# taz.de -- Olaf Scholz in Westafrika: Vorbei an der Realität | |
> Olaf Scholz wollte in Nigeria einen härteren Kurs gegen Migration fahren. | |
> Ihm und Präsident Bola Tinubu fehlt aber das Verständnis für die | |
> Ursachen. | |
Bild: Bundeskanzler Olaf Scholz bei einer Bootsfahrt auf seiner Nigeria-Reise a… | |
Bundeskanzler Olaf Scholz konnte wohl nicht anders. Der über Monate | |
aufgebaute Druck auf die Bundesregierung, einen härteren Kurs [1][in Sachen | |
Migration] zu fahren und mehr Menschen zügiger abzuschieben, hat sich | |
während seiner Reise nach Nigeria entladen. | |
In der Pressekonferenz mit Präsident Bola Tinubu geht es darum, im Gespräch | |
mit Journalist:innen ebenfalls. Und die Fotos vom Besuch eines | |
Migrationszentrums in der Wirtschaftsmetropole Lagos dürfen ebenfalls nicht | |
fehlen. Dabei sind die knapp 14.000 Nigerianer:innen in Deutschland | |
ohne Bleibeperspektive eine verschwindend geringe Zahl: Allein in Lagos | |
leben rund 20 Millionen Menschen. | |
Was wieder fehlt, ist das Verständnis, warum Menschen das Land verlassen | |
wollen. Die Sicherheitslage ist schlecht, die wirtschaftliche Situation | |
katastrophal; die Inflationsrate liegt bei knapp 27 Prozent. Millionen | |
Familien leben in der Abwärtsspirale. Verliert ein Elternteil den Job, ist | |
die [2][Zukunft der Kinder] dauerhaft gefährdet. Das Glück anderswo zu | |
versuchen, ist allzu nachvollziehbar. Doch auch hier gilt: Die Zahl derer, | |
die das Land verlassen, ist minimal. Nigeria hat 220 Millionen | |
Einwohner:innen. | |
Migrationszentren ändern daran nichts. Durch sie entstehen keine Jobs, die | |
so bitter nötig sind. Wie in vielen Teilen der Welt werden die ohnehin über | |
Beziehungen vergeben. Informationen über den deutschen Jobmarkt lassen sich | |
ebenfalls anderswo finden. | |
Besser ohne Staat | |
Auch Programme zur Wiedereingliederung gibt es zahlreiche. In Städten wie | |
Benin City, Migrationsdrehkreuz des Landes, fragt man sich, wie viele | |
Frisörinnen und Schneiderinnen noch ausgebildet werden sollen. | |
In der Verantwortung dafür ist natürlich auch der nigerianische Staat, der | |
strukturelle Probleme bekämpfen muss: Dazu würde eine verbesserte | |
Sicherheitslage gehören, der Ausbau der Infrastruktur, des Stromnetzes und | |
des Gesundheitssystems. Vor allem aber muss es Vertrauen in den Staat | |
geben. In Nigeria vertreten viele die Ansicht: Ohne den Staat geht es | |
besser als mit ihm. | |
31 Oct 2023 | |
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## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
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