# taz.de -- AfD-„Flügel“ ist rechtsextrem: „Warnung an Feinde der Demokr… | |
> Der Verfassungsschutz begründet die Einstufung mit einer Radikalisierung | |
> der Höcke-Truppe. Diese zählt nun mehr Anhänger als die NPD. | |
Bild: Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz | |
BERLIN taz | Thomas Haldenwang wählt deutliche Worte. „Wir wissen aus der | |
Geschichte, dass der Rechtsextremismus nicht nur Menschenleben, sondern | |
auch eine Demokratie zerstört hat.“ Und momentan sei der Rechtsextremismus | |
wieder „die größte Gefahr“. Dagegen, so der Verfassungsschutzchef, gehe m… | |
gegen ihn vor, auch wenn er aus den Parlamenten kommt. | |
Dann macht Haldenwang seinen bedeutendsten Punkt an diesem Tag: Er benennt | |
die AfD, genauer deren Rechtsaußen-Sammelbecken, der „Flügel“ um Björn | |
Höcke – [1][und verkündet diesen als volles Beobachtungsobjekt seines | |
Dienstes, also als klar rechtsextrem.] Der „Flügel“ sei eine „erwiesen | |
extremistische Bestrebung“, so Haldenwang. „Die bisherigen Anhaltspunkte | |
haben sich zur Gewissheit verdichtet.“ | |
Haldenwangs Worte bedeuten einen Einschnitt. Für die AfD. Und für die | |
deutsche Parteiengeschichte. Denn nun steht Höckes Truppe auf einer Stufe | |
mit der NPD. Und der Verfassungsschutz kann sein komplettes | |
Überwachungsarsenal gegen sie einsetzen, etwa V-Leute oder Observationen. | |
Nur dass es hier eben nicht mehr um eine Splitterpartei geht, sondern um | |
die bei der Bundestagswahl größte Oppositionspartei, die in allen Landtagen | |
sitzt. | |
[2][Schon Anfang 2019 hatte das Bundesamt die AfD zum „Prüffall“ erklärt]. | |
Der „Flügel“ wiederum wurde, wie der Parteinachwuchs „Junge Alternative�… | |
zum „Verdachtsfall“, eine Stufe weiter. Nun erfolgt beim „Flügel“ die … | |
Beobachtung. | |
## „Höcke und Kalbitz sind Rechtsextremisten“ | |
Und der Verfassungsschutz sieht dafür gute Gründe. So hätten die | |
„Flügel“-Anführer Höcke und Andreas Kalbitz, AfD-Chef in der Brandenburg, | |
ihre Macht weiter ausgebaut. Haldenwang deutlich: „Beide Personen sind | |
Rechtsextremisten.“ Auch habe sich der Flügel organisatorisch gefestigt und | |
Obleute in den Ländern eingeführt. Parteiinterne Kritiker halte er klein, | |
indem er sie als „Feindzeugen“ verunglimpfe, ergänzen führende | |
Verfassungsschützer. Dazu kämen „fortlaufend neue Verstöße“ von | |
„Flügel“-Funktionären und eine verstärkte Vernetzung im rechtsextremen | |
Spektrum [3][etwa mit Pegida-Frontmann Lutz Bachmann]. | |
„Die Positionen des Flügels sind nicht mit dem Grundgesetz vereinbar“, | |
bekräftigt Haldenwang. „Wir müssen auch die im Blick haben, die verbal | |
zündeln.“ Es sei die gesetzliche Aufgabe des Verfassungsschutz, hier zu | |
handeln. „Und wir handeln.“ | |
7.000 Personen rechnet der Verfassungsschutz nun dem „Flügel“ zu – bei d… | |
NPD waren es zuletzt 4.000. Anders als in der Neonazi-Partei gibt es beim | |
„Flügel“ indes keine festen Mitgliedschaften. Man habe sich an | |
„Eigenaussagen“ der „Flügel“-Anhänger orientiert, erklärt der Geheim… | |
Auch rechne AfD-Chef Jörg Meuthen selbst 20 Prozent der 33.000 | |
Parteimitglieder dem „Flügel“ zu. In der Partei gehen viele sogar von einem | |
