| # taz.de -- AfD-Mitgliedschaft von Beamten: Kommt drauf an | |
| > Wie soll der Staat auf Beamte reagieren, die in der AfD sind? | |
| > Innenminister Horst Seehofer ließ das prüfen. | |
| Bild: Verhalten muss mit der „Treuepflicht“ vereinbar sein: Lehrerin | |
| BERLIN taz | Acht Wochen dauerte die Prüfung, die Bundesinnenminister Horst | |
| Seehofer in seinem Haus beauftragt hatte. Die Frage war heikel: [1][Wie | |
| radikal dürfen Beamte sein?] Er wolle dies ganz generell klären, „für | |
| Rechts- wie Linksradikale“, erklärte der CSU-Mann. Aber der Anlass für die | |
| Prüfung war klar: die AfD. | |
| Nun liegt das Prüfergebnis vor. „Die beamten- und disziplinarrechtlichen | |
| Vorkehrungen gegen eine extremistische Aushöhlung des öffentlichen Dienstes | |
| durch nicht verfassungstreue Beamte funktionieren“, heißt es in dem | |
| Schriftsatz, dessen Kernaussagen der taz vorliegen. Die reine | |
| Mitgliedschaft in einer Partei sei unproblematisch, also auch in der AfD, | |
| heißt es darin. Entscheidend sei vielmehr das „konkrete Verhalten“ der | |
| Beamten. Gerade bei Beamten auf Probe sei „besondere Sorgfalt“ geboten. | |
| Der Auslöser für die Prüfung ereignete sich Mitte Januar. Da stufte der | |
| Verfassungsschutz die AfD als Prüffall ein, dessen weit rechtes | |
| Sammelbecken „Der Flügel“ und die Parteijugend Junge Alternative gar als | |
| Verdachtsfälle. Bei Letzteren gebe es „gewichtige Hinweise“ auf | |
| extremistische Bestrebungen. Was aber tun mit Beamten – LehrerInnen, | |
| PolizistInnen, RichterInnen, Behördenangestellten – , die genau in diesen | |
| AfD-Gruppen aktiv, aber gleichzeitig zu besonderer Verfassungstreue | |
| verpflichtet sind? | |
| Das Problem ist nicht abstrakt, auch wenn konkrete Zahlen fehlen. Der | |
| Anteil der Beamten unter den 35.000 AfD-Mitgliedern sei hoch, das hört man | |
| oft in der Partei. Der „Flügel“-Anführer Björn Höcke ist Lehrer. In sei… | |
| Thüringer Landesverband treten gleich vier Polizisten auf den vorderen | |
| Listenplätzen zur Landtagswahl im Herbst an. In Sachsen ist der | |
| „Flügel“-Obmann, Jens Maier, ein Richter. In Mecklenburg-Vorpommern führt | |
| ein Polizist die AfD-Fraktion an. Und in Baden-Württemberg ist einer der | |
| AfD-Lautsprecher Thomas Seitz, ein Staatsanwalt – und ebenfalls | |
| „Flügel“-nah. | |
| ## „In jedem Einzelfall“ | |
| Seehofers Ministerium sieht dennoch weite Spielräume für Beamte, auch | |
| rechts außen. Die „reine Zugehörigkeit“ eines Beamten zu einer Partei, die | |
| vom Verfassungsschutz als Prüffall oder Verdachtsfall eingestuft werde, | |
| „ist beamtenrechtlich ohne Relevanz“, heißt es im Prüfergebnis – mit | |
| offensichtlichem Bezug zur AfD. Erst wenn der Geheimdienst die | |
| Verfassungsfeindlichkeit klar feststelle, ändere sich dies – und könne dann | |
| mindestens für Beamtenanwärter „beamtenrechtlich erheblich sein“. Heißt: | |
| Solange der Verfassungsschutz prüft, haben die Beamten mit AfD-Parteibuch | |
| erst mal wenig zu befürchten. | |
| Das Innenministerium betont aber auch: Schon jetzt können | |
| Disziplinarmaßnahmen über Beamte verhängt werden, wenn einzelne | |
| Verhaltensweisen „mit der Treuepflicht unvereinbar sind“. Dies sei „nicht | |
| schematisch“, sondern „in jedem Einzelfall“ zu entscheiden. Die Sanktionen | |
| reichten von Verweisen über Geldbußen bis hin zur Entfernung aus dem | |
| Dienst. | |
| Gerade die Sicherheitsbehörden reagierten bereits früh in der Causa AfD. | |
| Vor allem der Verfassungsschutz ist hier in einer heiklen Doppelrolle: Das | |
| Amt durchleuchtet derzeit die AfD auf ihren Extremismusgehalt, muss | |
| gleichzeitig aber auch eigene Angestellte auf AfD-Nähe prüfen – und andere | |
| Behörden beraten, wenn dort Beamte extremistisch auffällig werden. Schon | |
| kurz nach AfD-Einstufung erklärte der sächsische Verfassungsschutzchef | |
| Gordian Meyer-Plath, es sei von „hoher Relevanz“, wenn Mitarbeiter des | |
| Amtes oder anderer Sicherheitsbehörden in der JA oder dem „Flügel“ Mitgli… | |
