| # taz.de -- De Maizière und die Drohnen-Affäre: Vereinfachung ist ein riskant… | |
| > Ich wusste schlicht nicht genug, verteidigt sich Thomas de Maizière in | |
| > der Drohnen-Affäre. Die Opposition wettet dagegen. Der Einsatz ist hoch. | |
| Bild: Immer im Auftrag für Deutschland: Thomas De Maizière. | |
| Es ist falsch, zu glauben, eine Rücktrittsforderung sei billige Münze im | |
| politischen Geschäft, schnell auf den Tisch geworfen. Die | |
| Rücktrittsforderung ist oft eher eine Wette darauf, dass sich ein Minister | |
| in den tausend Details eines Skandals noch verheddern und bei einer Lüge | |
| ertappt werden wird. Der Einsatz: die eigene Glaubwürdigkeit. | |
| Eine solche Wette hat die SPD am Mittwochnachmittag abgeschlossen. Den | |
| ganzen Tag hatte Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) vor | |
| Bundestagsausschüssen und der Presse – abends gleich dreimal im Fernsehen – | |
| wieder und wieder erklärt: Er sei erst am 13. Mai, also zu spät, darüber | |
| informiert worden, dass der Kauf der Aufklärungsdrohne Euro Hawk storniert | |
| werden müsse. „Das war nicht in Ordnung.“ In Ordnung sei dagegen die | |
| Entscheidung selbst. | |
| Die SPD aber erklärte: De Maizière könne für den Euro-Hawk-Skandal keine | |
| Unterlinge haftbar machen, ihnen gar einen Rauswurf androhen, selbst aber | |
| jede Verantwortung ablehnen. Dadurch habe er das Vertrauen seiner Leute | |
| eingebüßt, argumentierte der SPD-Verteidigungspolitiker im Bundestag, | |
| Reiner Arnold: „Verzichten Sie auf dieses Amt und treten Sie zurück.“ | |
| ## Da ist es, das kleine Detail | |
| Inoffiziell sagte die SPD damit: Wir kriegen dich noch. Die Wette gilt. | |
| Schon am Donnerstag meldete sich der Donaukurier aus Ingolstadt. Der | |
| Minister sei doch bei ihnen am 7. Mai zu Gast gewesen und habe auf die | |
| Frage, ob die Euro Hawks gekauft würden, gesagt: „Im Moment sieht es nicht | |
| so aus.“ | |
| Er habe überhaupt nicht schlecht informiert gewirkt. Noch am selben Abend | |
| um 22.26 Uhr mailte de Maizières Pressestelle: Ja, aber eine „Vorlage“, ein | |
| Papier also für den Chef, die habe es eben da noch nicht gegeben. | |
| Da ist es, das Detail, an dem sich festmacht, ob der Minister gelogen hat. | |
| Wenn er keine Vorlage hatte, hat er dann auch nicht gewusst? Plötzlich | |
| konzentriert sich die Aufarbeitung der bis 2001 zurückreichenden Affäre um | |
| die Aufklärungsdrohne, die von dem US-Unternehmen Northrop Grumman gebaut | |
| und vom europäischen EADS-Konzern mit Überwachungstechnik versehen werden | |
| sollte, auf die eine Frage: Hat Ministerwissen aus Papier zu sein? | |
| Außerhalb der Wehrtechnischen Dienststelle für Luftfahrzeuge im bayerischen | |
| Manching begreift vermutlich niemand, was nun der Haken in den Gesprächen | |
| mit den amerikanischen Drohnenbauern war, dass die deutschen Kontrolleure | |
| jahrelang keine Luftraumzulassung für den unbemannten Flieger mit immerhin | |
| 40 Meter Spannweite zu erwirken vermochten. | |
| Und wenn nun jemand wissen möchte, wieso die Überwachungstechnik von EADS | |
| so lange erprobt werden musste, warum die Euro-Hawk-Bestellung nicht schon | |
| 2009, 2011 oder 2012 abgeblasen wurde: Der Ingenieursvortrag darüber dauert | |
| nicht unter 45 Minuten. Für Vertragsjuristen wiederum bleibt zu überlegen, | |
| ob der Stopp des Projekts verzögert wurde, um EADS über die | |
| Rückzahlungsfristen zu hieven. | |
| Schließlich flossen all die Zeit Dutzende und Hunderte Millionen Euro ab. | |
| Diesen Faktor fasste Linksfraktionschef Gregor Gysi im Bundestag so | |
| zusammen: „Es tut mir leid: Das ist Rüstungslobbyismus hoch zehn.“ | |
| Doch mancher Versuch, Kniffliges zitierfähig zu verknappen, gefährdet | |
| selbst in den Augen der interessierten Laien – sie sind die politische | |
| Referenzgröße schlechthin – die Glaubwürdigkeit: „So einfach wird das do… | |
| nicht gewesen sein.“ | |
| Deshalb ist es so wichtig für die SPD, einen einfach zu verstehender | |
| Sachverhalt zur Verfügung zu haben, um die Welle der öffentlichen Empörung | |
| zu verstärken. Es gehört zu den ironischen Naturphänomenen des politischen | |
| Betriebs, dass ein Minister, eine Ministerin unter Druck für genau diese | |
| Vereinfachung selbst zu sorgen hat. | |
| Denn genau der Zwang, eine glatte, widerspruchslose, mediengängige | |
| Begründung für merkwürdiges Verhalten zu liefern, macht ihn oder sie | |
| angreifbar: So einfach wird das doch nicht gewesen sein. | |
| ## Das Gesetz des Papiers | |
| Nur weil keine Vorlage da war, kann das nicht heißen, dass der Minister | |
| nicht wusste. Und doch braucht es ein Zeugnis, Zeugenschaft, um zu belegen, | |
| dass der Minister eben doch wusste. Wenn seine Staatssekretäre und die | |
| sonstigen Leitungskräfte um ihn herum dichthalten, muss ein Stück Papier | |
| mit Datum und Stempel her. | |
| So wie 2001, als die grüne Gesundheitsministerin Andrea Fischer zurücktrat: | |
| Ein Papier mit Datum und Stempel hatte sich gefunden, wonach sie in der | |
| Rinderwahnaffäre über das möglicherweise giftige Fleisch hätte Bescheid | |
| wissen müssen. | |
| So wie 2009, als nach dem Luftangriff von Kundus in Afghanistan Minister | |
| Franz Josef Jung (CDU) zurücktrat. Seine Pressestelle schrieb noch: | |
| „Erfolgreicher Einsatz gegen Aufständische im Raum Kundus“, als die Welt | |
| längst wusste, dass die Bundeswehr Zivilisten getötet hatte. | |
| Am Montag muss de Maizière noch einmal vor den Verteidigungsausschuss des | |
| Bundestags. Bis dahin werden die Oppositionspolitiker alles gesammelt | |
| haben, was irgendeinen Hinweis darauf liefert, dass der Minister schon vor | |
| dem 13. Mai wusste: Der Drohnenkauf muss gestoppt werden. Ob sie ihn | |
| kriegen? Die Wette läuft. | |
| 8 Jun 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrike Winkelmann | |
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