# taz.de -- Nazisymbole und rechte Sticker an Unis: Sie kleben dir eins | |
> Auch das galt mal als linke Bastion: die Verbreitung politischer Inhalte | |
> durch Sticker, Graffiti, Slogans. An Unis vermehren sich rechte | |
> Aufkleber. | |
Bild: Die rechten Aufkleber werden von den „Studis gegen Rechts“ überklebt | |
Berlin taz | Auf dem Campus der Bergischen Universität in Wuppertal | |
beobachten die [1][Studis gegen rechts] seit Mitte letzten Jahres, dass | |
rechtsextreme Aufkleber und Schriftzüge am Campus mehr werden. Auf Fotos, | |
die der taz exklusiv vorliegen, hat die Ortsgruppe der SDS-nahen | |
Studierendeninitiative die Aufkleber und Schmierereien dokumentiert. Im | |
September und Oktober letzten Jahres etwa zwei handtellergroße Hakenkreuze | |
in unmittelbarer Nähe der Uni-Mensa. | |
Etwa zur gleichen Zeit klebt auf einer nahe gelegenen Bushaltestelle eine | |
Schwarze Sonne. Das Symbol, ein zwölfarmiges Hakenkreuz, ist seit den | |
1990er-Jahren Erkennungssymbol der Neonaziszene. Unappetitlich ist auch ein | |
Schriftzug, den die Studierenden im Januar dieses Jahres innerhalb eines | |
Gebäudes der Universität fotografierten. „Linkes Gezeter=Neun Millimeter“ | |
ist auf einer Wand zu lesen. Ein Gewaltaufruf gegen Linke. | |
Untätig bleibt die Uni Wuppertal nicht. Im August letzten Jahres schmierten | |
Unbekannte auf Treppen zum Campus zwei unübersehbare Hakenkreuze auf den | |
Boden. Die Universität ließ sie entfernen und stellte Anzeige gegen | |
unbekannt. Doch für die Studis gegen rechts und das BIPoC-Referat sind die | |
Maßnahmen der Bergischen Universität nicht weitreichend genug. Sie wünschen | |
sich eine öffentliche Auseinandersetzung und dass die Uni die | |
rechtsextremen Symbole auf dem Campus klar verurteilt. | |
Allein ist die Uni Wuppertal mit dem Problem nicht. Etwa in Trier, | |
Lüneburg, Leipzig und im sächsischen Freiberg beobachten Ortsgruppen der | |
Studis gegen rechts, dass rechtsextreme Aufkleber am Campus mehr werden. | |
Studierende an der Uni Potsdam berichten gar von einer zunehmenden | |
Bedrohung durch Rechtsextreme im Uni-Alltag. Doch welche Maßnahmen können | |
Universitäten ergreifen? | |
## Monitoringstelle | |
Reaktionen auf vergleichbare Problemlagen unterscheiden sich von | |
Universität zu Universität. So hat etwa die Brandenburgische Universität | |
Cottbus-Senftenberg im Jahr 2022 das [2][„Handlungskonzept gegen (extrem) | |
rechte Einflussnahme am Campus“] verabschiedet. Auch gibt es dort eine | |
Monitoringstelle für Fälle von Diskriminierung und rechter Gewalt. An der | |
Uni Potsdam gründete sich als Reaktion auf rassistische, queerfeindliche | |
und rechtspropagandistische Vorfälle die Arbeitsgruppe gegen | |
Rechtsextremismus. Ihr Ziel ist unter anderem die Entwicklung von | |
Richtlinien gegen extrem Rechte und strukturelle Diskriminierung am Campus. | |
An der Ruhr-Uni Bochum (RUB) reagiert man auf rechte Aufkleber am Campus | |
mit einem Instagram-Post. Isolde Karle, Prorektorin für Diversität, | |
Inklusion und Talententwicklung der RUB warnt im Post vor rechtsradikalen | |
Jugendorganisationen und einer Verschiebung des Sagbaren nach rechts. Gegen | |
den „schleichenden Rechtsruck unserer Gesellschaft“ seien auch Unis nicht | |
immun, heißt es im Instagram-Post. | |
Auch in der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) wurde die Frage nach dem | |
Umgang mit Rechtsextremismus am Campus diskutiert. Doch die Antwort bleibt | |
