| # taz.de -- „Compact“-Magazin in der Krise: Unter prüfendem Blick | |
| > Das „Compact“-Magazin wird seit März als rechtsextremer Verdachtsfall | |
| > eingestuft. Der Verfassungsschutz nennt dafür nun erstmals genaue Gründe. | |
| Bild: Jürgen Elsässer und Björn Höcke bei einer Wahlversammlung der AfD in … | |
| Es läuft gerade nicht beim Compact-Magazin. Der Umsatz sei wegen fehlender | |
| Kioskverkäufe in der Pandemie um ein Drittel eingebrochen, klagte | |
| Chefredakteur Jürgen Elsässer zuletzt. „In dieser Krise braucht Compact | |
| Ihre Solidarität“, bat Elsässer seine Leserschaft um Neuabos und Spenden. | |
| Obendrein ist das Magazin seit März in den Augen des Verfassungsschutzes | |
| ein rechtsextremer „Verdachtsfall“. Das erklärte der Geheimdienst im Zuge | |
| der Einstufung des [1][AfD-„Flügels“] als volles Beobachtungsobjekt. | |
| Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang sagte in der entsprechenden | |
| Pressekonferenz: „Wir haben darüber hinaus die Compact-Magazin GmbH zum | |
| Verdachtsfall erklärt. Das Magazin bedient sich revisionistischer, | |
| verschwörungstheoretischer und fremdenfeindlicher Motive.“ Somit kann die | |
| Behörde das Blatt nun auch mit geheimdienstlichen Mitteln in den Blick | |
| nehmen. | |
| Seit 2010 bedient Compact das AfD-Pegida-Spektrum mit reißerischen Titeln | |
| und Verschwörungstheorien, sieht fortwährend eine „Asylflut“ auf | |
| Deutschland zukommen, beklagt historisch einen „Bombenterror“ gegen | |
| Deutsche und aktuell „Massenvergewaltigungen“, fordert auch mal einen | |
| Freispruch für Beate Zschäpe. Damit brachte es das 2013 gegründete | |
| Monatsmagazin zu einer Auflage von rund 40.000 verkauften Exemplaren. | |
| Dass der Verfassungsschutz das Blatt nun zeitgleich mit dem „Flügel“ unter | |
| Beobachtung stellt, ist kein Zufall. Denn ideologisch trennt beide Lager | |
| nicht viel. Im Gegenteil: Compact-Chef Elsässer – vor vielen Jahren noch | |
| ein Linker – hofiert seit Jahren offen „Flügel“-Anführer Björn Höcke. | |
| ## Verbindungen | |
| Das ist auch dem Verfassungsschutz nicht entgangen, der auf taz-Anfrage nun | |
| erstmals genauere Gründe für die Einstufung von Compact vorlegt. Das | |
| Magazin, sagt das Bundesamt, pflege Verbindungen zu „eindeutig | |
| rechtsextremistischen Bestrebungen“, was etwa den „Flügel“ meint. Auch | |
| verbreite Compact „Pauschalvorwürfe“ gegenüber Migranten und Muslimen. Der | |
| Islam werde in Beiträgen „unterschiedslos negativ gezeichnet“, als | |
| „permanente Gefahrenquelle und Bedrohung“. Zuwanderung werde beständig mit | |
| „Kriminalität, Terror und Islamisierung“ verknüpft. | |
| Das Magazin verbreite zudem Verschwörungstheorien wie die eines „Großen | |
| Austauschs“ (wonach Migranten gezielt Einheimische zu verdrängen suchten). | |
| Dazu kämen „diffamierende Beiträge“ etwa über den liberalen Unternehmer | |
| George Soros, „antisemitische Verschwörungstheorien“ und ein | |
| „revisionistisches Geschichtsbild“, etwa in Sachen Kriegsschuldfrage beim | |
| Zweiten Weltkrieg. | |
| Der Verfassungsschutz in Brandenburg, wo Compact seinen Sitz hat, teilt | |
