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# taz.de -- Die IG Metall und das Verbrenner-Aus: Gewerkschaft gegen Klimaziele
> Die IG Metall springt auf den Zug der Autolobby auf und fordert
> schwächere CO₂-Grenzen für Fahrzeuge. Das soll angeblich Arbeitsplätze
> sichern.
Bild: Die IG-Metall ist gegen das schnelle Verbrenner-Aus: Ein Porsche Panamera…
Berlin taz | Jetzt auch noch die IG Metall. Die Gewerkschaft hat sich am
Donnerstag der deutschen Autolobby angeschlossen und schwächere
Klimavorgaben für die Branche gefordert. Zusammen mit dem Verband der
Automobilindustrie (VDA) wirbt die IG Metall für „Flexibilisierungen“ der
europäischen CO2-Regeln. Das Ziel sei, so schreiben es die Gewerkschaft und
der VDA, Arbeitsplätze in der Automobilindustrie zu sichern.
IG-Metall-Chefin Christiane Benner plädierte gleichzeitig gegenüber dem
Portal The Pioneer für mehr Flexibilität: „Jobs zu sichern bedeutet auch
einen pragmatischeren Umgang mit Hybridtechnologien und erneuerbaren
Kraftstoffen.“
EU-Gesetze schreiben vor, dass ab 2035 keine Neuwagen mehr mit Benzin- oder
Dieselmotor verkauft werden dürfen. Eine Ausnahme gilt für neue Autos, die
mit sogenannten E-Fuels fahren. Die Kraftstoffe gelten als CO2-neutral,
wenn sie aus grünem Strom und Kohlendioxid aus der Luft hergestellt werden
– sind aber umstritten, weil die Produktion sehr energieaufwendig und teuer
ist. Deutlich effizienter ist es, die Energie direkt zum Laden eines
E-Autos zu nutzen, sagen Klimaexpert:innen.
Bis das Verkaufsverbot für Verbrenner in Kraft tritt, müssen die Autobauer
in Europa die durchschnittlichen Emissionen ihrer verkauften Neuwagen
senken. Seit 2025 darf ein Pkw einer Neuwagenflotte im Durchschnitt 93,6
Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Nach [1][Angaben des
Bundesumweltministeriums] entspricht das bei einem Benziner einem Verbrauch
von rund 4,1 Liter Sprit pro 100 gefahrenen Kilometern. Vorher lag der
Flottengrenzwert bei 116 Gramm CO2 pro Kilometer.
Wenn ein Autokonzern die Vorgaben reißt, sollte er ursprünglich eine Strafe
zahlen. Erst im Frühling aber war die Europäische Kommission den
Herstellern entgegengekommen, sie haben nun mehr Zeit, die Grenzwerte
einzuhalten. Wer die Ziele in diesem Jahr verfehlt, kann sie mit umso
niedrigeren durchschnittlichen CO2-Emissionen 2026 und 2027 ausgleichen.
Strafzahlungen für ein einzelnes Jahr fallen weg.
## VDA und IG Metall: E-Auto-Markt wachse zu langsam
Seit die EU die Emissionsziele für die Autoindustrie festgelegt hat, hätten
VDA und IG Metall darauf hingewiesen, „dass die Ziele sehr ambitioniert
sind und nur bei rechtzeitiger Schaffung der Rahmenbedingungen erreicht
werden können“. Das sei nicht geschehen, heißt es [2][in der gemeinsamen
Erklärung] weiter. Der Markt für vollektrische Autos wachse zu langsam.
„Vor diesem Hintergrund ist das Ziel für 2035 ohne kurzfristige Korrekturen
nicht mehr erreichbar“, schreiben die Gewerkschaft und der Lobbyverband.
In ihrer Erklärung sprechen sie sich zwar dafür aus, die Elektromobilität
weiter zu fördern – zum Beispiel müsse die Ladeinfrastruktur weiter
ausgebaut, Ladestrom billiger und eine EU-weite Regelung für das sogenannte
bidirektionale Laden eingeführt werden. Dabei dienen Fahrzeuge als mobile
Energiespeicher: Strom fliesst also zusätzlich aus der Batterie eines
Elektroautos zurück in ein Haus oder ins Stromnetz.
Genauso aber wollen IG Metall und VDA, dass umstrittene
Plug-In-Hybridmodelle mit einem Verbrennungs- und einem E-Motor weiter mit
sehr niedrigen CO2-Werten in die Bilanz eingehen dürfen. Und: Es brauche
zusätzliche europäische Vorgaben, damit auch nach 2035 sicher noch
Verbrenner verkauft werden dürfen, die E-Fuels im Tank haben.
Dabei sprechen mehrere, vor Kurzem veröffentlichte wissenschaftliche
Studien gegen das, was der Verband und die Gewerkschaft in ihrer Erklärung
schreiben. „Die IG Metall begibt sich auf einen Holzweg, wenn sie dem VDA
bei der Forderung nach der Verwässerung der Regulierung von
Plug-In-Hybriden folgt“, warnte Sebastian Bock, Geschäftsführer des
Verkehrswendeverbands Transport & Environment (T&E).
