# taz.de -- Rohstoffexporte aus der DR Kongo: Dieser Zug endet hier | |
> Die USA und Europa suchen einen besseren Zugang zu Kongos Kupfer- und | |
> Kobaltvorkommen, mit einem ambitionierten Bahnprojekt. Was fehlt: die | |
> Bahn. | |
Bild: Die Schienen des Lobito-Korridors hängen an manchen Stellen durch, sind … | |
Kolwezi taz | Die Schienen sind nur noch ein paar Meter entfernt, doch die | |
Frau im bunten Gewand guckt nur geradeaus. Kein Blick nach links, kein | |
Blick nach rechts. Sie hebt müde ihren Fuß, tritt in das Gleisbett – und | |
läuft weiter. So als gäbe es diese Schienen gar nicht. So als könne sie | |
sicher sein, dass hier niemals ein Zug vorbei donnert. Mit ein paar | |
Schritten Abstand folgen ihre Kinder. Zwei Mädchen und ein Junge. Auch sie | |
schauen nicht, ob da was kommt. Dabei queren sie die vielleicht wichtigsten | |
Bahngleise der Demokratischen Republik Kongo. In der Theorie zumindest. | |
Die Schienen winden sich durch Kolwezi, eine Millionenstadt im Süden des | |
zentralafrikanischen Landes. Einstöckige, schlecht verputzte Gemäuer mit | |
Wellblechdächern erstrecken sich bis zum Horizont. Dazwischen sind | |
rotbraune Hügelketten zu sehen, mit Kratern, die mitunter Hunderte Meter in | |
die Tiefe reichen. Kolwezi ist das Zentrum des [1][kongolesischen Bergbaus] | |
und damit einer der wichtigsten Orte im globalen Ringen um die Rohstoffe | |
der Zukunft. Die USA und Europa wollen die Eisenbahn aus Kolwezi nutzen, um | |
Kupfer und Kobalt gen Westen zu exportieren. Sie haben milliardenschwere | |
Investitionen angekündigt. | |
Am Bahnhof von Kolwezi scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Das | |
Gelände, im Schatten eines Baumwalles, liegt mitten in der Stadt, aber der | |
Vorplatz aus braunem Schotter ist menschenleer. Eine Dampflok steht herum, | |
ein Deko-Objekt, das bald 100 Jahre alt sein dürfte. Am Hauptgebäude im | |
Kolonialstil zeigt die Uhr 18.21, dabei ist es mitten am Tag. Im Vorzimmer | |
des Direktors der [2][Nationalen Eisenbahngesellschaft (SNCC)] liegt ein | |
Kalender mit einem Titelbild von Barack Obama, US-Präsident von 2009 bis | |
2017. | |
Louis Kakudji, raspelkurze Haare, markanter Bart an Oberlippe und Kinn, | |
pocht darauf, dass von stehengebliebener Zeit überhaupt keine Rede sein | |
kann. Der lokale Direktor der SNCC sitzt inmitten einer klobigen | |
Sofalandschaft, die ungefähr die Hälfte seines ausladenden Büros füllt. | |
„Wir arbeiten bereits an mehreren Stellen an der Strecke“, versichert er. | |
Im Laufe der Woche könnte es sogar möglich sein, beim Verladen von Kupfer | |
auf die Züge dabei zu sein, die schon gen Westen rollen. Es fehlten nur | |
noch ein paar Genehmigungen, damit er dem Journalisten aus Deutschland den | |
Fortschritt des Projekts zeigen könne. Genehmigungen von „höheren“ Stelle… | |
hebt Kakudji hervor. | |
Die Bahnstrecke, um die es geht, ist viel größer als der Abschnitt, der | |
sich durch Kolwezi windet. Die Gleise sollen eines Tages eine effiziente | |
Verbindung vom sogenannten Kupfergürtel Zentralafrikas in den mehr als | |
1.000 Kilometer weiter westlich gelegenen Hafen Lobito in Angola bilden. | |
Deshalb heißt das Projekt „[3][Lobito-Korridor]“. Statt in mehreren Wochen | |
