# taz.de -- Ex-Präsident Henri Konan Bédié: „Sphinx“ der Elfenbeinküste… | |
> Henri Konan Bédié hat die Elfenbeinküste als stabiles Land geerbt und als | |
> zerrissene Nation hinterlassen. Nun ist er mit 89 gestorben. | |
Bild: Der Ex-Präsident der Elfenbeinküste Henri Konan Bédié nimmt am 12.09.… | |
Als Henri Konan Bédié am 7. Dezember 1993 Präsident der Elfenbeinküste | |
wurde, genügte dem Pariser Magazin Jeune Afrique ein Satz in Form eines | |
Steckbriefes: „1,65 Meter, Bäuchlein, näselnde Stimme, feine Manieren und | |
olympische Ruhe“. Schon ewig gehörte der damals 59-Jährige mit dem | |
Spitznamen „Sphinx“ zum politischen Inventar. Bédié war die ewige Nummer | |
zwei hinter Staatsgründer Félix Houphouët-Boigny gewesen, der von 1960 bis | |
1993 regierte. Dann blieben ihm aber nur gut sechs Jahre im Amt bis zu | |
einem Militärputsch zu Heiligabend 1999. Er hatte die Elfenbeinküste als | |
stabilstes Land in Westafrika geerbt – er hinterließ eine zerrissenen | |
Nation, es folgten über zehn Jahre Wirren und Bürgerkrieg, wovon sich die | |
Elfenbeinküste erst allmählich erholt. | |
Mit Bédié stirbt jetzt im Alter von 89 Jahren der erste von drei Giganten, | |
deren Wechselspiel von Freund- und Feindschaft seit Jahrzehnten im | |
mächtigsten Land des ehemaligen Französisch-Westafrika die Politik | |
bestimmt. Die anderen – der Sozialist Laurent Gbagbo, 2000–2011 Präsident, | |
und der Liberale Alassane Ouattara, seit 2011 Staatschef – sind erst 78 | |
beziehungsweise 81. Aber auch ihre Zeit läuft ab, ein Generationenwechsel | |
erscheint überfällig. | |
Bédié ist einer der letzten Vertreter einer aussterbenden Generation, | |
geprägt von der Kolonialzeit und von Frankreich als Vorbild. Er studierte | |
in den 1950er Jahren in Paris. Als am 7. August 1960 die unabhängige | |
Elfenbeinküste entstand, war er gerade Praktikant bei der französischen | |
Botschaft in den USA. So wurde aus dem französischen Diplomatenlehrling in | |
Washington ein ivorischer Diplomat in Washington – genau wie sich | |
Frankreich die Auflösung seiner Kolonialreiche vorstellte: Die Form | |
wechselt, der Inhalt und das Personal bleibt. | |
## Bédié erfand den Hetzbegriff der „Elfenbeinigkeit“ | |
Die Elfenbeinküste blieb nach 1960 [1][Frankreichs treuester Freund] in | |
Westafrika, in Abgrenzung von unsicheren Kantonisten wie Guinea und Mali. | |
Viel hat sich also nicht geändert. Aber Bédiés Werdegang entspricht der | |
Tragik einer Nation, die sich schwer damit tat, eine eigene postkoloniale | |
Identität zu finden, ohne daran zu zerbrechen. | |
Als Vertreter der Mehrheitsethnie der Baoulé aus dem zentralen Kakaogürtel | |
setzte Bédié sich beim Kampf um Houphouëts Nachfolge 1993 gegen Ouattara | |
durch, einen Muslim aus dem hohen Norden. Bédié erfand dann den Hetzbegriff | |
der „Ivoirité“, die „Elfenbeinigkeit“, die „Einheimische“ als loya… | |
von „Zugezogenen“ unsicherer Loyalität, vor allem aus muslimischen | |
Nachbarländern, abgrenzt. Später trieb der Sozialist Gbagbo die „Ivoirité�… | |
auf die Spitze, was die Elfenbeinküste in den Bürgerkrieg stürzte – da fand | |
sich Bédié mit Ouattara in der Opposition wieder und unterstützte diesen | |
bei seinem Wahlsieg 2010, der 2011 erst dank einer französischen | |
Militärintervention gegen Gbagbo durchgesetzt werden konnte. | |
Bédié hoffte damals, Ouattara später zu beerben und an die Macht | |
zurückzukehren. [2][Aber Ouattara tat ihm weder 2015 noch 2020 den | |
Gefallen], auf die Wiederwahl zu verzichten. Nun ist Bédié in einer Klinik | |
in Abidjan verstorben. In der Nacht zu Mittwoch wurde die Nachricht im | |
Staatsfernsehen bekanntgeben. | |
Jetzt preisen parteiübergreifend ivorische Politiker den „Staatsmann“, den | |
„Giganten“, das „Denkmal“. Zu Lebzeiten ließ sich Bédiés Traum, die … | |
1999 hinterlassenen Scherben der Elfenbeinküste wieder zusammenzukehren, | |
nicht realisieren. Erst mit seinem Tod wird die nationale Einheit, für ein | |
paar Tage wenigstens, Realität. Im turbulenten Westafrika dürfte das mit | |
Aufmerksamkeit registriert werden. | |
2 Aug 2023 | |
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## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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