[3][Laut einer Analyse], die T&E erst am Mittwoch herausgegeben hatte,
verursachen Plug-In-Hybride in der Realität fast fünf Mal so viele
Emissionen wie auf dem Papier. „Das ist nicht nur schlecht für das Klima,
sondern auch teuer für Autofahrer:innen, die den höheren Verbrauch an der
Tankstelle bezahlen müssen“, kritisiert Bock.
## E-Fuels: weder energie- noch kosteneffizient
Auch E-Fuels hätten einen hohen Preis – nicht nur für die Autofahrenden,
sondern auch für die Industrie. [4][Eine Studie der Initiative
Klimaneutrales Deutschland] kommt zu dem Ergebnis: „Für den Pkw-Massenmarkt
sind E-Fuels weder energie- noch kosteneffizient.“ Die Elektrifizierung des
Pkw-Verkehrs bleibe die erste Wahl, sagt Helena Wisbert, Mitautorin der
Studie und Professorin für Automobilwirtschaft an der Ostfalia Hochschule
in Wolfsburg.
Wenn die EU die Flottengrenzwerte aufweiche, drohe in den nächsten zehn
Jahren [5][eine Million Jobs in der europäischen Autoindustrie verloren zu
gehen], ergab eine weitere Studie von T&E. Würden die aktuellen Klimaziele
hingegen mit zusätzlichen Maßnahmen zur Förderung der Elektromobilität
kombiniert, fielen nur vier Prozent der Stellen weg. Die Studie stand für
Teile ihrer Methodik in der Kritik, die Grundaussage aber segneten
unabhängige Wissenschaftler:innen ab: Je besser der Umbau auf
vollelektrische Mobilität gelingt, desto mehr Jobs bleiben bestehen.
Außerdem seien die meisten Autobauer auf Kurs, die CO2-Grenzwerte 2027
einzuhalten, wie eine [6][Marktanalyse des International Council on Clean
Transportation (ICCT)] zeigt. Das sei steigenden E-Autoverkäufen, besonders
auch in Deutschland, zu verdanken. Falls die europäische Politik
E-Mobilität nicht konsequent weiter fördere, könnten die hiesigen Autobauer
im Vergleich zur internationalen Konkurrenz aber wieder ins Hintertreffen
geraten, mahnt der ICCT.
Die Botschaft scheint klar. Für eine echte Wende hin zur E-Mobilität,
sichere Jobs inklusive, braucht es noch mehr politischen Rückenwind, die
Richtung aber stimmt bisher. Auch auf der IAA Mobility, der weltweit
größten Mobilitätsmesse, präsentierte die Branche neue Produkte, die die
E-Autoverkäufe weiter in anschieben könnten – elektrische Kleinwagen ab
25.000 Euro zum Beispiel, oder Boxen fürs bidirektionale Laden eines Pkw,
mit denen der Strom aus dem Auto zurück ins Netz gespeist werden kann. In
den Münchner Messehallen, wo die IAA am Freitag zu Ende geht, waren
[7][Testfahrten mit E-Autos so gefragt wie nie].
## Autogipfel in Brüssel
Trotzdem ließen der VDA, Ausrichter der Messe, und deutsche Autobauer wie
Mercedes-Benz kaum eine Gelegenheit aus, um sich für eine Aufweichung des
Verbrennerverbots stark zu machen. Und nun lasse sich auch die IG Metall
„von der Verbrenner-Lobby vor den Karren spannen“, kritisiert Marion
Tiemann, Verkehrsexpertin bei Greenpeace. „Sich jetzt an eine gestrige
Technik zu klammern, heißt, morgen vielleicht gar keine Arbeitsplätze mehr
zu haben.“
Der Zeitpunkt der gemeinsamen Erklärung von VDA und IG Metall ist wohl kein
Zufall: Am diesem Freitag trifft sich Ursula von der Leyen, die Vorsitzende
der EU-Kommission, mit der europäischen Autoindustrie in Brüssel zu einem
sogenannten Strategiedialog.
12 Sep 2025
## LINKS
[1] https://www.bundesumweltministerium.de/themen/verkehr/haeufig-gestellte-fra…
[2] https://www.igmetall.de/presse/pressemitteilungen/jetzt-arbeitsplaetze-in-d…
[3] /Plug-in-Hybrid-Autos/!6113166
[4] https://initiative-klimaneutral.de/publikationen/e-fuels-volkswirtschaftlic…
[5] /Wandel-in-der-Industrie/!6096053
[6] https://theicct.org/publication/ev-transition-check-sep25/
[7] https://www.vda.de/de/presse/Pressemeldungen/2025/250909_PM_IAA-MOBILITY_20…
## AUTOREN
Nanja Boenisch
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