Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Erinnerungsarbeit: Webseite für Opfer rechter Gewalt
> Betroffene bekommen in Deutschland zu wenig Aufmerksamkeit. Eine neue
> Webseite soll das ändern. Noch stehen aber Fragezeichen hinter der
> Finanzierung.
Bild: Gedenken zum fünften Jahrestag des rassistischen Anschlages von Hanau
Berlin taz | Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt
fänden in Deutschland noch immer kaum Gehör, sagt Anna Warda von der Amadeu
Antonio Stiftung. Sie leitet das Projekt „Selbstbestimmt vernetzen,
erinnern, bilden“. Gemeinsam mit Betroffeneninitiativen hat die Stiftung
eine Webseite gestartet, die Opfer rechter Gewalt nach 1945 und ihre
Angehörigen unterstützen soll.
Viele Betroffene sind seit Jahrzehnten in der Erinnerungsarbeit aktiv,
klären auf und vernetzen sich. „Nach den Morden des NSU habe sich diese
Vernetzung intensiviert“, sagt Warda. Die Zusammenarbeit sei essenziell, um
sich gegenseitig zu unterstützen, zu stärken und gemeinsame Forderungen zu
formulieren.
Allerdings seien viele der Initiativen nur lokal aktiv und darüber hinaus
kaum sichtbar. Die Aktivist:innen arbeiten meist ehrenamtlich und haben
oft keine Kapazitäten für Öffentlichkeitsarbeit, sagt Newroz Duman von der
[1][Initiative 19. Februar Hanau]. Deshalb spielten sie medial kaum eine
Rolle. „Dabei gibt es bei den Betroffenen viel Wissen, das von politischen
Entscheidungsträgern kaum ernst genommen wurde.“
## Geschichten nicht über, sondern mit den Betroffenen
„Die wichtige Arbeit der Betroffeneninitiativen fällt nicht jedem auf“,
sagt auch Sozialwissenschaftler und Autor Ali Şirin. An Schulen bemerke er
immer wieder, dass das Wissen, etwa über den rassistischen Anschlag in
Hanau, schwinde. „Es ist ein mühseliger Kampf gegen das Vergessen.“ Noch
dazu einer, der eigentlich Aufgabe des Staats ist.
[2][Die Webseite „selbstbestimmt-erinnern.de“] soll hier ansetzen. Ziel ist
es, öffentlich Gehör und Anerkennung für die Arbeit und Perspektive der
Betroffenen zu finden. Das ist auch für Gamze Kubaşık, Tochter des 2006 in
Dortmund vom NSU ermordeten Mehmet Kubaşık, das Besondere des Projekts, wie
sie in Abwesenheit verlesen ließ: „Dadurch werden die Geschichten nicht
über die Betroffenen, sondern mit ihnen erzählt.“
Das Projekt soll die Initiativen gleichzeitig dabei unterstützen,
Strukturen für ihre Erinnerungs- und Bildungsarbeit aufzubauen. Die täglich
wachsende Webseite bündelt Informationen zahlreicher Initiativen und bietet
Journalist:innen und Wissenschaftler:innen übersichtlich
aufbereitetes Material.
Das verdeutliche ihre gesellschaftliche Relevanz: „Irgendwann kann man dann
ganz klar zeigen, wo die Wissenslücken sind“, sagt Projektleiterin Warda.
Betroffene einzubeziehen ist notwendig, um diese Lücken zu entdecken,
findet auch [3][Gamze Kubaşık]. Denn dieses Wissen sei nicht beständig:
„Es gibt einige Fälle, bei denen das Gedenken verschwunden ist, wo etwa
Gedenktafeln nach Vandalismus nicht erneuert wurden.“ Diejenigen, die sich
gegen das Vergessen stellen, sind meist Betroffene und ihre Angehörigen.
## Zweifel an Förderung durch neue Regierung
Für all das sind vor allem Gelder notwendig: Gefördert wird das Projekt
durch Reem Alabali-Radovan, Antirassismusbeauftragte des Bunds und
Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration. Dem Projekt
sollen über drei Jahre 2,6 Millionen Euro zur Verfügung stehen, die auf die
elf beteiligten Initiativen sowie die Webseite verteilt werden.
Die Förderung läuft aber nur noch in diesem Jahr. Wie es 2026 weitergeht,
ist offen. „Wir gehen nicht davon aus, dass es mit der neuen Regierung eine
weitere Förderung geben wird“, sagt Newroz Duman. „Wenn die Finanzierung
endet, dringt noch mehr Prekarität in die Arbeit der Initiativen“, betont
sie. Die Arbeit der Betroffenen und die Webseite würden in diesem Fall aber
dennoch ehrenamtlich weitergehen. „Wir werden auch dafür kämpfen, dass die
Förderung bestehen bleibt“, so Duman. „Die Anschläge hören ja auch nicht
auf.“
25 Apr 2025
## LINKS
[1] /5-Jahre-nach-Hanau-Anschlag/!6066756
[2] https://selbstbestimmt-erinnern.de/
[3] /Tochter-eines-NSU-Toten-erinnert-sich/!5029521
## AUTOREN
Marco Fründt
## TAGS
Rechte Gewalt
Schwerpunkt Rechter Anschlag in Hanau
Schwerpunkt Rechter Terror
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Erinnerung
Social-Auswahl
Schwerpunkt Rechter Terror
Schwerpunkt Rechter Anschlag in Hanau
Bundesamt für Verfassungsschutz
Bildungssystem
## ARTIKEL ZUM THEMA
Neues Dokumentationszentrum in Chemnitz: Pilotprojekt für das NSU-Gedenken
In Chemnitz erinnert ein neues Dokumentationszentrum an den rechten Terror.
Pläne für einen bundesweiten Gedenkort nutzte die Union als
Verhandlungsmasse.
Dokumentarfilm „Das deutsche Volk“: Eiskalte Bürokratie
Marcin Wierzchowski lässt die Angehörigen der Opfer des Anschlags von Hanau
zu Wort kommen. Zu sehen ist der Film auf der Hamburger Dokfilmwoche.
taz begutachtet AfD: Streng öffentlich
Innenministerium und Geheimdienst zögern ein neues AfD-Gutachten hinaus,
obwohl die Partei offensichtlich rechtsextrem ist. Lesen die keine Zeitung?
Nazisymbole und rechte Sticker an Unis: Sie kleben dir eins
Auch das galt mal als linke Bastion: die Verbreitung politischer Inhalte
durch Sticker, Graffiti, Slogans. An Unis vermehren sich rechte Aufkleber.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.