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# taz.de -- Olaf Scholz in Westafrika: Alibi-Werbereise
> Der Kanzler wirbt für Deutschland um „Talente“. Eigentlich geht es ihm
> aber um die Rücknahme von Nigerianer*innen, die schon in Deutschland
> sind.
Bild: Die Lagune der Wirtschaftsmetropole Lagos in Nigeria, dem wirtschaftsstä…
Cotonou taz | Vor dem Abflug war es nur einen Halbsatz wert. Doch vor Ort
in Nigerias Hauptstadt Abuja sowie in der Wirtschaftsmetropole Lagos wurde
Migration zu einem zentralen Thema der dritten Afrikareise von
Bundeskanzler Olaf Scholz.
Gleich zu Beginn seiner [1][dreitägigen Reise nach Nigeria und Ghana] sagte
Scholz, es gehe um die „Öffnung von Möglichkeiten für Talente aus Nigeria,
in Deutschland auf Basis legaler Migration berufstätig zu sein“.
Gleichzeitig müsse irreguläre Migration zurückgedrängt werden. „Das geht
nur in enger Kooperation miteinander, zum Beispiel auch durch
Migrationsabkommen.“
In Deutschland leben nach amtlichen Angaben knapp 14.000 ausreisepflichtige
Asylbewerber:innen aus Nigeria, von denen etwa 12.500 geduldet sind,
weil sie keine Ausweispapiere haben. Ihre Rückführung gilt deswegen als
schwierig. Dieser hat Präsident Bola Tinubu immerhin generell zugestimmt,
solange es sich denn tatsächlich um Nigerianer:innen handelt.
Sein Vorhänger Muhammadu Buhari hatte im Jahr 2018 bei einem Treffen mit
der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel das Thema komplett ignoriert.
Unterzeichnet wurde aber auch von Tinubu nichts.
## „Als sei er der Präsident“
Rex Osa, der 2005 aus Nigeria nach Deutschland flüchtete, äußert sich
gegenüber der taz am Telefon enttäuscht. „Ich hatte gehofft, dass Präsident
Tinubu deutlich seine Meinung vertritt. Doch Scholz hat sich so aufgeführt,
als sei er der Präsident.“
Osa ärgert sich über „Doppelmoral“. Er meint: „Auf der einen Seite will…
Bundesregierung um nigerianische Fachkräfte werben. Auf der anderen Seite
[2][will sie Menschen, die längst in Deutschland sind, hier arbeiten und
Steuern zahlen, abschieben]. Andere erhalten immer nur für kurze Zeit eine
Duldung und hängen ständig in der Luft. Das ist absurd.“ Laut Osa würden
zahlreiche Abgeschobene keine Hilfe bekommen, wenn sie in Nigeria landen.
„Sie sind gestrandet und wissen nicht, wohin sie gehen sollen.“
In der südnigerianischen Stadt Benin City arbeitet Doris Ogbeifun seit
Jahren zu Menschenhandel und Migration. „Selbstverständlich ist Deutschland
ein souveräner Staat, der seine Entscheidungen trifft. Migration ist aber
auch ein Menschenrecht“, findet sie.
Auf Scholz’ Besuchsprogramm stand auch der Besuch eines
„Migrationszentrums“ in Lagos, wo potenziellen Migrant:innen sowie
Rückkehrer:innen Fragen beantwortet werden sollen. „Es mag ein gut
gemeinter Ansatz sein, aber die Realität in Nigeria ist düster“, sagt dazu
Stanley Achonu, Direktor der nichtstaatlichen Organisation One Nigeria.
Junge Menschen suchten bessere Chancen sowie Sicherheit. „Es braucht
ganzheitliche Lösungen, damit sie sich wieder eine Zukunft in Nigeria
vorstellen können.“
## Eigentlich sollte es um Wirtschaftsthemen gehen
Dazu gehören für Aktivistin Adenike Oladosu auch ökologische Maßnahmen.
Scholz sagte vor der Reise, Deutschland habe einen erheblichen Bedarf an
Flüssiggas und perspektivisch auch an Wasserstoff. „Mit Gas gelingt es uns
nicht, eine grünere Welt zu schaffen“, kritisiert Adenike Oladosu. Nigeria
brauche einen massiven Ausbau von erneuerbaren Energien. „Nigeria hat viel
Potenzial, und das schafft Millionen von Jobs.“
Laut Programm hätte die Reise im Zeichen von Wirtschaftsthemen stehen
sollen. Vor allem Ghana gilt als interessant für deutsche Unternehmen. Doch
auch in Ghana herrscht längst Zurückhaltung. Die Wirtschaft kriselt, die
Instabilität der angrenzenden Sahelstaaten droht sich auszubreiten. Bei den
Gesprächen zwischen Präsident Nana Akufo-Addo und Olaf Scholz in Accra ging
es denn auch um militärische Zusammenarbeit.
31 Oct 2023
## LINKS
[1] /Steinmeier-besucht-Tansania/!5966718
[2] /Olaf-Scholz-Aeusserungen-zur-Migration/!5965141
## AUTOREN
Katrin Gänsler
## TAGS
Nigeria
Ghana
Olaf Scholz
Bundesregierung
Migration
Elfenbeinküste
Nigeria
Hendrik Wüst
SPD
Schwerpunkt Flucht
Asylrecht
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