mit Lkws soll es mit dem Zug künftig in ein paar Tagen möglich sein, | |
Rohstoffe aus Kolwezi an den Atlantik zu bringen. Eine zweite Trasse ist | |
vom benachbarten Sambia aus geplant, wo es ebenfalls große | |
Mineralienvorkommen gibt. | |
Inmitten der Sofagarnitur in Kakudjis Büro liegt auf einem Beistelltisch | |
ein Stapel Bücher. Auf den Umschlägen prangen Zeichnungen von alten | |
Dampflokomotiven, die sich entlang der Küste und durch den Dschungel | |
schleppen. „Die Schienen in Belgisch-Kongo“, heißt die Sammlung. In Band I | |
geht es um die Zeit von 1890 bis 1920. In Band II um die Epoche bis 1945. | |
Der Lobito-Korridor ist ein Projekt mit historischen Dimensionen. Es geht | |
nicht darum, eine neue Bahnstrecke zu schaffen, sondern eine alte wieder | |
aufblühen zu lassen. | |
Die ersten Schienen in der Region wurden 1902 in Angola gelegt, zu der Zeit | |
eine portugiesische Kolonie. Das Ziel war schon damals: Zugang zu den | |
Bodenschätzen des damaligen Belgisch-Kongo. Portugal und Belgien waren zwei | |
besonders brutale Kolonialmächte, die Extraktion von Rohstoffen ohne | |
Rücksicht auf die Bevölkerung hatte Priorität. | |
Im Jahr 1929 erreichten die Gleise die Grenze zu Kongo. Gegen Ende der | |
Kolonialherrschaft in Angola, im Jahr 1973, wurden über die damals | |
[4][Benguela-Bahn] genannte Trasse mehr als 3,3 Millionen Tonnen Ladung | |
transportiert. 60 Prozent des Kupferexports aus Kongo und 45 Prozent aus | |
Sambia – beides mittlerweile unabhängige Staaten. | |
Nach Angolas Unabhängigkeit 1975 verfiel das Land in einen Bürgerkrieg, der | |
fast drei Jahrzehnte dauern sollte. Die Bahnlinie verwahrloste. Am Ende | |
waren nur noch drei Prozent nutzbar. Auf kongolesischer Seite verfiel die | |
Infrastruktur unter Diktator Mobutu Sese Seko komplett, ab 1996 rutschte | |
auch dieses Land in einen langen Krieg. Erst nach der Jahrtausendwende | |
fanden beide Länder wieder einigermaßen zu Stabilität. | |
Wer im Angesicht der globalen Klimakrise die Zukunft gestalten will, | |
braucht Kupfer und Kobalt. Kupfer gilt wegen seiner hohen Leitfähigkeit als | |
Schlüsselmetall der Energiewende – moderne Solarpaneele und Stromnetze sind | |
ohne kaum denkbar. Kobalt wiederum ist ein unverzichtbarer Bestandteil | |
wiederaufladbarer Batterien, rund acht Kilogramm stecken in einem | |
[5][Elektroauto]. Außerdem ist es kritisch für Superlegierungen, die etwa | |
im Flugzeug- und Waffenbau gebraucht werden. | |
Von beiden Metallen verfügt die [6][DR Kongo über einige der größten | |
Vorräte] der Welt. Beim Kupfer ist Kongo nach Chile das zweitgrößte | |
Förderland der Welt, bei [7][Kobalt liefert Kongo vier Fünftel der globalen | |
Fördermenge]. Und die Reserven in Kongos Südregion Katanga sind immens. | |
## „Das Gelb-Grünliche da, das ist Kupfer“ | |
In Kolwezi liegen diese milliardenschweren Schätze direkt unter der Erde. | |
Auf einer dicht bewachsenen Anhöhe am Rande der Stadt steht Christian Ngoy | |
vor einem schwarzen Loch. Dort will er hinein. Er schlüpft in eine | |
neongelbe Weste. Sollte er verschüttet werden, wäre er darin leichter zu | |
finden. Auch eine Wollmütze stülpt er sich über. Sie bietet Schutz vor | |
Stößen und Kratzern. Darüber schnallt er eine pink-grüne Plastikstirnlampe. | |
