter dem | |
Verdacht stehen, Frauen getötet zu haben, weil sie Frauen sind. Und solche | |
Taten sind kein isoliertes Phänomen: Weltweit werden Frauen von Männern in | |
der Rolle als (Ex-)Partnerin oder Tochter getötet. Man nennt es Femizid – | |
die Tötung von Frauen, weil Männer versuchen, sie zu kontrollieren, zu | |
bestrafen oder zu vernichten. Häufig werden Femizide jedoch unsichtbar | |
gemacht, indem sie beispielsweise als „Familiendrama“ verharmlost werden. | |
Die oben genannten Fälle sind dabei nur ein kleiner, lediglich nach dem Ort | |
der Tat ausgewählter Ausschnitt [4][des Instagram-Projekts „Femizide | |
stoppen“], das sich der Sichtbarmachung von Femiziden verschrieben hat. Die | |
Accountbetreiber:innen, [5][die selbst eine Freundin durch einen | |
Femizid verloren haben], sammeln Polizeimeldungen und | |
Lokalzeitungsberichte, die einen Femizid vermuten lassen – und machen die | |
Dimensionen geschlechtsspezifischer Gewalt so sichtbar. 99 Fälle von | |
Femiziden sind dabei für das laufende Jahr bereits zusammengekommen. | |
Und auch das bildet nur einen Bruchteil der patriarchalen Gewalt ab. 2023 | |
wurden [6][dem Bundeskriminalamt zufolge] 360 Frauen und Mädchen in | |
Deutschland getötet, über 900 versuchte und vollendete Tötungsdelikte gab | |
es demnach insgesamt. Die Dunkelziffer wird als hoch eingeschätzt. Jeden | |
Tag ereignet sich damit rechnerisch mindestens ein Femizid. | |
## Die Trauer wird zur Wut | |
Während SPD und CDU scheinbar denken, es sei in dieser Situation cool und | |
normal, ausgerechnet Projekte der Gewaltprävention und Opferhilfe [7][um | |
fast 40 Prozent zusammenzustreichen], muss deshalb schon bald mit dem | |
hunderten Eintrag einer als Frau getöteten Frau gerechnet werden. In | |
zahlreichen Städten finden deshalb ab dem 18. Dezember Aktionen und Demos | |
statt. In Berlin rufen am Mittwoch feministische und antifaschistische | |
Initiativen dazu auf, [8][mit Blumen, Kerzen und Schildern um die | |
ermordeten Frauen zu trauern]. Anschließend soll die Trauer in einer | |
kämpferischen Demo in Wut kanalisiert werden (Kundgebung: Mittwoch, 18.12., | |
Rondell vor dem Bethanien, Mariannenplatz, Kreuzberg, 19.30 Uhr; Demo: | |
20.30 Uhr). | |
Wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass [9][die patriarchale Gewalt in | |
diesen Zeiten zunimmt], in denen auch die faschistische Bewegung immer mehr | |
Aufwind erfahren. Denn wie die patriarchale Gewalt basiert Faschismus auf | |
einer Ideologie der Kontrolle, Unterdrückung und Hierarchisierung. | |
Es gibt keinen Faschismus ohne die Vorstellung von Männern als die kleinen | |
Führer in der patriarchalen Familie, der „Keimzelle“ des Staates, in der | |
diese handeln können, wie sie wollen. Der Faschismus ist eine reaktionäre | |
Gegenbewegung zum Feminismus, die konservative Rollenbilder propagiert, die | |
mit Gewalt durchgesetzt werden. | |
Und die faschistische Gewalt nimmt zu, was insbesondere queere, | |
migrantisierte und antifaschistische Menschen nur zu gut wissen. Erst am | |
vergangenen Wochenende, als ein Haufen dieser wiederaufkeimenden Glatzköpfe | |
im Nineties-Look [10][durch Friedrichshain gelaufen ist], haben mutmaßliche | |
Faschos [11][SPD-Wahlkämpfer:innen ins Krankenhaus getreten]. Den | |
Ermittlungen zufolge waren die Nazis auf dem Weg zur Demo der | |
rechtsextremen Gruppe [12][„Aktionsbündnis Berlin“] in Friedrichshain. | |
## Gegen den Soundtrack der Jungfaschos | |
Den Soundtrack für die neuen Gruppen junger Faschist:innen liefert zum | |
