| # taz.de -- Berliner Pannenwahl 2021: Die Wahl auf Wiedervorlage | |
| > Die Wahl vor einem Jahr war voller Pannen. Vielleicht zu viele: Am | |
| > Mittwoch verhandelt das Landesverfassungsgericht über eine Wiederholung | |
| > der Wahl. | |
| Bild: Viel gab es zu zählen in Berlin bei der Wahl 2021. Vielleicht muss bald … | |
| Berlin taz | Mittwoch wird ein besonderer Tag für die Berliner | |
| Landespolitik. Nicht bloß, weil an diesem Tag die lang erwartete | |
| Ministerpräsidentenkonferenz tagt, bei der Regierungschefin Franziska | |
| Giffey (SPD) einen bundesweiten Energiedeckel durchsetzen will, der aus | |
| ihrer Sicht der einzige Schutz gegen breite Verarmung ist. Nein, es ist | |
| auch der Tag, der eine abrupt verkürzte Amtszeit Giffeys einleiten könnte. | |
| Denn das Berliner Verfassungsgericht verhandelt dann über Einsprüche gegen | |
| die Wahl zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen | |
| vor genau einem Jahr, am 26. September 2021 – und an deren Ende könnte eine | |
| Wahlwiederholung stehen. Das Urteil kommt zwar erst später, die mündliche | |
| Verhandlung lässt aber oft Rückschlüsse zu. Die taz dröselt auf, worum es | |
| im Kern geht, wer die wichtigsten Akteure und was die Folgen sind. | |
| Worum geht es eigentlich? | |
| Der Wahltag am 26. September 2021 war geprägt von zahlreichen Pannen. | |
| Vielerorts fehlten Wahlzettel oder es gab die falschen. Wegen der | |
| Coronaregeln gab es in den Wahllokalen weniger Wahlkabinen, was für längere | |
| Wartezeiten sorgte. Wahlwillige standen oft über eine Stunde an, brachen | |
| die Warterei ab oder wählten teils auch noch nach 18 Uhr, als es bei ARD | |
| und ZDF schon Prognosen zum Wahlausgang gab. | |
| Was verschlimmerte die Situation? | |
| Zwei Dinge: zum einen die Mehrfachabstimmung an diesem Tag, zum anderen der | |
| zeitgleiche Marathon, der zu zahlreiche Straßensperrungen führte. Es waren | |
| nicht nur zwei Stimmen für die Abgeordetenhauswahl und eine für die | |
| Bezirkswahl abzugeben, sondern auch noch zwei Kreuze auf dem Stimmzettel | |
| für die Bundestagswahl zu machen – und eine Entscheidung beim | |
| Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ zu treffen. | |
| Wieso beschäftigt sich das Verfassungsgericht damit? | |
| Weil es beim Gericht 35 Einsprüche gegen die Berliner Wahlen gegeben hat, | |
| die als Wahlprüfungsaufträge gelten. | |
| Werden diese 35 Einsprüche alle am Mittwoch verhandelt? | |
| Nein, nur vier davon: die Beschwerden der Landeswahlleitung, der | |
| Innenverwaltung des Senats sowie die von zwei politischen Parteien (AfD und | |
| Die Partei). Die seien geeignet, „alle relevanten Fragen im Zusammenhang | |
| mit dem Wahlgeschehen abzudecken“, heißt es vom Gericht. Über die anderen | |
| soll später entschieden werden. | |
| Wo findet das statt? | |
| Zum allerersten Mal bei einer mündlichen Verhandlung nicht im Plenarsaal | |
| oder einem anderen Saal des Kammergerichts an der Elßholtzstraße. | |
| Schauplatz ist stattdessen der Große Hörsaal B.001 des Fachbereichs Chemie, | |
| Biologie und Pharmazie der Freien Universität in Dahlem, ein nüchterner | |
| Neubau gegenüber dem Museum Europäischer Kulturen. | |
| Warum der Umzug? | |
| Wegen der großen Zahl von Betroffenen und Anzuhörenden – bis Ende | |
| vergangener Woche hatten sich schon über 200 Personen angekündigt. Der über | |
| zwei Etagen reichende Hörsaal hat rund 600 Plätze. | |
| Wann kommt denn das Urteil? | |
| Das ist offen. Einen Termin hat das Gericht noch nicht festgelegt. | |
| Spätestens verkündet werden müsste das Urteil eigentlich am 28. Dezember – | |
| denn im Gesetz über den Verfassungsgerichtshof steht: „Zwischen dem | |
| Abschluss der mündlichen Verhandlung und der Verkündung der Entscheidung | |
| sollen nicht mehr als drei Monate liegen.“ Eine „Soll“-Bestimmung, keine | |
