| # taz.de -- US-Präsident in Angola: Wettlauf um Afrikas Rohstoffe | |
| > Zum Höhepunkt seiner Afrikareise besucht Joe Biden Angola. Mit dem | |
| > Infrastrukturprojekt „Lobito Corridor“ will der Westen China Konkurrenz | |
| > machen. | |
| Berlin taz | Um zu verstehen, wie groß und zugleich begrenzt das Interesse | |
| der USA an Afrika ist, bietet Lobito in Angola einen guten Einblick. Von | |
| einem der größten natürlichen Tiefseehäfen der Atlantikküste Afrikas führt | |
| [1][eine fast 2.000 Kilometer lange Eisenbahnlinie] ins Herz des | |
| Kontinents: in den „Copperbelt“, der sich auf 450 Kilometern Länge und bis | |
| zu 280 Kilometern Breite durch die zentralafrikanische Savanne zieht. | |
| Die Grenze zwischen der Demokratischen Republik Kongo und Sambia führt | |
| mitten durch diesen riesigen „geologischen Skandal“, in dem sich über die | |
| Hälfte der Kobaltreserven der Welt befindet und über ein Zehntel der | |
| Kupferreserven, in einmalig hohen Konzentrationen, und unzählige andere | |
| wertvolle Rohstoffe. Sämtliche strategische Mineralien für die globale | |
| Energiewende sind hier zu finden. | |
| Kongos Uran und Angolas Eisenbahn sicherten den Sieg der | |
| Weltkriegsalliierten über Japan und damit das Ende des Zweiten Weltkrieges. | |
| Über die zu Kolonialzeiten errichtete [2][„Benguela Railway“] aus dem | |
| damals portugiesischen Angola in das damalige Belgisch-Kongo wurde 1940 | |
| eingelagertes Uranerz aus der Mine Shinkolobwe bei Likasi in Sicherheit | |
| gebracht, damit es nicht in deutsche Hände fällt. | |
| Von dort wurde es in die USA verschifft: rund 1.000 Tonnen Uranerz mit | |
| weltweit einzigartigen Urankonzentrationen von 65 Prozent – normal sind 0,6 | |
| Prozent. Damit wurden unter anderem die Atombomben gebaut, die die USA 1945 | |
| auf Hiroshima und Nagasaki abwarfen. | |
| An diesem [3][Mittwoch ist US-Präsident Joe Biden] nach Lobito gereist. Es | |
| ist die erste Afrikareise eines US-Präsidenten seit Barack Obama vor neun | |
| Jahren, Angola ist die einzige Station und Lobito die wichtigste Etappe. | |
| Mit seinen Amtskollegen aus Angola, der Demokratischen Republik Kongo und | |
| Sambia, Joao Lourenco, Felix Tshisekedi und Hakainde Hichilema, traf sich | |
| Biden am Hafen zu einem Gipfel, der laut Kongos führender Tageszeitung Le | |
| Potentiel „Afrikas ökonomische Integration beschleunigen“ und „den | |
| Welthandel neu definieren“ sollte. Es geht um den „Lobito Corridor“, | |
| ebenjene Eisenbahnstrecke. | |
| „Ein historischer Augenblick“, heißt es aus dem US-Außenministerium. Es | |
| gebe für die USA in Afrika „keinen wichtigeren Partner als Angola“, | |
| erklärte Biden am Montag in der Hauptstadt Luanda. | |
| Die Bergbaustädte von Kongos Südregion Katanga, aneinandergereiht wie an | |
| einer 300 Kilometer langen Perlenschnur zwischen Lubumbashi und Kolwezi, | |
| sind nicht nur ein „geologischer Skandal“, wie einst die europäischen | |
| Forscher staunten. Gigantische Tagebauminen, unter Missachtung jeglicher | |
| Umweltstandards entstanden, prägen eine Mondlandschaft. | |
| „Heterogenit“ nennen die Kongolesen das Erz unter ihren Füßen – weil es… | |
