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# taz.de -- Rechte Codes und Chiffren: So erkennst du rechte Sprache
> Um zu verstehen, wie Rechtsextreme ticken, muss man ihre Codes kennen.
> Die wichtigsten Begriffe in einer Liste.
Bild: Wer Gendergaga nicht liebt, ist zumeist rechts Gesinnt unterwegs
Cancel Culture: Rechte wollen für ihre rassistischen, beleidigenden,
diskriminierenden, antifeministischen und queerfeindlichen Aussagen keine
Verantwortung übernehmen. Legitime Kritik heißt dann schnell [1][„Cancel
Culture“]. Natürlich erst recht, wenn man wegen seiner reaktionären Haltung
zuvor einen Job verloren hat oder gar ein öffentlicher Auftritt abgesagt
wurde. Wie tiefgreifend und nachhaltig Cancel Culture das Leben mächtiger,
weißer Männer zerstört, kann man an Rammsteins ausverkauften Welttourneen
oder Donald Trumps zweiter Präsidentschaft gut sehen.
Remigration: Ursprünglich u.a. in der Wissenschaft gebräuchlicher
Fachbegriff für eine Rückkehr von Exilant*innen und Migrant*innen ins
Herkunftsland. Dahinter stecken völkische Reinheitsphantasien. Mittlerweile
verwendet den Begriff vor allem die extreme Rechte – als Kampfbegriff und
[2][Euphemismus für rassistische Vertreibungen] und millionenfache
Abschiebungen. Die AfD hat den Begriff in zahlreiche Wahlprogramme
übernommen.
Genderwahn: Auch als „Gendergaga“, „Genderismus“ oder „Gender-Ideolog…
geläufig. Geht einher mit antifeministischen Erzählungen und
Überspitzungen, um queere und emanzipierte Lebensweisen und Vielfalt zu
diskreditieren. Die Auswüchse reichen von offener Trans- und
Queerfeindlichkeit und Gewalt bis hin zu Wissenschaftsfeindlichkeit: Die
AfD will [3][Gender Studies an den Universitäten abschaffen].
Woke/Wokeismus: stammt eigentlich aus der afroamerikanisch-emanzipierten
Kreisen in den 1930ern. Woke waren Leute, die sich aufgeklärt haben und
politisch „aufgewacht“ sind, also die rassistischen Verhältnisse und
sozialen Ungerechtigkeiten erkennen. Mittlerweile wird der Begriff weltweit
als negatives Schimpfwort und [4][rechter Kampfbegriff] benutzt, um linke
Politik und Ziele abzuwerten.
Political Correctness/Politische Korrektheit/„PC“: Gilt ähnlich wie „wok…
innerhalb der Rechten als [5][Topos einer angeblich überbordenden
Korrektheit], um Antidiskriminierung oder Minderheitenschutz zu
diskreditieren. Wird gern auch auf die Wutbürgerparole von der angeblich
eingeschränkten Meinungsfreiheit heruntergebrochen: „Was darf man
eigentlich noch sagen?“
Schuldkult: Geschichtsrevisionistisches Schlagwort, um die deutsche
Erinnerungskultur an den Holocaust und den Nationalsozialismus lächerlich
zu machen. Der Geschichtswissenschaft wird dabei eine Fixierung auf den
Nationalsozialismus vorgeworfen, der „die Deutschen“ daran hindern soll,
einen positiven Bezug zur eigenen Nation zu finden. Wurde zuerst in den
80ern von Franz Schönhuber, einem Ex-Mitglied der Waffen-SS und Gründer der
rechtspopulistischen „Republikaner“ verwendet und später von AfD-Politikern
aufgegriffen – etwa als Gauland den Nationalsozialismus als „Vogelschiss“
in der deutschen Geschichte verharmloste oder Björn Höcke eine
erinnerungspolitische Wende um 180 Grad forderte. Auch Weidel sprach
bereits vom „Schuldkult“. Durch derartige geschichtspolitische Tabubrüche
versucht die AfD, [6][Erinnerungskultur zu diskreditieren].