| zwingende Vorschrift. | |
| Was ist dann möglich? | |
| Dreierlei: keine Wahl, Wahlen in einzelnen Wahlkreisen oder eine komplette | |
| Wahlwiederholung. | |
| Könnte denn auch ohne Urteil Mittwoch klarer werden, in welche Richtung es | |
| geht? | |
| Ja. Denn das Gericht hat für Mittwoch auch „eine erste rechtliche | |
| Einschätzung“ angekündigt. | |
| Wenn das Urteil „Wahlwiederholung“ heißt – wann kommt die dann? | |
| Das wiederum regelt Paragraf 21 des Landeswahlgesetzes: „Spätestens 90 Tage | |
| nach der Entscheidung.“ Bei Ausreizung beider Spielräume müsste also | |
| spätestens am 28. März 2023 gewählt werden. | |
| Sind maximal 90 Tage nicht knapp, um all die Kandidaten zu wählen? | |
| Wahlkampf soll es ja auch noch geben. | |
| Es gibt keine neue Kandidatenaufstellung – es treten dieselben wie 2021 an. | |
| [1][Im Wahlgesetz] steht nämlich, eine Wiederholungswahl finde „nach (…) | |
| denselben Wahlvorschlägen statt“. Niemand wird allerdings gezwungen, erneut | |
| anzutreten: Kandidierende können zurücktreten und müssen das bloß gegenüber | |
| der Wahlleitung erklären. | |
| Geht es am Mittwoch auch um eine Wiederholung der Bundestagswahl? | |
| Nein, nur um die Berliner Wahlen. Für Einsprüche gegen die Bundestagswahl | |
| ist der Bundestag zuständig. | |
| Und was meint der Bundestag? | |
| Eine abschließende Empfehlung des Wahlprüfungsausschusses liegt noch nicht | |
| vor, eine Entscheidung des Parlaments wird für Oktober erwartet. | |
| Und die gilt dann? | |
| Nur wenn kein Betroffener dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht angeht – | |
| was allerdings weithin erwartet wird. | |
| Wie steht denn der Senat zu Neuwahlen? Die Innenverwaltung hatte ja selbst | |
| Einspruch gegen die Wahl eingelegt. | |
| „Ich gehe nicht von einer Neuwahl aus“, hat jüngst Innensenatorin Iris | |
| Spranger (SPD) gesagt, die Chefin des für Wahlen zuständigen | |
| Senatsressorts. Da könnte ein gewisser Eigennutz die Sichtweise | |
| beeinflussen, denn die 2021 siegreiche SPD hat am meisten zu verlieren. | |
| Wenn nicht die SPD, wer hätte denn Interesse an Neuwahlen? | |
| Vor allem die oppositionelle CDU und die Grünen. CDU-Generalsekretär Mario | |
| Czaja setzte schon bei einem Landesparteitag Mitte Juni darauf, dass im | |
| März 2023 neu gewählt wird. Aber auch die Grünen sehen eine zweite Chance, | |
| Bettina Jarasch, derzeit Verkehrssenatorin, zur ersten grünen Regierenden | |
| Bürgermeisterin zu machen. | |
| Was sagen die Umfragen dazu? | |
| Grüne und CDU liegen in der jüngsten am Donnerstag veröffentlichten | |
| [2][Umfrage von RBB und Morgenpost] mit 22 und 21 Prozent deutlich vor | |
| Wahlsiegerin SPD mit nur noch 17 Prozent. Auch die Beliebtheit von | |
| Regierungschefin Giffey ist stark gesunken. | |
| Falls die Wahl vom 26. September 2021 annulliert wird, sind dann alle | |
| Entscheidungen ungültig, die das Abgeordnetenhaus und die von ihm am 21. | |
| Dezember gewählte Regierungschefin getroffen haben? | |
| Nein, meinen Rechtsexperten. Gerichtssprecherin Lisa Jani etwa verweist | |
| darauf, dass das Wahlgesetz so getroffene Entscheidungen nicht für ungültig | |
| erklärt und eine andere Regelung nicht bekannt sei. Auch die | |
| Senatsverwaltung für Inneres sieht das so. | |
| Gilt das auch bei einer Wiederholung der Bundestagswahl? | |
| Ja. Von der Pressestelle des Parlaments heißt es: „Die Beschlüsse blieben | |
| im Falle einer Wahlwiederholung gültig.“ | |
| 26 Sep 2022 | |
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| [1] https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/jlr-WahlGBEV6P21 | |
| [2] https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2022/09/berlintrend-umfrage-berlin-par… | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Alberti | |
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