| viele verschiedene Mineralien enthält, manche giftig oder radioaktiv, so | |
| genau weiß das niemand vor Ort. Die taz erlebte vor zwanzig Jahren in der | |
| Bergbauzone um Likasi, wie Anwohner im eigenen Hinterhof den Boden | |
| ausgruben und verkauften, in der sicheren Annahme, dass er wertvoll war. | |
| Zugleich gab es nicht einmal sauberes Wasser für die zerlumpten | |
| Straßenkinder, deren Eltern in irgendeiner Grube am Ortsrand Geld zum | |
| Überleben verdienten. | |
| ## Katastrophale Arbeitsbedingungen | |
| Inzwischen wurde in Kongos Bergbau viel investiert, aber der | |
| rohstoffreichste Landstrich der Welt bleibt zugleich einer ihrer ärmsten. | |
| Die industrielle Förderung, die über den Export nach Asien | |
| Milliardengewinne erwirtschaftet und strengen Lieferkettenregulierungen | |
| unterworfen ist, bildet nur eine Fassade. Dahinter kratzen Kongolesen in | |
| undurchsichtigen Ketten von Subunternehmem, teils unter direkter Kontrolle | |
| des Militärs, den Boden aus – unter horrenden Bedingungen. | |
| Der indischstämmige US-Journalist Siddarth Kara hat das in seinem Buch | |
| [4][„Blutrotes Kobalt“] eindrücklich dokumentiert. Auf Sambias Seite des | |
| „Copperbelt“ ist die Lage besser, aber auch hier kommt nur wenig vom | |
| Exportreichtum bei der Bevölkerung an. | |
| Die meisten Mineralien aus dem Kupfergürtel gehen per Lastwagen über Sambia | |
| in die Häfen von Tansania oder Südafrika – lange, korruptionsanfällige | |
| Strecken. Die Eisenbahnlinie nach Angola ist nicht nur deutlich kürzer und | |
| schneller. Sie ist auch ideal, um die afrikanischen Mineralien nicht nach | |
| Osten Richtung China zu verschiffen, sondern nach Westen Richtung Amerika – | |
| wie 1940 das Uran aus Shinkolobwe. | |
| Jahrzehntelang war das unmöglich. Die koloniale Eisenbahn verfiel nach | |
| Angolas Unabhängigkeit 1975, dann war Angola Bürgerkriegsland, das Gebiet | |
| großflächig vermint. Erst 2005 vereinbarten Kongo, Angola und Sambia den | |
| Wiederaufbau der Strecke, mit zunächst 500 Millionen US-Dollar aus China. | |
| Erste Teilstrecken in Angola gingen 2006 in Betrieb. | |
| Die Brücke über den Grenzfluss zur DR Kongo eröffnete 2014 neu. In den | |
| Jahren danach begann auch die Sanierung der kongolesischen Strecke. Zu | |
| Kolonialzeiten traf sie an der Minenstadt Tenke auf die innerkongolesische | |
| Eisenbahn, die es damals noch gab. | |
| ## Streit um Mine Tenke-Fungurume | |
| [5][Tenke-Fungurume] am Ende der Bahnstrecke – der Name bezieht sich auf | |
| zwei Hügel, zwischen denen sich ein 30 Kilometer langer Tagebau mit | |
| geschätzt 103 Millionen Tonnen Kupfer- und Kobaltreserven befindet, eine | |
| der größten Lagerstätten der Welt – illustriert gut, worum es Biden heute | |
| geht. Als die Mine nach den Wirren des Kongokrieges wieder zum Leben | |
| erweckt wurde und 2009 die Förderung wieder begann, war sie das größte | |
| US-Investitionsprojekt in der DR Kongo. | |
| Aber unter politischem Druck – Kongos damaliger Präsident [6][Joseph Kabila | |
| neigte eher China zu] – musste der US-Betreiber Freeport-McMoRann 2016 | |
| seinen 56-Prozent-Anteil an [7][China Molybdenum] verkaufen, für magere | |
