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# taz.de -- „Compact“-Konferenz in Leipzig: Aufbegehren gegen rechte Reden
> Aktivisten wollen gegen eine „Compact“-Konferenz in Leipzig vorgehen.
> Auch die nochmalige Teilnahme an der Buchmesse soll verhindert werden.
Bild: Leipziger Linke wollen Eskalationen wie auf der Frankfurter Buchmesse ver…
Leipzig taz | Es war einmal eine Zeit, in der ein Auftritt von Thilo
Sarrazin in Leipzig für Aufsehen sorgte. Vier Jahre sind vergangen, seit
der noch immer in der SPD beheimatete Buchautor auf einer Konferenz der
Zeitschrift Compact darüber spekulierte, ob sich „Europas Völker
abschaffen“ würden. Für Aufsehen sorgten dabei nicht nur die wütenden
Proteste gegen den Auftritt vor Ort, sondern auch die Tabubrüche, die
Sarrazins Thesen mit sich brachten.
Nach drei Jahren in Berlin kehrt die Compact-Konferenz am kommenden Samstag
nach Leipzig zurück. Aus den einstigen Tabubrüchen ist mittlerweile
Normalität geworden. Vor allem AfD und Pegida haben für einen schleichenden
Gewöhnungseffekt gesorgt. Dementsprechend sind es vor allem sie, die auf
der diesjährigen Konferenz auf der Bühne stehen sollen. Neben
Geschichtsrevisionist Björn Höcke und dem wegen Volksverhetzung
verurteilten Lutz Bachmann ist zudem Martin Sellner von der „Identitären
Bewegung“ angekündigt.
Viele Journalisten und Wissenschaftler greifen im Zusammenhang mit der
monatlich erscheinenden Compact zu Begriffen wie „neurechts“, „völkisch�…
und „verschwörungsideologisch“, gelegentlich auch „antisemitisch“. All…
ein Blick auf die Titelseiten offenbart die Feindbilder: Geflüchtete,
Medien, die USA – und vor allem Angela Merkel, die in den vergangenen
Jahren unter anderem mit Hitlerbart, verschleiert und hinter Gittern
dargestellt wurde.
„Mit ihrer Qualität, Auflage und Reichweite ist die Zeitschrift einzigartig
in der neurechten Szene“, erklärt Steven Hummel. Er gehört zum
Aktionsbündnis „No Compact“, welches die Konferenz verhindern oder
zumindest stören möchte. Weiter sagt er: „Compact erfüllt eine
Schnittstellenfunktion zwischen verschiedenen Gruppen und Akteuren. Es
versucht, viele diffuse Strömungen zusammenzubringen und eine Debatte
anzustoßen.“ Die Konferenzen seien wichtig für den persönlichen Austausch
und um strategische Fragen auszuloten.
Dem vorläufigen Ablaufplan ist zu entnehmen, dass es diesmal darum gehen
soll, den „Widerstand“ auf verschiedenen Ebenen zu organisieren: im
Parlament, auf der Straße, aber auch in den Gewerkschaften. Was
Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer unter diesem Begriff versteht,
offenbarte er im Juli 2016 kurz nach dem rassistisch motivierten Massenmord
in München.
Niemand weiß, wo in Leipzig die Konferenz stattfindet
Elsässer schrieb damals von einem islamistischen Terroranschlag und rief
die Bundeswehr zur Landesverteidigung auf. Als konkrete Maßnahmen forderte
er sofortige Ein- und Ausreiseverbote für alle Muslime sowie die
„Abriegelung aller Flüchtlingszentren“.
Bislang ist nicht bekannt, wo genau die Konferenz stattfinden wird. Das
Aktionsbündnis ruft die Gegner dazu auf, am Samstag um 9 Uhr am
Hauptbahnhof zu erscheinen. Gleichzeitig hoffen die Aktivisten darauf,
vorher einen anonymen Hinweis zu erhalten. Ein an etwa 40 mögliche
Tagungsorte verschicktes Rundschreiben blieb nach eigenen Angaben bislang
ohne Resonanz.
Der Kampf gegen Compact und deren Aktivitäten wird nach dem Wochenende
nicht beendet sein. Spätestens im Januar soll der Stadtrat über einen
Antrag der Linksfraktion entscheiden, welche die Zeitschrift von der
jährlich im März stattfindenden Leipziger Buchmesse verbannen möchte. Die
Stadtverwaltung als Gesellschafter soll sich dafür stark machen.
Bereits im vergangenen Jahr hatten zahlreiche Gruppen und Einzelpersonen
der Messeleitung einen Offenen Brief geschickt und diese dazu aufgefordert,
Compact wieder auszuladen. „Rassistische, nationalistische und
antisemitische Propaganda gehört nicht auf eine internationale
Veranstaltung wie die Leipziger Buchmesse“, hieß es zur Begründung. Die
Messe argumentierte mit der im Grundgesetz verankerten Meinungsfreiheit:
Man könne ein Medium nur dann ausschließen, wenn es verfassungswidrig
agiere.
Linke wollen „Compact“-Stand verbieten
Juliane Nagel, Mitglied der Linksfraktion, verweist hingegen auf einen
Paragrafen in der Gewerbeordnung, wonach Aussteller ausgeschlossen werden
dürfen, wenn sie die „erforderliche Zuverlässigkeit“ nicht besitzen. Auf
der diesjährigen Buchmesse soll privates Security-Personal gewaltsam gegen
Journalisten vorgegangen sein; zudem kletterte ein rechtsradikaler Blogger
auf den Compact-Stand, um Gegendemonstranten minutenlang zu filmen und
anzuschreien.
Für Nagel wäre ein Ausschluss vor allem ein symbolischer Akt:
„Wirtschaftliche Einbußen in größerem Maße sind nicht zu erwarten.“ Die
Linke-Stadträtin glaubt derzeit aber nicht an eine Mehrheit für ihren
Antrag und rechnet selbst bei SPD und Grünen nur vereinzelt mit Zustimmung.
Zusätzliche Brisanz könnte die Leipziger Buchmesse im kommenden März
erhalten, falls der neurechte Antaios-Verlag nach jahrelanger Pause wieder
daran teilnimmt. Die ihm organisatorisch nahestehende Zeitschrift Sezession
veröffentlichte kürzlich eine entsprechende Andeutung auf ihrer Homepage.
Nach den Auseinandersetzungen auf der Frankfurter Buchmesse wäre dem Verlag
überregionale Aufmerksamkeit sicher.
Ob Compact am kommenden Wochenende zum Thema der Berichterstattung in den
Nachrichten wird, dürfte maßgeblich vom Erfolg des Protests gegen die
Konferenz abhängen. Die rassistische Mobilmachung allein sorgt schließlich
schon lange nicht mehr für Aufsehen.
24 Nov 2017
## AUTOREN
René Loch
## TAGS
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