| diese Einschätzung ausdrücklich – nach eigener Darstellung regte er die | |
| Einstufung mit an. Auch dort heißt es, Compact verbreite eine Ideologie mit | |
| „erheblichem Anknüpfungspotenzial für Teile der rechtsextremistischen | |
| Szene“. Jürgen Elsässer habe „als Chefredakteur die aufgezeigte Entwicklu… | |
| vollumfänglich zu verantworten“. | |
| Elsässer ließ eine taz-Anfrage, wie er und sein Magazin auf die Vorwürfe | |
| reagieren, unbeantwortet. In einem Onlinebeitrag des Magazins wird nur | |
| knapp notiert, dass man „en passant“ mit dem „Flügel“ vom Verfassungss… | |
| „abgefrühstückt“ werde. | |
| ## Bund mit Höcke | |
| Es gehe um die „Diffamierung und staatliche Beobachtung des oppositionellen | |
| Umfelds“. Offenbar sei nun auch der Verfassungsschutz Teil der | |
| „links-hypermoralischen Haltungsherrschaft“. Ähnlich hatte auch Höcke die | |
| Einstufung seines „Flügels“ als „Etabliertenschutz“ abgetan. Compact s… | |
| sich klar hinter Höcke, dieser werde „völlig zu Unrecht dämonisiert“. Er | |
| sei „im Unterschied zu den staatlichen Agitatoren, ein echter Demokrat“. | |
| Auch noch nach der Einstufung des Verfassungsschutzes titelt Compact düster | |
| mit Geflüchteten auf seiner Aprilausgabe, warnt vor einer angeblich neuen | |
| „Asylflut“: „Sie kommen!“ Elsässer selbst schreibt über eine angeblic… | |
| „Corona-Diktatur“, bei der es in Wahrheit darum gehe, „unproduktives | |
| Kapital zu vernichten“ wie früher in den Weltkriegen – und Armin Laschet | |
| spreche „wie Adolf Hitler zum letzten Volkssturm-Aufgebot“. Parallel kürt | |
| das Magazin den bei RTL wegen rassistischer Ausfälle geschassten [2][Sänger | |
| und Verschwörungstheoretiker Xavier Naidoo] als „Helden“. | |
| Und auch Höcke und sein „Flügel“ bekommen weiter ihr Podium. So | |
| veröffentlichte das Magazin nochmals eine frühere Höcke-Rede, in der dieser | |
| den Verfassungsschutz den „Erfüllungsgehilfen des Establishments“ nennt und | |
| „Feindzeugen“ in den Reihen der AfD angeht. Dann ließ Compact in einem | |
| Video eine Stunde lang den sächsischen Flügel-Obmann Jens Maier mit | |
| Elsässer über die Zukunft der AfD plaudern. Und als zuletzt auch die | |
| AfD-Spitze eine Auflösung des „Flügels“ einforderte, nannte das Blatt das | |
| einen „Putsch gegen Höcke“, gar einen „parteiinternen Krieg“. | |
| Dieser Bund mit Höcke war schon lange geknüpft. Schon vor Monaten widmete | |
| Compact dem Thüringer eine Sonderausgabe („Interviews, Reden, Tabubrüche“… | |
| [3][Höckes Auftritt im Februar bei Pegida in Dresden] streamte das Magazin | |
| live. Und zur Thüringer Ministerpräsidentenwahl im März gab Höcke dem | |
| Magazin per Video ein „Exklusivinterview“, knapp 320.000 Aufrufe erzielte | |
| dieses im Netz. | |
| ## Der Weg nach rechts | |
| Es geht wohl nicht allein darum, mit Höckes Namen Geld zu machen. Das | |
| Magazin preist den AfD-Rechtsaußen als „Hoffnungsträger für eine politische | |
| Wende“. Compact hat sich damit im extrem rechten Medienmarkt eindeutig | |
| verortet. So macht zwar auch die neurechte Junge Freiheit um Dieter Stein | |