Ngoy steigt hinab. Die Wände sind feucht, und die Stufen, die er mit seinen | |
Kameraden alle paar Meter in die Erde geschlagen hat, bieten gerade genug | |
Platz für die Spitzen seiner Turnschuhe. Ngoy steigt etwa fünf Meter | |
senkrecht in die Tiefe. So erreicht er einen ersten Quergang, die erste | |
„Galerie“. Gebückt kriecht er hindurch, dann geht es tiefer hinab. Ungefä… | |
zehn Meter runter in einem Schacht, der kaum einen Meter breit ist. | |
Das Licht von Ngoys Stirnlampe schneidet grelle Keile in die Dunkelheit. An | |
einigen Stellen glitzert das Gestein auf. „Das Gelb-Grünliche da, das ist | |
Kupfer“, sagt er. „Und das Schwarze, das ist eine Mischung aus Kupfer und | |
Kobalt.“ Ngoys Stimme klingt dumpf, die feuchte Erde schluckt den Schall. | |
Ngoy ist ein Mineur Artisanal, ein freiberuflicher Kleinbergmann, | |
„creuseur“ nennt man sie im Kongo, „Gräber“. In 45 Metern Tiefe erreic… | |
seinen Arbeitsplatz. Zusammen mit seinem Kameraden Sylvano Kayombo Josué | |
macht er sich ans Werk. Mit einem Pickel schlägt Josué Gesteinsbrocken aus | |
der Wand. Ngoy hält ihm einen offenen Plastiksack hin. Nach ein paar | |
Minuten wechseln sie die Rollen. Ngoy atmet schwer, Schweiß rinnt ihm über | |
die Stirn. | |
An einem gewöhnlichen Tag verbringt er acht Stunden hier unten. In | |
Lebensgefahr, da jederzeit ein Einsturz passieren kann. Doch das ist ihm | |
lieber, als für die industriellen chinesischen Minenbetreiber zu arbeiten. | |
„Die Arbeit in den chinesischen Minen grenzt an Sklaverei“, sagt Ngoy. Die | |
Löhne seien so mies, dass es besser sei, sich auf eigene Faust mit | |
Spitzhacke und Schaufel auf die Suche nach Erzen zu machen – egal, ob auf | |
freiem Feld oder auf dem Territorium einer großen Mine. „Der | |
Lobito-Korridor ist eine gewaltige Chance für uns“, sagt er. „Wir brauchen | |
dringend mehr Wettbewerb im Bergbau-Sektor.“ | |
## Freiberuflich, aber von China abhängig | |
[8][Chinas Einfluss in Afrika wächst] seit Jahren. Nicht zuletzt wegen der | |
[9][Belt and Road Initiative], einer globalen Infrastrukturinitiative, die | |
auch als Neue Seidenstraße bekannt wurde. Seit den 2010er-Jahren dominiert | |
China Kongos industriellen Bergbau. Rund um Kolwezi gibt es 16 industrielle | |
Minen. Nur 2 sind in westlicher Hand, sie gehören dem Schweizer | |
Rohstoffriesen [10][Glencore]. Der kongolesische Staat ist jeweils nur mit | |
Minderheitenanteilen beteiligt. Chinesische Unternehmer kontrollieren auch | |
die Ankaufstellen, zu denen Creuseure wie Ngoy ihre Ausbeute bringen | |
müssen, wenn sie etwas verdienen wollen. Und diese Unternehmer sind | |
praktisch die einzigen, die das Gerät haben, um den Wert von Erzen | |
einzustufen. Das heißt: Chinesische Unternehmer diktieren letztlich auch | |
die Preise für Freiberufler. | |
Ngoy gräbt sich weiter durch die Erde. „Wir suchen vor allem Gestein mit | |
hohem Kupferanteil“, sagt er und erklärt eine kuriose Begebenheit des | |
chinesischen Monopols: Die Unternehmer in den chinesischen Ankaufstellen | |
behaupteten, allein am Kupfer interessiert zu sein. „Weil Kupfer und Kobalt | |
in der Natur aber meist zusammen vorkommen, bekommen sie das Kobalt umsonst | |
dazu.“ Dabei ist das silbergraue Metall viel wertvoller. Eine Tonne Kupfer | |