Beispiel der rechtsextreme Rapper „Kavalier“. Der wurde nun vom | |
Altherrenverein NPD (inzwischen: „Heimat“) eingeladen, weil man dort gern | |
mehr Anschluss an die Jugend finden würde. Diesem Nazikonzert in der | |
NPD-Parteizentrale in Köpenick [13][stellen Antifas eine Demo am Freitag | |
(20.12.) entgegen], die zur Zentrale führen wird. Los geht es um 18.30 Uhr | |
am Mandrellaplatz. Es gibt auch eine gemeinsame Anreise vom Ostkreuz (18 | |
Uhr, Gleis 3). | |
Eine Möglichkeit, sich mit denen zu solidarisieren, die dieser | |
faschistischen Gewalt etwas entgegensetzen, bietet derweil [14][eine | |
Soliparty im About Blank] für Nanuk, Hanna, Maja und alle anderen | |
inhaftierten Antifas. Geboten wird facettenreicher House und blankiger | |
Techno, Oi-Punk und viel Solidarität (Samstag, 21.12, Markgrafendamm 24c, | |
22 Uhr). | |
Und übrigens: Auch am Weihnachtsabend muss kein Mensch alleine sein. Alle, | |
die nicht wissen, wohin, können [15][ins Zielona Góra kommen]. Dort gibt es | |
ab 19 Uhr eine kleine Volksküche und anschließend wird ein Film gezeigt. | |
Zusammen ist man schließlich weniger allein (Dienstag, 24.12., Grünberger | |
Str. 73, 19 Uhr). | |
18 Dec 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2024/11/festnahme-toetungsdelikt-berl… | |
[2] https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/2024/pressemitteilung.149651… | |
[3] https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2024/08/frau-getoetet-berlin-friedric… | |
[4] https://www.instagram.com/femizide_stoppen/ | |
[5] /Instagram-Account-Femizide-stoppen/!6027871 | |
[6] https://www.bka.de/DE/Presse/Listenseite_Pressemitteilungen/2024/Presse2024… | |
[7] /Haushaltsdebatte-in-Berlin/!6054934 | |
[8] https://www.instagram.com/p/DDpdAZpsbvm/ | |
[9] https://www.bka.de/DE/Presse/Listenseite_Pressemitteilungen/2024/Presse2024… | |
[10] /Rechtsextreme-Demo-in-Friedrichshain/!6056365 | |
[11] /Angriff-auf-SPD-Mitglieder-in-Berlin/!6057431 | |
[12] /Rechtsextreme-Demo-in-Friedrichshain/!6051601 | |
[13] https://www.instagram.com/p/DDochUbMHGY/ | |
[14] https://stressfaktor.squat.net/node/309535 | |
[15] https://stressfaktor.squat.net/node/309269 | |
## AUTOREN | |
Timm Kühn | |
## TAGS | |
taz Plan | |
Kolumne Bewegung | |
Patriarchat | |
Gewalt gegen Frauen | |
Schwerpunkt Femizide | |
Antifaschismus | |
Schwerpunkt Antifa | |
Schwerpunkt Femizide | |
Schwerpunkt Femizide | |
Schwerpunkt Neonazis | |
Schwerpunkt Femizide | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Rechte Drohungen und mediale Ignoranz: Wo bleibt der Aufschrei gegen rechts? | |
In Duisburg müssen Schulen wegen rechtsextrem Drohungen schließen. In | |
Wetzlar gibt es einen Femizid mit Nazihintergrund. Und alles bleibt ruhig. | |
Haushaltsdebatte in Berlin: Lebensgefährdende Einsparungen | |
Die Sparmaßnahmen in Berlin gefährden auch die Gewaltprävention. | |
Beratungsstellen sind angesichts wachsender geschlechtsspezifischer Gewalt | |
alarmiert. | |
Hausdurchsuchungen bei jungen Neonazis: Von TikTok ins Visier der Staatsanwalts… | |
Mit einer großen Razzia ist die Polizei gegen neun Anhänger neuer | |
Neonazi-Gruppen vorgegangen. Gefunden wurde so einiges, Festnahmen gab es | |
keine. | |
Instagram-Account „Femizide stoppen“: „Wollen unsere Follower politisiere… | |
Lilly S. und Saskia A. verloren eine Freundin durch einen Femizid. Auf | |
Instagram machen sie seitdem auf geschlechtsspezifische Gewalt aufmerksam. |