noch größeren Anteil aus. Für Haldenwangs Verfassungsschutz ist aber nicht | |
die Mitgliedergröße entscheidend, sondern die feste Struktur des „Flügels�… | |
– die bis hin zu einem Onlineshop und Ehrenabzeichen reiche. | |
## Wieder Abgeordnete unter Beobachtung | |
Erstmals seit Jahren werden damit nun wohl auch wieder Abgeordnete vom | |
Verfassungsschutz beobachtet. Zuletzt gab es das bis 2013. Dann klagte der | |
Linke Bodo Ramelow erfolgreich dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht, | |
die Überwachung wurde eingestellt – und nur noch in strengen Grenzen | |
erlaubt. Welche AfD'ler nun im Visier stehen, ließ Haldenwang offen. Aber | |
er nannte als „Flügel“-Anführer explizit drei Männer: Höcke, Kalbitz und | |
Hans-Thomas Tillschneider, Landtagsabgeordneter aus Sachsen-Anhalt. | |
Und die Landesämter für Verfassungsschutz ziehen mit. Noch am Donnerstag | |
erklären die ersten den „Flügel“ ebenfalls zum Beobachtungsobjekt. „Jet… | |
geht es darum aufzuklären, welches Potenzial der Flügel innerhalb der AfD | |
hat“, betont Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD). | |
Thüringen geht noch einen Schritt weiter: Dort macht Verfassungsschutzchef | |
Stephan Kramer auch den ganzen AfD-Landesverband von Höcke zum | |
„Verdachtsfall“. Auch hier gebe es „hinreichende tatsächliche | |
Anhaltspunkte“ für eine extremistische Bestrebung. Der Flügel habe hier | |
„zentrale Führungsfiguren“ und hier wiederholt seine zentrale | |
Zusammenkunft, das Kyffhäusertreffen, abgehalten. | |
## Auch die gesamte AfD beobachten? | |
Grünen-Chef Robert Habeck und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil fordern | |
auch eine Komplettbeobachtung der Bundes-AfD. Tatsächlich hat der „Flügel“ | |
auch dort seine Macht ausgebaut, entscheidende Wahlen für sich gewonnen. | |
Und Ex-Parteichef Alexander Gauland hatte den „Flügel“ ganz offen zur | |
„Mitte der Partei“ erklärt. | |
Haldenwang will sich dazu am Donnerstag nicht äußern – wegen laufender | |
Rechtsstreitigkeiten mit der AfD. Klar aber wird: Die Gesamtpartei bleibt | |
vorerst weiter ein „Prüffall“. Auch der Parteinachwuchs „Junge Alternati… | |
bleibt ein „Verdachtsfall“. Hier sei die Entwicklung noch nicht so | |
eindeutig, so Haldenwang. | |
Die AfD hatte den jetzigen Schritt des Verfassungsschutz lange zu | |
verhindern versucht. Erst im Januar hatte die Partei eine [4][Klage gegen | |
den Verfassungsschutz vor dem Kölner Verwaltungsgericht eingereicht]. Noch | |
am Wochenende wandte sich die Parteispitze mit einem Schreiben an die | |
Parteimitglieder. „Wir merken durch viele Gespräche, die wir überall im | |
Land führen, dass es gerade bei Ihnen eine gewisse Verunsicherung gibt“, | |
heißt es darin. Aber: „Wir lassen uns nicht überraschen und haben bereits | |
entsprechende Strategien vorbereitet.“ | |
Am Donnerstag ist davon indes nichts bemerken. Für den Mittag lädt die AfD | |
zunächst zu einer Pressekonferenz – um diese dann zu verschieben und | |
schließlich ganz abzublasen. Erst am Abend lässt sie ihren Leiter der | |
„Arbeitsgruppe Verfassungsschutz“, Roland Hartwig, erklären, dass die | |