ist auf dem Weltmarkt rund 10.000 US-Dollar wert – eine Tonne Kobalt mehr | |
als das Dreifache. Der Markt in Kongo ist verzerrt. Noch. „Der | |
Lobito-Korridor könnte das chinesische Monopol brechen“, hofft Ngoy. | |
Das Bahnprojekt ist ein bedeutsamer Teil des Konters des Westens gegen den | |
weltweit wachsenden Einfluss Chinas. 2022 beschlossen die wichtigsten | |
westlichen Industrienationen G7 die [11][Partnership for Global | |
Infrastructure and Investment]. Sie versprachen bis 2027 bis zu 600 | |
Milliarden US-Dollar in Straßen, Schienen, Daten- und Stromnetze in | |
sogenannten Entwicklungsländern zu investieren. Auch Bildung, Forschung und | |
Landwirtschaft wollen sie vermehrt stärken. Führend dabei sind die USA. Die | |
Europäische Union beteiligt sich im Rahmen der Initiative Global Gateway. | |
Der Lobito-Korridor ist als ein Leuchtturmprojekt ausgewiesen. US-Präsident | |
[12][Joe Biden reiste im Dezember 2024] kurz vor Ende seiner Amtszeit | |
eigens nach Angola, um sich dort mit seinen angolanischen und | |
kongolesischen Amtskollegen hinter das ambitionierte Bahnprojekt zu stellen | |
und neue US-Gelder zuzusagen. Erhoffte Fertigstellung: am Ende dieses | |
Jahrzehnts. Doch viel mehr als Hoffnung gibt es bisher nicht. | |
## „Der Direktor ist nicht da“ | |
Am Bahnhof von Kolwezi hallt das Prellen eines Basketballes durch die Luft. | |
Ein Moment der Stille, dann das Scheppern des Ringes. Das Feld, auf dem ein | |
paar Jugendliche spielen, liegt am Rande des Bahnhofsgeländes. Die | |
Geräusche der jungen Menschen sind an diesem Nachmittag die einzigen, die | |
zu hören sind. Wieder fährt kein Zug. | |
Louis Kakudji, der SNCC-Direktor, hat erneut zum Gespräch geladen. In | |
seinem Vorzimmer sitzt ein alter Mann mit einer schwarzen Ray Ban. „Tut mir | |
leid“, sagt er. „Der Direktor ist nicht da.“ Wieder einmal. Seit Tagen | |
schlägt Kakudji Termine vor, spricht von möglichen Ausflügen zu Baustellen | |
oder zur Verladung von Kupfer auf die Züge. Doch dann ist er nicht da, | |
reagiert nicht mehr auf Anrufe und Nachrichten. Ghosting. Mittlerweile ist | |
offensichtlich: Kakudji drückt sich davor, dem Journalisten aus Deutschland | |
den Zustand der Schienen im Kongo zu zeigen. Aus gutem Grund. Die vielen | |
großen Worte über den Lobito-Korridor wirken extrem weit weg von der | |
Realität. | |
Im Bahnhof Kolwezi verlaufen gut ein Dutzend Gleise. Ihr Zustand: | |
erträglich. Doch auf dem Weg nach Westen, Richtung Angola, werden verbogene | |
Schienen und gebrochene Schwellen zur Regel. Schon nach ein paar hundert | |
Metern ist nur noch ein einziges Gleis übrig. Es gab darauf bisher nur | |
vereinzelte Transporte von Kupfer aus Kolwezi nach Westen, Testfahrten mit | |
ein paar Tausend Tonnen. In Richtung Osten, wo die Minen liegen, sieht es | |
kaum besser aus. Geschweige denn in den Minen selbst. In einer haben | |
Creuseure den Boden unter den Gleisen herausgegraben – in der Hoffnung, | |
auch dort auf Kupfer zu stoßen. Wie bei einer Achterbahn hängen die | |
Schienen samt Schwellen in der Luft. | |
Auf der Schotterpiste daneben donnern unterdessen Lastwagen vorbei, wirbeln | |
im Minutentakt Staubwolken in die Luft. Auf den Kühlergrills der Fahrzeuge | |