| 2,65 Milliarden Dollar. Der 24-Prozent-Anteil des kanadischen | |
| Minderheitseigners Lundin ging damals für 1,14 Milliarden US-Dollar an die | |
| von Hunter Biden, Sohn von Joe Biden, mitgegründete Schanghaier | |
| Investitionsfirma BHR (Bohai Harvest), die ihn zwei Jahre später an China | |
| Molybdenum weiterreichte. | |
| Kaum war die chinesische Seite der alleinige ausländische Partner, | |
| behauptete sie, die Mine sei nicht mehr profitabel, und stellte die | |
| fälligen Zahlungen an Kongo ein, später auch die Förderung. Als sie sie | |
| 2022 wieder aufnehmen wollte, blockierte Kongo die Exporte und verlangte | |
| erst eine Nachzahlung von 7,6 Milliarden US-Dollar. Der Streit wurde erst | |
| vergangenes Jahr beigelegt, beide Seiten einigten sich auf 2 Milliarden. | |
| 14 Prozent des Kobalts der Welt kommen aus Tenke-Fungurume, es ist die | |
| zweitgrößte Kobaltmine der Welt und die fünftgrößte Kupfermine. Wenn das | |
| über Angola in die USA ginge, wäre es eine entscheidende Verschiebung in | |
| der globalen Rohstoffwirtschaft. | |
| ## Kongos Präsident erklärt Reform des Bergbaus zu Priorität | |
| Bisher bringt nur eine Bergbaufirma in der DR Kongo Mineralien per | |
| Eisenbahn nach Angola. [8][Ivanhoe Mines] aus Kanada, das die Kupfer- und | |
| Kobaltminen von Kamoa-Kakula am Stadtrand von Kolwezi betreibt, lud am 23. | |
| Dezember 2023 erstmals 1.100 Tonnen Kupferkonzentrat in Kolwezi auf zwei | |
| Güterzüge, die nach acht Tagen den Hafen Lobito erreichten. | |
| Zum Vergleich: Auf den Straßen nach Südafrika und Tansania dauert es 40 bis | |
| 50 Tage bis zum Meer. „Unsere erste Probefahrt ist ein wichtiger | |
| Meilenstein im Bau einer neuen Lieferkette, die Zentralafrikas Kupfergürtel | |
| mit den Weltmärkten verbindet“, freute sich der Konzern. | |
| Für Kongos Präsidenten Tshisekedi, der das Land seit 2019 regiert, war das | |
| wie ein verspätetes Wahlgeschenk. Am 20. Dezember 2023 hatten Wahlen in der | |
| DR Kongo stattgefunden, die er schließlich [9][haushoch gewann]. Tshisekedi | |
| hat nun die Reform des Bergbaus im Kupfergürtel zu einer Priorität erklärt. | |
| Subunternehmen sollen in kongolesischer Hand sein, Kongo soll seine Anteile | |
| an der Förderung selbst auf den Weltmarkt bringen, staatliche Abnehmer der | |
| informellen Produktion Hunderttausender Schürfer sollen asiatische | |
| Zwischenhändler verdrängen. | |
| Direkt nach seiner Wiederwahl flog Tshisekedi nach Peking und verhandelte | |
| die unfairen China-Verträge seines Vorgängers Kabila aus dem Jahr 2006 neu, | |
| was Kongo bis 2040 sieben Milliarden US-Dollar zusätzlich bringen soll. | |
| Viele Kritiker werfen Tshisekedi vor, lukrative Pfründen für seine Freunde | |
| schaffen zu wollen, aber grundsätzlich wird die nationalistische | |
| Orientierung begrüßt. | |
| ## 600 Milliarden US-Dollar bei G7 angekündigt | |
| Inzwischen rollen zweimal wöchentlich Züge voller Kupferkonzentrat über die | |
| Eisenbahnstrecke nach Lobito. Das ist auch im Sinne der westlichen Partner, | |
| die sowohl Angola als auch die DR Kongo aus dem Einflussgebiet Chinas lösen | |
| wollen. | |