| keinen Hehl aus ihrer Nähe zur AfD, geht mit dem „Flügel“ aber durchaus | |
| hart ins Gericht, weil dieser die gesellschaftliche Akzeptanz der Partei im | |
| Gesamten gefährde. Auch das rechtsextreme Magazin Zuerst!, das seit | |
| Monaten diversen AfD-Politikern eine Plattform bietet, hält sich in | |
| parteiinternen Konflikten mit eigenen Positionierungen zurück. Elsässers | |
| Redaktion tut das Gegenteil. | |
| Und das hat offenbar auch inhaltliche Gründe. Auffällig ist, wie Compact | |
| den „Flügel“ als „sozialpatriotische“ Kraft preist. Tatsächlich | |
| präsentierte Höcke sein „sozialpatriotisches“ Konzept erstmals auf einer | |
| Compact-Konferenz im November 2017 in Leipzig. Mit Zitathappen von Lenin | |
| und Mao beklagte der AfD-Mann die „Vergötzung des Kapitals“ und griff | |
| „neoliberale Gedankenmodelle“ an, die blind seien für die „sozialen | |
| Folgen“. Die Linke hätte längst die „kleinen Leute“ verraten. Nun | |
| verteidigten die Rechten die sozialen Errungenschaften von 150 Jahren | |
| Arbeiterbewegung. | |
| Das ist eine Position, die Compact-Chef Elsässer schon vor vielen Jahren | |
| vertrat – womöglich war er selbst der Impulsgeber für Höckes Vorstoß. Denn | |
| Elsässer, einst Anhänger des Kommunistischen Bunds und konkret-Autor, | |
| begann bereits vor mehr als zehn Jahren seinen Weg nach rechts mit der | |
| Vorhaltung, dass „die Linke“ sich nicht mehr für das Proletariat | |
| interessiere. Schon 2006 hielt er dieser vor: „Mit Staatsknete wird | |
| Multikulti, Gendermainstreaming und die schwule Subkultur gefördert, | |
| während die Proleten auf Hartz IV gesetzt werden.“ Dagegen rief Elsässer | |
| damals zu einer neuen „Volksfront“ auf. | |
| Heute nun steht Elsässer mit Höcke auf einer Bühne, hat selbst schon bei | |
| Pegida gesprochen. Mit beider Verankerung in Ostdeutschland scheint der | |
| 63-Jährige seine „Volksfront“ langsam aufkommen zu sehen. Wenig überrascht | |
| also, dass Compact nach den jüngsten, auch parteiinternen Angriffen gegen | |
| den „Flügel“ warnte, dies könne die Partei „erheblich schwächen“. Und | |
| herausstellte, wo die AfD zuletzt ihre Wahlerfolge einholte: im Osten – | |
| „überall dort, wo sie unter starkem Einfluss des Flügels steht“. | |
| Für den Verfassungsschutz machte es diese Nähe zum „Flügel“ fast | |
| unumgänglich, auch Compact zumindest zum „Verdachtsfall“ zu erklären. | |
| Elsässer wähnt sich dagegen bereits wieder im Aufwind. Nach seinem | |
| Corona-Hilfsappell an die Leserschaft vermeldete er einen angeblich | |
| „reißenden“ Absatz der Aprilausgabe. Und verkündete: „An unserer Rolle | |
| (...) wird sich nichts ändern. Wir halten stand.“ Wie es ausschaut, ist der | |
| Schritt vom „Verdachtsfall“ zum vollen Beobachtungsobjekt nur eine Frage | |
| der Zeit. | |
| 15 Apr 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Rechtsextremer-Fluegel-und-die-AfD/!5673053 | |
| [2] /Xavier-Naidoo-fliegt-aus-DSDS-Jury/!5671399 | |
| [3] /Pegida-Demonstration-in-Dresden/!5664930 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Speit | |
| Konrad Litschko | |
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