prangen die Logos von CNHTC, dem größten chinesischen Lkw-Hersteller. Von | |
einem gebrochenen Monopol kann noch lange keine Rede sein. Zumal China | |
längst dabei ist, selbst eine effizientere Verbindung ans Meer aufzubauen – | |
nicht zum Atlantik, sondern in die andere Richtung, zum Indischen Ozean. | |
Die Regierung treibt die Erneuerung der historischen Tazara-Bahn voran, die | |
von Sambia nach Tansania ans Meer führt, und will auch Kongo daran | |
anschließen. Die Zeit drängt. | |
2023 erteilte Angola der Lobito Atlantic Railway Company eine 30 Jahre lang | |
gültige Konzession für die Linie. Hinter dem Joint Venture stehen drei | |
europäische Unternehmen: das portugiesische Bauunternehmen Mota-Engil, der | |
niederländische Schienennetzbetreiber Vecturis und der niederländische | |
Rohstoffhändler Trafigura. Sie sicherten für die Konzession zu, 455 | |
Millionen US-Dollar in Angola und weitere 100 Millionen im Kongo zu | |
investieren. Mit diesem privatwirtschaftlichen Engagement gingen die | |
Ankündigungen der USA und der EU einher, das Vorhaben finanziell weiter zu | |
unterstützen. | |
In Angola ist die Erneuerung der Strecke weitgehend abgeschlossen. Im Kongo | |
dagegen pocht die Regierung darauf, dass der staatliche Eisenbahnbetrieb | |
SNCC den Ausbau der Strecke voranbringt, nicht irgendein europäisches | |
Unternehmen. Das Problem beim kongolesischen Alleingang ist nur: Die SNCC | |
ist nicht dafür bekannt, die Aufgaben, die ihr übertragen werden, zu | |
erledigen – und das gilt für viele staatliche Stellen in der DR Kongo. | |
Theoretisch gibt es für Kongos Haltung gute Gründe. Die NGOs Eurodad, | |
Counter Balance und Oxfam haben sich Projekte des Global-Gateway-Programms | |
der EU angeschaut. In ihrer Studie ist von „Neokolonialismus“ die Rede. „… | |
ist offensichtlich, dass die strategischen Partnerschaften von Global | |
Gateway die geopolitischen und kommerziellen Interessen der EU-Investoren | |
in den Vordergrund stellen“, heißt es da. Und in vielen Projekten stammen | |
die Investoren ausgerechnet aus den früheren Kolonialmächten – siehe | |
Angola. | |
Die EU ist bei ihrem Lobito-Vorstoß bemüht, den Eindruck von Ausbeutung zu | |
zerstreuen. [13][Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen] beschrieb den | |
Korridor im Juni gar als Paradebeispiel dafür, wie Europas | |
Infrastrukturinitiativen nicht nur dem Westen, sondern vor allem Afrika | |
nützen würden. „Der Korridor ist so viel mehr als nur eine | |
Eisenbahnverbindung zu Bergbauregionen“, sagte sie und versprach „positive | |
Spillover-Effekte“ in den lokalen Wirtschaften. | |
## Korruption und mangelnde Meinungsfreiheit | |
Aber die kommen nicht von allein. In einem winzigen Büro in Kolwezi, in das | |
kaum drei Stühle passen, sitzt Sylvain Kantolomba hinter seinem | |
Schreibtisch eingekeilt in der Ecke. „Wir haben hier eine lokale | |
Wirtschaft, die komplett von der Bahnstrecke abhängig ist“, sagt der | |
Universitätsprofessor mit dem Schwerpunkt Öffentliche Verwaltung. Rund um | |
Kolwezi gibt es schließlich nicht nur Minen, sondern auch weitläufige | |
landwirtschaftliche Flächen. Die SNCC habe in den vergangenen Jahren aber | |
so gut wie nichts gemacht, um das Eisenbahnnetz zu pflegen. „Auf dem | |
