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# taz.de -- Streit über EU-Asylpolitik: Scholz spricht offenbar Machtwort
> Bundeskanzler Scholz hat laut Medien entschieden, der
> EU-Asylkrisenverordnung zuzustimmen. Menschenrechtsgruppen sind entsetzt.
Bild: Laut Medien hat Kanzler Scholz entschieden, der EU-Krisenverordnung zuzus…
Berlin taz | Deutschland gibt seinen Widerstand gegen die geplante
Krisenverordnung in der europäischen Asylpolitik auf. Mehrere Medien
meldeten am Mittwoch, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe entschieden,
dass Berlin im Zusammenhang mit der Reform des Gemeinsamen Europäischen
Asylsystems (GEAS) in Brüssel „nichts aufhalten“ werde. Diese Entscheidung
habe er im Zusammenhang mit der Kabinettssitzung am Mittwoch
Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen mitgeteilt, so die
Berichte.
Aus Kreisen der Grünenfraktion im Bundestag hieß es am frühen Mittwochabend
allerdings, die Verhandlungen liefen noch. Ob diese Verhandlungen
allerdings tatsächlich Fortschritte bringen, müsse sich erst noch zeigen.
Auch der Grünen-Politiker Erik Marquardt stellte die Berichte über ein
„Machtwort“ auf der Plattform X (ehemals Twitter) in Frage.
Die Krisenverordnung fasst verschiedene Regelungen zusammen, die in
Ausnahmesituationen an den Außengrenzen gelten sollen. Gemeint sind etwa
Fälle, in denen sehr viele Geflüchtete in der EU Asyl beantragen oder
Situationen, wie die an der Grenze zu Belarus, dessen autoritäres Regime
Geflüchtete gezielt einfliegt und nach Polen und die baltischen Staaten
schickt, um Druck auf die EU auszuüben. In solchen Situationen sollen nach
der Krisenverordnung zahlreiche Regeln ausgesetzt und Standards
[1][abgesenkt werden können.]
So sollen etwa sehr viel mehr Geflüchtete sehr viel länger in die
umstrittenen Prüfverfahren genommen werden können, die an den
EU-Außengrenzen geplant sind. Das soll auch für Kinder und andere besonders
vulnerable Gruppen gelten, für die es ansonsten eigentlich
Ausnahmeregelungen gibt. Auch die Mindeststandards für die Unterbringung
der Geflüchteten sollen in solchen Situationen deutlich niedriger sein.
Noch im Juli wollte die Bundesregierung einen Vorschlag der spanischen
EU-Ratspräsidentschaft für die Krisenverordnung nicht unterstützen. Die
EU-Staaten konnten sich deshalb nicht für Verhandlungen mit dem
Europaparlament positionieren. Das Europaparlament kündigte in der
vergangenen Woche deshalb an, andere Teile der Verhandlungen über die
geplante Asylreform bis auf Weiteres zu blockieren.
Die Bundesregierung war mit ihrer bisherigen, ablehnenden Haltung in
[2][den letzten Wochen zunehmend unter Druck] anderer europäischer Staaten
geraten. Diese machten vor allem Berlin dafür verantwortlich, dass
notwendige Verhandlungen mit dem Europaparlament stockten, und forderten
sie auf, nachzugeben, damit die Reform des Europäischen Asylsystems noch
vor der Europawahl beschlossen werden kann.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte am Mittwoch noch
einmal an alle Parteien appelliert, ihren Streit beizulegen. Es brauche
eine schnelle politische Einigung. Auch die Präsidentin des
Europaparlaments, Roberta Metsola, rief die Mitgliedsländer am Mittwoch
auf, [3][das gemeinsame Asylsystem nach jahrelangem Streit] unter Dach und
Fach zu bringen. Beim Treffen der EU-Innenminister in Brüssel an diesem
Donnerstag müssten „alle Anstrengungen unternommen werden, den Knoten zu
durchschlagen“, sagte die 44-Jährige.
An einer Reform des Asylsystems wird seit vielen Jahren gearbeitet.
Befürworter des jetzigen Kompromisses argumentieren mit dem Zeitdruck
angesichts der nahenden Europawahlen. Sollte sie vor der nahenden
Europawahl im Juni 2024 scheitern, wäre dies ein großer Rückschlag, der
rechten Parteien wie der AfD weiteren Auftrieb geben würde. Projekte, die
bis dahin nicht mit den Regierungen der Mitgliedstaaten ausgehandelt sind,
könnten anschließend wieder infrage gestellt werden und sich wieder
verzögern.
## Baerbock warnte vor Krisenverordnung
Außenministerin Annalena Baerbock hat noch am Montag eindringlich vor der
Einführung der sogenannten Krisenverordnung gewarnt. Dieser würde die
Reform des EU-Asylrechts, auf die man sich gelingt hatte, wieder
„chaotisieren“ und den Ermessensspielraum einzelner Länder erweitern.
Sollte – wie etwa 2015 – eine besonders großen Zahl von Menschen bei ihnen
Zuflucht suchen, könnten sie sehr flexible Maßnahmen treffen. Das würde
solche Länder de facto auch wieder dazu ermuntern, große Zahlen
unregistrierter Flüchtlinge nach Deutschland weiterzuleiten, so Baerbock.
[4][Menschenrechtsorganisationen warnen seit Monaten vor der
Krisenverordnung]. Entsprechend groß war am Mittwoch die Empörung über die
Entscheidung von Kanzler Scholz. Die rechtspolitische Sprecherin von
ProAsyl, Wiebke Judith, sagte der taz: „Die Bundesregierung knickt vor den
rechten Agendasettern in der EU ein.“ Es sei „dramatisch“, dass die
menschenrechtlichen Bedenken gegen die Krisenverordnung von Scholz einfach
„zur Seite gewischt“ worden seien. Es drohe ein weiterer Einbruch bei den
menschenrechtlichen Standards an den EU-Außengrenzen.
Aktualisiert am 27.09.2023 um 17:46 Uhr. d. R.
27 Sep 2023
## LINKS
[1] /Pro-Asyl-Juristin-ueber-neue-EU-Verordnung/!5948775
[2] /Streit-um-Krisenverordnung/!5963001
[3] /Asylrecht-in-der-EU/!5946395
[4] /Aufruf-von-Menschenrechtsorganisationen/!5945575
## AUTOREN
Daniel Bax
Frederik Eikmanns
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