| Beim G7-Gipfel in Deutschland 2022 war eine [10][„Globale Partnerschaft für | |
| Infrastruktur und Investitionen“ (GPII)] im Umfang von 600 Milliarden | |
| US-Dollar angekündigt worden, als ausdrückliche Kampfansage an Chinas „Neue | |
| Seidenstraße“. Die baut im Globalen Süden Infrastruktur zu vermeintlich | |
| günstigen Konditionen, aber erzeugt oft Schuldenfallen: Angola etwa | |
| schuldet China inzwischen 1,8 Milliarden US-Dollar für Eisenbahnarbeiten | |
| auf Kredit. | |
| Der [11][„Lobito Corridor“] wurde am Rande des G20-Gipfels 2023 als erstes | |
| konkretes GPII-Projekt festgelegt. Daran hängt nun also die Glaubwürdigkeit | |
| des Westens in der Rivalität mit China in Afrika. Bereits Anfang 2023 | |
| gründeten die Regierungen Kongos, Angolas und Sambias die gemeinsame | |
| Aufsichtsbehörde Lobito Corridor Transit Transport Facilitation Agency | |
| (LCTTFA). | |
| Ein Konsortium [12][„Lobito Atlantic Railway“] unter Führung der globalen | |
| Handelsfirma Trafigura erhielt 2022 von Angolas Regierung den Zuschlag zum | |
| Betrieb der Bahnstrecke. Es soll in Angola 450 Millionen US-Dollar | |
| investieren und in der DR Kongo weitere 100 Millionen. | |
| ## Ambitionen prallen aufeinander | |
| Bei Bidens Besuch steht nun eine zweite Strecke zur Debatte, die aus Angola | |
| direkt nach Sambia führen soll, um auch Sambias Kupfer über Angola | |
| exportieren zu können. Ebenfalls in der Diskussion ist eine Anbindung des | |
| Lobito-Projekts an die bestehende Eisenbahn aus Sambia nach Tansania. | |
| Die [13][„Tazara“ (Tanzania-Zambia Railway)] war in den 1960er Jahren von | |
| China gebaut worden, um Tansania und Sambia als Frontstaaten im Kampf gegen | |
| Apartheidherrschaft und weißen Siedlerkolonialismus im südlichen Afrika aus | |
| der Abhängigkeit vom Westen zu lösen. 1976 in Betrieb genommen, wird sie | |
| heute kaum genutzt; 2022 vereinbarten Tansania und China einen Neubau, um | |
| sie mit anderen Bahnstrecken kompatibel zu machen – etwa der aus Sambia | |
| nach Angola. | |
| Insofern könnten die Ambitionen Chinas und der USA in Sambia und im Süden | |
| der DR Kongo demnächst produktiv aufeinandertreffen – oder | |
| aufeinanderprallen. Es hängt sehr viel an Bidens Visite in Angola. | |
| Vielleicht zu viel für einen scheidenden Präsidenten. | |
| 4 Dec 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.lobitocorridor.org/ | |
| [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Benguelabahn | |
| [3] /US-Praesident-in-Angola-eingetroffen/!6054683 | |
| [4] /Kobaltabbau-in-der-DR-Kongo/!6016790 | |
| [5] https://copperbeltkatangamining.com/tenke-fungurume-mine/ | |
| [6] /China-Besuch-von-Kongos-Praesident/!5933434 | |
| [7] https://en.cmoc.com/ | |
| [8] https://www.ivanhoemines.com/ | |
| [9] /Nach-den-Wahlen-in-der-DR-Kongo/!5984901 | |
| [10] https://www.bauindustrie.de/themen/artikel/g7-partnerschaft-fuer-globale-i… | |
| [11] https://www.lobitocorridor.org/ | |
| [12] https://www.trafigura.com/news-and-insights/case-studies/metals-and-minera… | |
| [13] https://de.wikipedia.org/wiki/Tanzania%E2%80%93Zambia_Railway | |
| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
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