Vorwürfe „haltlos“ seien. Der Verfassungsschutz lasse sich „politisch | |
instrumentalisieren“. Man werde Haldenwang deshalb „gerichtlich in seine | |
Schranken verweisen“. | |
## Beamte müssen Konsequenzen fürchten | |
Wer sich indes vorerst nicht äußert, sind die Parteichefs Alexander Gauland | |
und Tino Chrupalla. In der Partei ist man durchaus besorgt, vor allem um | |
die verbeamteten „Flügel“-AnhängerInnen. Höcke selbst ist Lehrer, der | |
sächsische „Flügel“-Obmann Jens Maier ist Richter, unter den AnhängerInn… | |
sollen auch Polizisten sein. BeamtInnen aber sind grundsätzlich zur | |
politischen Mäßigung verpflichtet, zur Verfassungstreue und Neutralität. | |
[5][Eine Prüfung des Bundesinnenministeriums 2019 hatte zwar ergeben], dass | |
allein die Mitgliedschaft in einer Organisation, die vom Verfassungsschutz | |
als Prüffall oder Verdachtsfall eingestuft wird, beamtenrechtlich zunächst | |
ohne Relevanz ist. Entscheidend sei das „konkrete Verhalten“. | |
Anders aber sieht es beim „Flügel“ aus, der nun als verfassungsfeindlich | |
eingestuft ist. Dies kann etwa bei BeamtenanwärterInnen schon | |
„beamtenrechtlich erheblich“ sein – so heißt es auch im Vermerk des | |
Innenministeriums. Und: „Herausgehobene Funktionsämter“ gelten als | |
Aktivitäten, die Zweifel an der Verfassungstreue begründen und zur | |
Einleitung disziplinarischer Maßnahmen führen. | |
Höcke wirft bereits seit Monaten dem Verfassungsschutz „Diffamierung“ und | |
eine politische Instrumentalisierung vor. Vor wenigen Tagen legte er mit | |
einer Stellungnahme nach, in der er fragliche Zitate von sich entkräftigen | |
wollte. [6][Diese würden aus dem Zusammenhang gerissen und | |
„schlechtestmöglich interpretiert“], klagte er. „Ein Abrücken von | |
politischen Positionen, die ich für vernünftig und sinnvoll halte, wird es | |
von meiner Seite nicht geben.“ | |
## Höckes Entkräftigungen „in keiner Weise überzeugend“ | |
Der Verfassungsschutz weist die Vorwürfe zurück. Höckes Entkräftigungen | |
seien „in keiner Weise überzeugend“. Der AfD-Mann zeige ideologisch | |
vielmehr eine jahrelange Kontinuität. Haldenwang zitiert Aussagen Höckes, | |
in denen dieser Migration als „kulturelle Kernschmelze“, den Islam als | |
„Besatzungsmacht“ bezeichnete oder ein „Remigrationsprojekt“ forderte, … | |
auch „menschliche Härte“ benötige. Dazu sei es augenfällig, wie eng sich | |
Höcke mit der neurechten und rechtsextremen Szene vernetze, so der | |
Verfassungsschutz. | |
Genau hier macht der Geheimdienst am Donnerstag noch einen Einschlag: Er | |
erklärte auch das Compact-Magazin des Publizisten Jürgen Elsässer als | |
rechtsextremen „Verdachtsfall“. Der Neuen Rechten komme eine gefährliche | |
Scharnierfunktion von der gesellschaftlichen Mitte zu Rechtsextremen zu, | |
warnt Haldenwang. Man dürfe aber nicht zulassen, dass die Demokratie von | |
Innen zerstört werde. | |
Der Tag sei damit auch eine „Warnung“ an alle Feinde der Demokratie, so | |
Haldenwang: „Wir stehen zusammen und handeln.“ | |
12 Mar 2020 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
Sabine am Orde | |
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