Souveränität: Funktioniert als Dogwhistle in Richtung von
verschwörungsideologischen [7][Reichsbürger*innen], aber auch, um die
europäische Friedensordnung über den Haufen zu werfen und nationalistische
Diskurse und Abschottung zu stärken. Wird gern auch
geschichtsrevisionistisch benutzt, indem behauptet wird, Deutschland sei
kein freies Land und immer noch von den Siegermächten des Zweiten
Weltkrieges besetzt und/oder unterjocht.
Klimahysterie/Ökodiktatur: Die menschengemachte Klimakrise wird trotz eines
breiten wissenschaftlichen Konsenses [8][abgestritten und
Klima-Aktivist*innen abgewertet]. Maßnahmen zur Einleitung der
Energiewende, CO₂-Bepreisung oder Umweltregulierungen sind dann schnell
Ausdruck einer angeblichen Ökodiktatur.
Islamisierung: Antimuslimische und rassistische Ressentiments führen
innerhalb der extremen Rechten häufig zu einer verallgemeinernden
Islamkritik, die keine Differenzierung kennt und sich häufig auf
Flüchtlinge aus muslimischen Ländern bezieht. Diese werden häufig mit
rassistischen Bezeichnungen geschmäht („Messermänner“/„Kopftuchmädchen…
Selten wird zwischen Islamismus und dem Islam unterschieden, stattdessen
vor einer voranschreitenden Islamisierung gewarnt, die im Gegensatz zum
„christlichen Abendland“ stünde. Diese [9][Islamfeindlichkeit] widerspricht
der im Grundgesetz garantierten Religionsfreiheit.
Altparteien/Kartellparteien: Mit der Rede von Alt- oder Kartellparteien
will vor allem die AfD eine binäre „Wir gegen Die“-Weltsicht etablieren.
Die politischen Gegner sollen als abgehobene Elite diskreditiert und
gleichzeitig homogenisiert werden. Erhebliche programmatische Unterschiede
zwischen den Parteien werden so nivelliert, die autoritär-nationalistische
AfD wird dabei als einzige „echte Opposition“ beschrieben, die
demokratischen Parteien werden als „postdemokratisch“ geframt. Der Begriff
setzt bei bestehenden Unzufriedenheiten mit dem etablierten Politikbetrieb
an und unterstreicht zugleich die systemische Fundamentalopposition der
AfD. Die [10][„Altparteien“] und ihre Brandmauer gegen die AfD (die von
einer Mehrheit gewollt wird) sind in diesem Weltbild dabei der Gegenpol zum
angeblichen Mehrheits- und Volkswillen.
Lügenpresse/Lückenpresse: Ist ein Begriff, der in der Bundesrepublik
spätestens seit den extrem rechten Pegida-Demos wieder ins öffentliche
Bewusstsein gerückt ist und auch häufig in der AfD als Kampbegriff gegen
Pressefreiheit und freie Medien, aber auch den öffentlich-rechtlichen
Rundfunk verwendet wird, gern auch synonym mit Begriffen wie Fake News,
Systempresse oder Staatsfunk. Lügenpresse existiert als
[11][antiaufklärerischer Kampfbegriff] gegen eine freie, liberale Presse
aber schon seit dem 19. Jahrhundert, häufig auch antisemitisch konnotiert.
Auch die NS-Demagogen nutzten den Begriff vielfach als Schlagwort.
Ethnopluralismus: Rassistisches Konzept für die Wunschvorstellung nach
ethnisch reinen Staaten. Eine Durchmischung von Kulturen und Völkern wird
abgelehnt. Im Grund ist der Begriff eine [12][euphemistische Verharmlosung
des klassischen Rassismus], der den Begriff „Rasse“ mit Kultur ersetzt.
Fachkräfte/Goldstücke: Sowohl das Wort „Fachkraft“ als auch das „Goldst…
wurde innerhalb der Rechten zur sarkastischen Chiffre, die immer dann
herausgeholt wird, wenn eine kriminelle Tat durch einen Menschen mit
Migrationshintergrund begangen wird. Die rassistische Verallgemeinerung
schwingt mit, während die [13][Kriminalitätsstatistiken] über die letzten
Jahrzehnte bei zunehmender Migration eher rückläufig sind.