| seien. Auch in anderen Landesämtern wurde auf die Sicherheitsüberprüfung | |
| bei Neueinstellung verwiesen: Hier würden die Mitgliedschaften künftig wohl | |
| mit abgefragt. Und für Bestandskollegen gelte: Wer bei sich | |
| Interessenkonflikte sehe, solle sich melden. | |
| Im Bundesamt für Verfassungsschutz wandte sich die Geheimschutzbeauftragte | |
| in einem Schreiben an die Mitarbeiter: Diese sollten prüfen, ob sie „durch | |
| Kontakte zu AfD-Mitgliedern oder eine eigene Mitgliedschaft in dieser | |
| Partei in sicherheitsrelevante Konfliktsituationen geraten können“. Falls | |
| dem so sei, könne man dies „in einem vertrauensvollen Gespräch“ erörtern, | |
| eventuell sei „ein Wechsel in einen anderen Arbeitsbereich des BfV | |
| sinnvoll“. Dies, so hört man, sei bisher noch nicht nötig geworden. | |
| ## Versetzung in Sachsen | |
| In Sachsen indes schon: Hier betraf es, noch vor der jüngsten | |
| AfD-Einstufung, den Verfassungsschützer Henrik S. – der parallel auch in | |
| der AfD aktiv ist. Aus seiner Doppelrolle machte der 51-Jährige keinen | |
| Hehl. In einem Interview lobte er gar die „intelligenten Aktionen“ der | |
| rechtsextremen Identitären – die indes unter Beobachtung seines | |
| Arbeitgebers, des Verfassungsschutzes, stehen. Henrik S. wurde im Oktober | |
| 2018 schließlich in eine andere Behörde versetzt. | |
| Auch den Beamtenbund treibt das Thema AfD um. „Wer nicht mit beiden Beinen | |
| auf dem Boden des Grundgesetzes steht, für den ist bei uns kein Platz“, | |
| sagte Beamtenbund-Chef Ulrich Silberbach der taz. Der öffentliche Dienst | |
| verpflichte sich der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, er sei ein | |
| „Garant“ für den Rechtsstaat. „Wer hier um einen glasklaren Standpunkt | |
| herumlaviert und sich nicht klar von Extremisten distanziert, der möge | |
| seine Sachen packen.“ | |
| Wie nun Seehofer prüfte auch der Beamtenbund die Rechtslage. Generell seien | |
| auch Beamte Grundrechtsträger und dürften Parteien angehören oder die | |
| Regierung kritisieren, heißt es dort. Weil sie ihre Aufgaben aber | |
| „unparteiisch“ zu verrichten hätten, obliege ihnen eine „Pflicht zur | |
| politischen Mäßigung“. Auch müssten sie sich „durch ihr gesamtes Verhalt… | |
| zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen“. Von | |
| extremistischen Gruppen hätten sich Beamte daher zu distanzieren. | |
| So sei Beamten zwar durchaus die Teilnahme an Demonstrationen gestattet, | |
| auch von der AfD, heißt es im Beamtenbund. Würde dort aber der Hitler-Gruß | |
| gezeigt oder würden symbolische Galgen für Politiker getragen, müssten | |
| Beamte diese verlassen. Und auch bei der AfD müsse im Einzelfall geprüft | |
| werden: Bekennt sich der Beamte offen zum „Flügel“ oder der JA? Äußert er | |
| sich selbst extremistisch? Dann, so heißt es im Beamtenbund, drohten auch | |
| hier Disziplinarmaßnahmen. | |
| Einige Innenminister machen klare Ansagen. „Ein Engagement von Beamten im | |
| ‚Flügel‘ der AfD kann disziplinarische Folgen haben“, warnt der Thüring… | |
| Innenminister Georg Maier (SPD). „Ich werde nicht zögern, die notwendigen | |
| Schritte im Rahmen einer Einzelfallprüfung einzuleiten.“ Auch | |
| Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) erklärte, Beamte, die | |
| „Flügel“- und JA-Mitglieder seien, gehörten überprüft: Ihre | |
| Verfassungstreue stehe „infrage“. | |
| Andere dagegen zögern. Denn die Sache ist heikel: Schon einmal ließ der | |
| Staat seine Beamten auf Extremismus prüfen, mit dem „Radikalenerlass“ 1972. | |
| Der Protest war groß. | |
| Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) warnt denn auch | |
| aktuell „vor einer Kapitulation der Demokratie“. Die AfD sei nicht | |
| verfassungsfeindlich, auch für den „Flügel“ oder die JA gelte dies | |
| gegenwärtig nicht. Eine rechtliche Grundlage, jemanden allein wegen | |
| dortiger Mitgliedschaft aus dem öffentlichen Dienst zu entlassen, gebe es | |
| daher nicht, so Stahlknecht zur taz. „Jemanden, der einem politisch | |
| unliebsam ist, einfach aus dem Dienst zu nehmen, ist rechtlich nicht | |