vage: HRK-Präsident Walter Rosenthal betont auf taz-Nachfrage, dass sich | |
die in der HRK zusammengeschlossenen Hochschulleiter:innen dazu | |
ausgesprochen haben, dass sich Hochschulleitungen dafür einsetzen, dass | |
sich alle Mitglieder der Hochschule auf dem Campus sicher fühlen und ein | |
„Klima der Toleranz“ herrsche. Außerdem habe die HRK dazu angehalten, | |
Ausgrenzung, Diskriminierung und Hassrede zu ächten. Doch was folgt daraus | |
konkret in der Praxis? | |
## Anlaufstellen für Betroffene | |
Auch die Uni Wuppertal unterstützt die Positionierung der HRK, heißt es in | |
der Antwort auf eine taz-Nachfrage. Birgitta Wolff, Rektorin an der | |
Bergischen Universität, betonte, man sei „froh, dass es bislang nur relativ | |
wenige Fälle rechtsradikaler Schmierereien gab“. Doch jeder sei einer zu | |
viel. Neben verschiedenen anderen Maßnahmen werde die Uni ihre | |
Antidiskriminierungsrichtlinie zukünftig bekannter machen, so Wolff. | |
Anlaufstellen für Betroffene von Diskriminierung gibt es an der Uni. | |
Auf der Website der Uni stößt man zudem auf ein öffentliches Statement. | |
Darin heißt es, die Uni Wuppertal unterstützte das Statement des | |
[3][„Netzwerk Antidiskriminierung an Hochschulen“]. Das Netzwerk, ein | |
bundesweiter Zusammenschluss aus der Antidiskriminierungsberatung an | |
Hochschulen, hatte vor den Bundestagswahlen vor der Gefahr von rechts | |
gewarnt und Hochschulen aufgefordert, sich aktiv an dem Erhalt | |
demokratischer Werte zu beteiligen. Antidiskriminierungsarbeit müsse | |
ausgebaut und Wissenschaft vor extrem rechter Einflussnahme geschützt | |
werden. | |
Im Statement der Bergischen Universität steht zudem, dass sich diese gegen | |
jede Form von Diskriminierung und Rechtsradikalismus ausspricht. Die Uni | |
trete für eine „Kultur der Aufmerksamkeit und des Hinschauens“ ein, heißt | |
es weiter. Einer „Tabuisierung“ trete die Uni Wuppertal entgegen. | |
## Mentalität des Vorbeilaufens | |
Die rechtsextremen Schmierereien und Aufkleber am Campus finden indes keine | |
Erwähnung. „Die Uni müsste eigentlich öffentlichkeitswirksam auf das | |
Problem aufmerksam machen“, sagt die Sprecherin der Studis gegen rechts | |
Wuppertal. Nur wenn das Problem beim Namen genannt werde, so die | |
Sprecherin, könne man einer Normalisierung rechtsextremer Parolen auf dem | |
Campus etwas entgegensetzen. Andernfalls fördere die Uni „jedoch eher eine | |
Mentalität des Vorbeilaufens und einer Tabuisierung“. | |
Es fehle an „klaren Leitlinien für Universitäten zum Umgang mit | |
rechtsextremer Einflussnahme am Campus“, sagt Christina Brüning, | |
Professorin für Didaktik der Geschichte an der Uni Marburg. Gemeinsam mit | |
Christoph Haker (Universität Flensburg) leitet sie das vom BMBF geförderte | |
Verbundprojekt „Rechtsextremismus in Wissenschaft und an Hochschulen | |
begegnen“. Im Projekt wird der Umgang von Hochschulen mit rechtsextremen | |
Tendenzen erforscht, um anschließend Handlungsmöglichkeiten zu erarbeiten. | |
Doch das Problem dränge: „Wir beobachten seit einigen Jahren, dass | |
Rechtsextreme versuchen, sich in der Wissenschaft zu etablieren.“ | |
Universitäten müssten sich dem entschieden entgegenstellen. „Universitäten | |
dürfen kein Biotop für Nazis werden“, so Brüning weiter. Rechtsextreme | |
Einflussnahme am Campus müsse klar benannt und scharf verurteilt werden. | |
Allerdings stehe die Sorge vor Imageschäden manchen Universitäten dabei | |
