# taz.de -- Abschottung gegenüber Geflüchteten: Verstärkte Kontrollen kommen | |
> Innenministerin Faeser kündigt zusätzliche „flexible | |
> Schwerpunktkontrollen“ nahe Polen und Tschechien an. Der Union reicht das | |
> nicht. | |
Bild: In Grenzbereich zu Polen in Brandenburg soll es mehr Polizeikontrollen ge… | |
BERLIN taz | Deutschland verstärkt seine Kontrollen im Grenzgebiet zu Polen | |
und Tschechien. Man müsse das „grausame Geschäft der Schleuser stoppen“, | |
erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Mittwochmittag. | |
Deswegen nehme die Bundespolizei „ab sofort zusätzliche flexible | |
Schwerpunktkontrollen an den Schleuserrouten“ vor. Diese fänden räumlich | |
und zeitlich flexibel sowohl im Grenzgebiet wie auch zeitweise direkt auf | |
der Grenzlinie statt. | |
Mit den verstärkten Kontrollen geht Faeser auf zuletzt [1][immer lauter | |
gewordene Forderungen nach Grenzkontrollen] zu den beiden östlichen | |
Nachbarländern ein. Insbesondere die CDU-Innenminister von Sachsen und | |
Brandenburg fordern seit Monaten an den Grenzen zu Polen und Tschechien | |
stationäre Kontrollen, wie es sie schon seit 2015 an der | |
deutsch-österreichischen Grenze gibt. Die Union hatte diese Forderungen | |
zuletzt nochmals bekräftigt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte das | |
bis letzte Woche noch abgelehnt. Hintergrund sind die steigenden Zahlen | |
Geflüchteter, die Deutschland erreichen. | |
Der innenpolitische Sprecher der Unionfraktion, Alexander Throm, warf | |
Faeser nun aber eine „Täuschung der Öffentlichkeit“ vor. Was die | |
Bundesinnenministerin vorschlage, seien keine stationären Grenzkontrollen, | |
sie habe lediglich die Schleierfahndung ausgedehnt, „die dann auch zufällig | |
mal an der Grenze vorbeikommt“. Er warf Faeser Wahlkampf vor. Die | |
Innenministerin tritt in der hessischen Landtagswahl Anfang Oktober als | |
SPD-Spitzenkandidatin an. | |
Tatsächlich sind Grenzkontrollen innerhalb des Schengenraums rechtswidrig. | |
Nur im Falle „einer ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der | |
inneren Sicherheit“ dürfen sie vorübergehend wieder eingeführt werden. | |
Dafür muss aber die EU notifiziert werden. Mehrere Staaten haben diese | |
Ausnahme in den vergangenen Jahren genutzt, darunter Deutschland – und die | |
eigentlich auf sechs Monate begrenzten Kontrollen seit 2015 immer wieder | |
verlängert. | |
## Faeser macht bei Krisenverordnung Druck | |
Wie Faeser nun ankündigte, müssten die geplanten Maßnahmen nicht bei der EU | |
notifiziert werden. Um klassische Grenzkontrollen handelt es sich also wohl | |
tatsächlich nicht. Man schließe eine solche Notifizierung für die Zukunft | |
aber nicht aus, erklärte Faeser. | |
Die Bundespolizei hat in diesem Jahr bislang rund 71.000 illegale | |
Grenzübertritte festgestellt. Das sagt allerdings nichts über die | |
Schutzwürdigkeit Geflüchteter aus, weil es kaum legale Fluchtwege nach | |
Deutschland gibt. So sind laut BMI die Hauptherkunftsländer der | |
Aufgegriffenen Syrien, Afghanistan und die Türkei. | |
Die Zahl ankommender Geflüchteter kann man mit Grenzkontrollen und | |
Schleierfahndung kaum beeinflussen: Wer an der Grenze aufgegriffen wird und | |
erklärt, Asyl beantragen zu wollen, darf nicht einfach zurückgewiesen | |
werden. Das Schutzersuchen muss geprüft werden. Alles andere wäre ein | |
sogenannter Push-Back und somit rechtswidrig. Der Europäische Gerichtshof | |
hatte in der vergangenen Woche Zurückweisungen an EU-Binnengrenzen sogar | |
unabhängig vom Schutzersuchen für rechtswidrig erklärt. Das dürfte somit | |
auch für die laut BMI im ersten Halbjahr 2023 bereits durchgeführten 12.589 | |
Zurückweisungen gelten. | |
## Die Grünen und NGOs lehnen Verordnung ab | |
Faeser betonte, die Maßnahmen dienten vor allem der Bekämpfung des | |
Schleusertums. Für eine „Verringerung der irregulären Migration“ hingegen | |
bleibe die Reform des europäischen Asylsystems der „entscheidende Schritt“. | |
Diese werde sie am Donnerstag bei einem Treffen der EU-Innenminister*innen | |
„weiter mit voller Kraft“ vorantreiben. | |
Die Ministerin zeigte sich zuversichtlich, dass die Bundesregierung auch | |
bei [2][der umstrittenen Krisenverordnung] zu einer gemeinsamen Haltung | |
finden werde. Vor allem die Grünen lehnen diesen Vorschlag der | |
EU-Kommission bislang ab, unter anderem, weil dieser es ermöglichen würde, | |
die Standards für Asylverfahren deutlich abzusenken. | |
Eine Einigung sei notwendig, mahnte Faeser. Ansonsten seien die offenen | |
Grenzen im Schengenraum „in Gefahr“. Eine Gefahr sehen Kritiker*innen | |
[3][hingegen in der Verordnung selbst]: Diese drohe den an den Außengrenzen | |
„schon bestehenden Ausnahmezustand rechtlich zu zementieren“, warnten | |
bereits im Juli 55 NGOs in einem Offenen Brief. | |
27 Sep 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Diskussion-um-Flucht-und-Migration/!5961862 | |
[2] /Pro-Asyl-Juristin-ueber-neue-EU-Verordnung/!5948775 | |
[3] /Aufruf-von-Menschenrechtsorganisationen/!5945575 | |
## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
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