| # taz.de -- Fortschritt in Westafrika: Hoffen auf eine andere Zukunft | |
| > Benin und die Elfenbeinküste zeigen eine bemerkenswerte Bilanz. Gutes | |
| > Regieren kann funktionieren – ohne westliche Einmischung. | |
| Bild: Immer mehr Kinder in Benin gehen zur Schule | |
| Anhaltende politische Krisen in vielen Ländern Afrikas werfen die Frage der | |
| Sinnhaftigkeit vieler Vorhaben der Zusammenarbeit mit diesem Kontinent auf. | |
| Es ist leider eine Tatsache, dass sich die putschenden Militärs im Sahel – | |
| [1][und auch ihre russischen Unterstützer – auf eine begeisterte Zustimmung | |
| eines weiten Teils der jungen Bevölkerung stützen können]. Viele der jungen | |
| Leute haben einen Schul- oder Hochschulabschluss und wissen dank Internet, | |
| wie es im Rest der Welt aussieht. | |
| Die Mehrzahl von ihnen hat aber keine ordentliche Beschäftigungsperspektive | |
| und muss sich mit Gelegenheitsjobs durchschlagen. Das Ergebnis ist Wut – | |
| Wut auf die alten Eliten, Wut auf den Westen, die angeblich oder | |
| tatsächlich dafür verantwortlich sind, dass diese jungen Leute heute keine | |
| Perspektive haben. Was tun? Es braucht vor allem Regierungen in Afrika, die | |
| ihren Job ordentlich machen, die „liefern“ und die es schaffen, in der | |
| Bevölkerung zumindest Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu wecken. Und | |
| solche Regierungen gibt es – zum Beispiel in Benin und in der | |
| Elfenbeinküste. | |
| In Benin wurde 2016 der reichste Mann des Landes, [2][Patrice Talon], zum | |
| Präsidenten gewählt. Und in der Elfenbeinküste kam der gewählte Präsident | |
| [3][Alassane Ouattara] 2010 mithilfe französischer Militärs an die Macht, | |
| nachdem sich sein Vorgänger geweigert hatte, seine Wahlniederlage | |
| anzuerkennen. Beide Präsidenten können seit Amtsantritt eine bemerkenswerte | |
| wirtschaftliche und soziale Bilanz vorweisen. | |
| Während die Elfenbeinküste jährliche Wachstumsraten von 7 bis 8 Prozent | |
| aufweist, kommt Benin immerhin auf 6 Prozent, obwohl das benachbarte | |
| Nigeria, das direkt und indirekt rund ein Drittel zum beninischen | |
| Sozialprodukt beiträgt, seit Jahr und Tag kriselt. | |
| ## Mehr Geld, steigende Nachfrage | |
| Die landwirtschaftliche Produktion, Pfeiler der Ökonomie der | |
| Elfenbeinküste, konnte deutlich gesteigert werden, und zwar sowohl der cash | |
| crops – Lebensmittel wie Bananen für den Export – wie auch der | |
| Nahrungsmittel für die Binnennachfrage. Die Energieversorgung hat sich | |
| drastisch verbessert. Aber auch im sozialen Bereich sind die Fortschritte | |
| bemerkenswert. | |
| Die Kindersterblichkeit konnte seit 2010 von 95 auf 23 Fälle pro 1.000 | |
| Geburten gesenkt, die Einschulung in Grundschulen von 89 auf fast 97 | |
| Prozent der Kinder gesteigert werden. Der Anteil der Armen an der | |
| Gesamtbevölkerung sinkt deutlich. | |
| Ähnlich sieht es in Benin aus, wo es Patrice Talon gelang, die Produktion | |
| von Baumwolle – dem wichtigsten Exportgut und Devisenbringer des Landes – | |
| innerhalb von vier Jahren zu verdreifachen. Mit dem Ziel, das Land | |
| schrittweise aus dem Status eines reinen Rohstoffproduzenten | |
| herauszuführen, fördert Talon die Textilproduktion. Auch in Benin wurde | |
| kräftig in den sozialen Sektor investiert. So verfügen jetzt drei Viertel | |