mitunter im Weg, mutmaßt sie. Eine fehlende öffentliche Auseinandersetzung | |
könne jedoch schwerwiegendere Folgen nach sich ziehen. Insbesondere bestehe | |
die Gefahr, dass Universitäten für Betroffene zunehmend zu Angsträumen | |
werden. | |
Die Sorge teilt auch eine Sprecherin des BIPoC-Referats (Black People, | |
Indigenous People and People of Colour) der Uni Wuppertal. Mitte Februar | |
dieses Jahres traf es auch Werbeplakate für eine von ihnen geplante Lesung. | |
Mutlu Koçak und Çetin Gültekin, Bruder des am 19. Februar 2019 in Hanau | |
durch einen Rechtsterroristen ermordeten Gökhan Gültekin, lasen aus ihrem | |
Buch „Geboren, aufgewachsen und ermordet in Deutschland“. Auf den Plakaten | |
wurde das von Gökhan Gültekin abgebildete Gesicht durchgestrichen. | |
Auf einem weiteren schrieben Unbekannte den Namen des islamistischen | |
Attentäters vom Anschlag im Jahr 2016 auf den Weihnachtsmarkt am Berliner | |
Breitscheidtplatz. Rechter Terror soll damit relativiert und verharmlost | |
werden. „Es wäre ein starkes Zeichen von der Uni Wuppertal, wenn sie | |
deutlich mache, dass solche rechtsextremen Vorfälle auf dem Gelände nicht | |
geduldet werden“, sagt eine Sprecherin des BIPoC-Referats der Uni Wuppertal | |
der taz. Ein Mitglied des Referats zeigte den Vorfall bei der Polizei an. | |
Auch die Polizei verortet den Vorfall im rechten Spektrum, heißt es auf | |
Nachfrage der taz. | |
## Ein guter Anfang | |
„Ein Instagram-Post, wie es die Uni Bochum gemacht hat, wäre schon mal ein | |
guter Anfang“, sagt die Sprecherin der Studis gegen rechts Wuppertal. Mit | |
einem Statement über ein soziales Medium wie Instagram könne man wesentlich | |
mehr Studierende erreichen als mit einem Statement, nach dem man auf der | |
Website erst mal suchen muss, so die Sprecherin. Sie hofft, dass sich ihre | |
Uni zukünftig deutlicher gegen die rechtsextremen Einflussnahme-Versuche | |
durch Aufkleber und Symboliken am Campus positioniert und diese verurteilt. | |
„Es ist Aufgabe der Unileitung, die Studierenden vor rechtsextremen | |
Angriffen zu schützen“, so die Sprecherin. „Halbherziges Hinschauen“ sei… | |
nicht ausreichend. | |
Die Studis gegen rechts wollen die öffentliche Auseinandersetzung über die | |
rechtsextremen Aufkleber und Schriftzüge an ihrer Uni erst einmal selbst in | |
die Hand nehmen. Für das kommende Semester planen die Studis gegen rechts | |
zusammen mit Gastprofessor Kolja Lindner, Professor für politische Theorie, | |
eine Veranstaltungsreihe. | |
Eine Fotoausstellung soll dafür der Auftakt sein. In dieser sollen die | |
rechtsextremen Schmierereien sichtbar gemacht werden. Geplant sind zudem | |
Veranstaltungen zu Antifeminismus, Rassismus und der AfD-nahen | |
Desiderius-Erasmus-Stiftung. Man wolle das kommende Semester „ins Zeichen | |
des Antifaschismus stellen“, so Lindner zur taz. „Nur wenn die | |
Schmierereien als Ausdruck gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit offensiv | |
thematisiert werden, besteht die Möglichkeit, dass sich solche Vorfälle | |
nicht wiederholen“, so Lindner. | |
9 Apr 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://studis-gegen-rechts.de/ | |
[2] https://www.b-tu.de/fg-methoden-theorien-sozialearbeit/forschung/handlungsk… | |
[3] https://www.uni-marburg.de/de/universitaet/administration/verwaltung/stabss… | |
## AUTOREN | |
Nicolai Kary | |
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