verfügbaren Gleis kann derzeit mit höchstens 20 Kilometern pro Stunde | |
gefahren werden“, sagt Kantolomba. „Absolute Vernachlässigung.“ | |
Sylvain Kantolomba hält sich mit allzu scharfer Kritik zurück. Um die | |
Meinungsfreiheit im Kongo ist es nicht gut bestellt. Er sagt: „Alles hängt | |
von der Haltung der Institutionen in der Demokratischen Republik Kongo ab.“ | |
Darauf warten Menschen wie Christian Ngoy nicht. Sein Vertrauen in die | |
staatlichen Institutionen ist gering, denn um die Bedürfnisse einfacher | |
Menschen geht es im Kongo selten. Es seien ja nicht nur die Chinesen, die | |
Arbeiter im Bergbau ausbeuten, sagt er. Ngoy kämpft seit Jahren mit der | |
Gewerkschaft Atram für die Rechte seiner Kameraden. „Unsere Institutionen | |
stecken mit drin,“ erläutert er: Kongo zählt zu den korruptesten Staaten | |
der Welt. Und dort, wo es viel Geld zu holen gibt, ist die Korruption meist | |
besonders schlimm. | |
In den Minen der Kleinbergleute gibt es sogenannte Managementkomitees, | |
Scharniere zwischen den Creuseuren und staatlichen Stellen. „Die kassieren | |
jedes Mal mit, wenn wir Erze verkaufen“, sagt Ngoy. „Das ist eine Mafia.“ | |
Die Leute, fügt er hinzu, ließen sich das nicht mehr gefallen. Ein paar | |
Tage später kommt es in der Mine zu einem Aufstand. Steine fliegen. Die | |
Kleinbergleute setzen kurzerhand ihr Managementkomitee ab und jagen es vom | |
Gelände. Gerät die SNCC als nächstes unter Druck? | |
Endlich meldet sich dann doch Louis Kakudji, der SNCC-Direktor, nach zehn | |
Tagen voller geplatzter Termine und unbeantworteter Anrufe. Auf Umwegen. | |
Über einen Mittelsmann lässt er ausrichten, dass er Angst habe. „Sobald ich | |
etwas sage, werde ich für alles verantwortlich gemacht.“ Ein tiefer | |
Einblick in die kafkaesken Strukturen in Kongos Staat. Obwohl längst eine | |
Genehmigung aus der Hauptstadt Kinshasa und dem SNCC-Büro aus der Metropole | |
Lubumbashi vorliegt, wagt Kakudji es nicht, einem Journalisten den wahren | |
Zustand der Bahn rund um Kolwezi zu zeigen. Denn, so die [14][Erfahrung in | |
der DR Kongo]: Nicht diejenigen werden zur Rechenschaft gezogen, die | |
tatsächlich Verantwortung tragen, sondern die, die Probleme öffentlich | |
machen. Beim Lobito-Korridor ist Kongos Staat sein eigener ärgster Feind. | |
22 Aug 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.gtai.de/de/trade/kongo-demokratische-republik/specials/rohstoff… | |
[2] https://www.snccsa.com/ | |
[3] /US-Praesident-in-Angola/!6054836 | |
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Benguelabahn | |
[5] /Guenstiger-und-umweltfreundlicher/!6089514 | |
[6] /Kobaltabbau-in-der-DR-Kongo/!6016790 | |
[7] /Vier-Monate-Ausfuhrverbot/!6068618 | |
[8] /Investitionen-in-afrikanische-Staaten/!6035278 | |
[9] https://en.wikipedia.org/wiki/Belt_and_Road_Initiative | |
[10] https://www.glencore.com/ | |
[11] https://en.wikipedia.org/wiki/Partnership_for_Global_Infrastructure_and_In… | |
[12] /US-Praesident-in-Angola/!6054836 | |
[13] /FAQ-zum-Deal-zwischen-Trump-und-der-EU/!6101597 | |
[14] /Schwerpunkt-Demokratische-Republik-Kongo/!t5007877 | |
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Issio Ehrich | |
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