| der Grundschulen über eine eigene Schulkantine, was Schüler zum Schulbesuch | |
| motiviert. Der Aufbau einer flächendeckenden Krankenversicherung für alle | |
| schreitet voran. | |
| Alles gut also? Beide Präsidenten, Talon und Ouattara, sind vermögend, was | |
| Kritik hervorruft. Und wenn Talon es schafft, den Baumwollsektor | |
| anzukurbeln, dann profitieren natürlich auch seine Unternehmen davon, die | |
| er zurzeit treuhänderisch verwalten lässt. Dennoch, als in den vergangenen | |
| Jahren die Düngemittelpreise anstiegen, hatte er die Entkörnungsanlagen des | |
| Landes – 80 Prozent gehören ihm – angewiesen, die Düngemittelpreise | |
| zugunsten der Bauern und zulasten ihrer Gewinne zu subventionieren. Beide | |
| Präsidenten sind nach allem, was man weiß, nicht korrupt. | |
| Während sich in der Elfenbeinküste nach den instabilen Bürgerkriegszeiten | |
| Schritt für Schritt wieder eine recht stabile Mehrparteiendemokratie | |
| etabliert hat, wird Talon vorgehalten, den Niedergang der Demokratie | |
| herbeizuführen. Hintergrund ist, dass Talon in das Parteiensystem eingriff, | |
| das aus vielen Dutzend Parteien mit weitgehend kaum zu unterscheidenden | |
| Programmen, aber den Egos vieler Parteivorsitzender bestand: Talon setzte | |
| eine Verfassungsänderung durch, nach der zu Wahlen zugelassene Parteien im | |
| ganzen Land vertreten sein und bei Wahlen mindestens 10 Prozent erzielen | |
| müssen. | |
| ## Opposition funktioniert | |
| Das führte bei den Parlamentswahlen 2019 dazu, dass sich die Opposition | |
| weigerte anzutreten und damals nur zwei ihm freundlich gesinnte Parteien | |
| ins Parlament kamen. Bei den Wahlen 2023 änderte sich die Situation aber | |
| wieder. Talons Widersacher, Ex-Präsident Boni Yayi, zog wieder ins | |
| Parlament ein und wurde mit seiner Partei zur stärksten Oppositionskraft. | |
| Letztlich hat die von Talon angestrebte „Bereinigung“ der | |
| Parteienlandschaft aus demokratischer Sicht funktioniert. | |
| In der hiesigen Diskussion über die Demokratie in Afrika ist zu hören, dass | |
| wir den Afrikanern nicht unsere Demokratiemodelle aufzwingen dürften. Indes | |
| ist das dominierende afrikanische Regierungsmodell – mit einem starken | |
| Präsidenten, einer Einparteiherrschaft, bei der politische Entscheidungen | |
| jenseits der Öffentlichkeit zwischen den verschiedenen Interessengruppen | |
| und traditionellen Führern austariert werden – nicht mehr zeitgemäß. | |
| Es wird auch von den jungen Leuten nicht mehr akzeptiert, zumal dieses | |
| System extrem korruptionsanfällig ist. Richtig ist aber, dass die | |
| afrikanischen Staaten auf dem Weg zur Demokratie gute Argumente haben | |
| können, etwas anders zu verfahren, als es den Vorstellungen ihrer | |
| westlichen Partner entspricht. | |
| Talon in Benin und Ouattara in der Elfenbeinküste werden allerdings | |
| beweisen müssen, dass sie nicht an der Macht kleben, sondern sich an die | |
| Verfassung halten. [4][Talon müsste 2025 seine zweite Amtszeit] beenden; | |
| Ouattara wollte am Ende seiner zweiten Amtszeit nicht mehr antreten, hatte | |
| sich dann aber aufgrund des plötzlichen Todes seines von ihm | |
| vorgeschlagenen Nachfolgers doch noch für eine Verfassungsänderung und eine | |
| dritte Runde entschieden. | |
| 10 Jan 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Roger Peltzer | |
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