Gutmensch/Social Justice Warrior (#SJW)/Bahnhofsklatscher: Versucht
Menschen zu diskreditieren, die sich für soziale Gerechtigkeit engagieren,
ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe arbeiten oder auch nur ihre zu
progressive Meinung sagen. 2015 war „Gutmensch“ noch Unwort des Jahres,
weil es „Toleranz und Hilfsbereitschaft pauschal als naiv, dumm und
weltfremd“ darstellte oder gar „Helfersyndrom“ oder „moralischen
Imperialismus“. Bahnhofsklatscher bezieht sich auf die große Hilfewelle und
Willkommenskultur 2015/2016 als Menschen Geflüchtete an Bahnhöfen begrüßten
und sich in der Flüchtlingshilfe engagierten.
Der „große Austausch“: Verschwörungsideologische Erzählung, dass linke u…
liberale Eliten systematisch versuchen, die einheimische europäische
Bevölkerung durch nicht-weiße „Masseneinwanderung“ zu ersetzen. Häufig i…
auch von „Ersetzungsmigration“ die Rede. Nicht selten ist dabei die Elite
auch antisemitisch konnotiert. Siehe auch „Umvolkung“ und „Überfremdung�…
Kulturmarxismus: Stammt als Begriff „Cultural Marxism“ ursprünglich aus der
US-amerikanischen Alt-Right-Bewegung. Taucht fast 500-mal im Manifest des
norwegischen Rechtsterroristen Breivik auf und gilt als antisemitische
Chiffre einer vermeintlichen „jüdisch-marxistischen Weltverschwörung“. In
den USA wurden damit jüdische Emigranten der Frankfurter Schule wie Theodor
Adorno oder Herbert Marcuse nach ihrer Flucht aus Nazideutschland
diffamiert. Sie hätten über Amerika über Lehre, Presse und Hollywood
infiltriert und seien Triebfeder für Feminismus, Bürgerrechtsbewegungen und
Proteste gegen den Vietnamkrieg. Kam erstmals in den 60ern auf, ist aber
seit den 90ern als abwertendes Schlagwort gegen alles „Woke“ auch
hierzulande weit verbreitet.
Globalisten/globalistische Elite: Mithilfe der Verschwörungserzählung um
Globalismus suggerieren extrem Rechte gerne ein weltweites Wirken
angeblicher dunkler Mächte, die im Hintergrund die Strippen ziehen. Die
wurzellosen Globalisten werden im Gegensatz zum Volk definiert und wollen
mal zwangsimpfen, mal enteignen oder versklaven. Die verkürzte und
verschwörungsideologische Elitenkritik ist nicht selten auch antisemitisch
konnotiert durch Feindbilder wie den Philanthropen und jüdischen Milliardär
George Soros, den Viktor Orbán schon 2013 in seinen Wahlkämpfen dämonisiert
hat und der angeblich den mit einem „Soros-Plan“ und der „Flüchtlingskri…
den „Bevölkerungsaustausch“ plane. Manchmal planen die Globalisten auch
eine „Neue Weltordnung“ („New World Order“/„NWO“) oder den „Great…
jedenfalls wollen sie nationale und kulturelle Identitäten auslöschen.
Manche wollen auch gleich „Welteinheitsmenschen“ heranzüchten. Häufig sind
am Ende dann einfach mal wieder „die Juden“ schuld. Ist auch anschlussfähig
an die alte NS-Ideologie von der jüdisch-bolschewistischen
Weltverschwörung. Ähnliche verschwörungsideologische Erzählungen spinnen
sich auch um die „Atlantikbrücke“, „Bilderberger“, die Familien Rockef…
und Rothschild, Freimaurer und Illuminaten oder gleich „die
Finanzoligarchie/Hochfinanz/Wall Street“.
27 Mar 2025
## LINKS
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[6] https://www.geschichte-statt-mythen.de/klassische-mythen
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[10] https://www.geschichte-statt-mythen.de/klassische-mythen
[11] /Die-kleine-Wortkunde/!5023884
[12] /Hintergrund-des-Begriffs-Remigration/!5987412
[13] https://www.fr.de/politik/migration-und-kriminalitaet-studie-widerlegt-zus…
## AUTOREN
Gareth Joswig
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