| zulässig. Und das ist nach zwei Diktaturerfahrungen in Deutschland auch gut | |
| so. Daher gilt es, die AfD argumentativ zu stellen.“ | |
| In Sachsen-Anhalt gab es dazu bereits einen Streitfall: Mario Lehmann, | |
| AfD-Abgeordneter und einst Polizeibeamter. Wiederholt fiel er im Landtag | |
| mit vulgären Ausfällen auf, nannte Geflüchtete „Fickificki-Fachkraft“ od… | |
| „hereingeholte Antänzer“. Aber auch hier fordert Stahlknecht Zurückhaltun… | |
| „Das Beamtenverhältnis von Herrn Lehmann ruht aufgrund seines Mandats | |
| derzeit. Auch wenn ich die Äußerungen für diffamierend und abstoßend halte, | |
| habe ich als Dienstherr dagegen keine Handhabe.“ | |
| Tatsächlich könnten Lehmann erst bei seiner Rückkehr als Polizist | |
| Disziplinarmaßnahmen treffen. Oliver Malchow, Chef der im DGB organisierten | |
| Gewerkschaft der Polizei, betont bereits: „Es ist höchst problematisch, | |
| wenn Beamte sich für eine Partei betätigen, die im Verdacht extremistischer | |
| Bestrebungen steht. Rechtstreue, Toleranz und Menschlichkeit sind | |
| Eigenschaften, die Kompass jeden Tuns von Polizeibeamten sein müssen, nicht | |
| nur im Dienst.“ | |
| Malchow fordert Polizisten in der AfD auf, sich von Höckes „Flügel“ zu | |
| distanzieren. Die Gruppierung sei europafeindlich, sie stelle | |
| „unappetitliche Bezüge zur deutschen Vergangenheit“ her. „Jeder Beamte, … | |
| auf die Verfassung schwört, hat sich an diesen Eid zu halten.“ | |
| ## Schule ohne Höcke | |
| Auch die Personalie Höcke bleibt umstritten. Bis Herbst 2014 unterrichtete | |
| er in Hessen als Lehrer für Geschichte und Sport. Schon 2017 hatte sich der | |
| hessische Kultusminister Alexander Lorz (CDU) festgelegt: Er werde „im | |
| Rahmen seiner Möglichkeiten alles dafür tun, dass Herr Höcke nicht mehr | |
| Unterricht an einer unserer Schulen erteilen wird“. Höcke kritisierte | |
| daraufhin eine „Drohkulisse“ und Verletzung der „Fürsorgepflicht“ durch | |
| Lorz. Seine Beurteilungen als Lehrer seien „tadellos“. Lorz’ Sprecher | |
| versicherte der taz indes, an der Position des Ministers habe sich nichts | |
| geändert. Höcke habe ein Recht auf Rückkehr, aber nicht auf denselben | |
| Posten. Denkbar sei etwa die Schulverwaltung. Mit hoher Wahrscheinlichkeit | |
| werde Höcke nicht mehr vor Schülern unterrichten. | |
| Besonders hart griff der Staat bei dem AfD-Bundestagsabgeordneten Seitz | |
| durch, der vorher in Freiburg als Staatsanwalt arbeitete: Seitz wurde sein | |
| Beamtenstatus aberkannt. Auf Fotos, die Seitz im Wahlkampf nutzte, hatte er | |
| mit über den Arm gelegter Robe, weißer Krawatte und einer strafrechtlichen | |
| Gesetzessammlung posiert – eine Vermischung von Amt und politischem | |
| Meinungskampf. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, Seitz will | |
| auf allen Ebenen dagegen vorgehen. „Und wenn nötig, auch den Europäischen | |
| Gerichtshof anrufen.“ | |
| In der AfD wird die gesamte Diskussion durchaus mit Nervosität verfolgt. | |
| „Die Absicht ist, unsere Mitglieder, die im öffentlichen Dienst sind, | |
| einzuschüchtern“, sagt der Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, | |
| Bernd Baumann, am Dienstag. Dafür werde der Verfassungsschutz | |
| instrumentalisiert. Rechtsaußen Höcke behauptete jüngst in einer Rede, er | |
| kenne Beamte, welche die Beschäftigung des Amtes mit der AfD scharf | |
| kritisierten. „Die kochen vor Wut, weil sie sich als neutrale Staatsdiener | |
| missbraucht fühlen.“ Und Parteichef Alexander Gauland gab zu: „Langfristig | |
| mache ich mir schon Sorgen, dass wir die Beamten verlieren.“ | |
| Das Prüfpapier aus Seehofers Innenministerium könnte die AfD-Funktionäre | |
| nun etwas beruhigen. Womöglich aber nur vorerst. Denn entscheidet der | |
| Verfassungsschutz, dass die AfD tatsächlich eine verfassungsfeindliche | |
| Partei ist, dann wäre die Schonzeit für die dortigen Beamten vorbei. | |
| 10 Apr 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
| Sabine am Orde | |
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