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# taz.de -- Kobaltabbau in der DR Kongo: Der Horror in den Minen
> Der Kobaltabbau in der DR Kongo ist das Fundament der globalen
> Elektromobilität. Siddharth Karas Buch „Blutrotes Kobalt“ ist ein
> Dokument des Grauens.
Bild: Arbeiter im Tunnel einer Kobaltmine
Verbrenner sind böse, E-Autos gut – das ist in Deutschland breiter Konsens.
Aber [1][wo kommt das Kobalt her, das in den Batterien der E-Autos steckt?]
„Blutrotes Kobalt: Der Kongo und die brutale Realität hinter unserem
Konsum“ von Siddharth Kara enthüllt die Realität – und sprengt unser grü…
Gewissen.
Der US-Autor Siddharth Kara, bekannt für Forschungen über moderne
Sklaverei, hat sich über mehrere Jahre immer wieder in die Minen von
Katanga gewagt, wo Kobalt als Nebenprodukt der Kupferförderung in höheren
Konzentrationen vorkommt als irgendwo sonst auf der Welt. Er ist in die
Gruben hinabgestiegen, er hat die verstaubte Savanne durchquert, er wurde
von Wachleuten schikaniert und von Geschäftsleuten belogen.
Und vor allem hat er unzählige Bergleute befragt, oft unter für beide
Seiten riskanten Umständen – manche heimlich, manche flüchtig, viele
traumatisiert, viele auf Dauer durch Unfälle geschädigt, viele in
unentrinnbaren Schuldenfallen, vergiftete Kinder, todkranke Mütter. Er hat
einen fürchterlichen Grubenunfall miterlebt, er hat die unfassbare Trauer
derer aufgezeichnet, die ihre Nächsten in den Minen verlieren. Es ist ein
Dokument des Grauens.
„Eine Höllenlandschaft aus Kratern und Stollen, bewacht von bewaffneten
Irren“ beschreibt Kara seinen ersten Anblick der großen Mine des
Bergbaukonzerns KCC. Dann kommt er zum Malosee, wo Frauen Erz aus den
Steinen waschen, „eine brackige Wolke aus Schaum“. Sein Übersetzer fragt
die Frauen nach dem Wasser.
„‚Die Mutter sagt, der See sei giftig‘, berichtete er. ‚Sie sagte: Er t…
die Babys in uns. Die Moskitos wollen das Blut der Menschen nicht, die hier
arbeiten.‘ “ Kara trifft die 15-jährige Elodie, die in der Mine arbeitet.
„Sie war kaum mehr als Haut und Knochen. […] Sie litt an einem
fürchterlichen Husten. Ihr schwacher zwei Monate alter Sohn, den sie auf
dem Rücken trug, war in ein ausgefranstes Tuch eingewickelt. Sein winziges
Köpfchen fiel jedes Mal zur Seite, wenn sie mit dem Pickel auf den Boden
hackte.“
## Zurück in die Grube
Elodies Vater starb in der Mine, ihre Mutter starb an einer Infektion,
Folge des Wassers aus dem See, sie selbst musste sich bei Soldaten
prostituieren, um zu überleben, und als ihr Baby geboren war, ging es
zurück in die Grube.
„Sie war einem Rudel Wölfe zum Fraß vorgeworfen worden, und zwar von einem
System, das so unbarmherzig berechnend ist, dass es ihm irgendwie gelang,
ihre Erniedrigung in funkelnde Geräte und schicke Autos zu verwandeln, die
in der ganzen Welt verkauft werden. Die Nutzer dieser Geräte würden sich,
wenn sie neben Elodie stünden, wie Außerirdische aus einer anderen Galaxie
ausnehmen.“
Etwas zu oft bemüht Siddharth Kara Parallelen zum „Herz der Finsternis“
der kolonialen Ära, seine Exkurse in die Geschichte sind oberflächlich,
sein amerikanisches Pathos funktioniert in der Übersetzung nicht immer, an
entscheidenden Stellen sucht man vergeblich präzise Angaben zu Akteuren,
Verträgen und Besitzverhältnissen. Es fehlen auch Landkarten sowie
Bildmaterial, das Kara auf anderen Kanälen veröffentlicht hat.
Aber Karas Schilderung brilliert trotz dieser Mängel: Er schreibt klar,
einfühlsam und bildreich, er macht Zusammenhänge verständlich. Und er sieht
mehr als andere Außenseiter. Denn Kara ist indischer Abstammung, und in der
DR Kongo sind indische Geschäftsleute überall tätig und politisch
unverdächtig. Ein Weißer würde niemals so weit kommen wie Kara auf seinem
„Weg, der zur Wahrheit führt“, auf den er die Leser mitnimmt wie auf eine
Entdeckungsreise.
## Viele undurchsichtige Zwischenstufen
Am Ende versteht man nicht nur das Elend, sondern auch das System. Aus der
DR Kongo kommen 70 Prozent des Kobalts der Welt. Die großen
Bergbauunternehmen profitieren nicht nur von ihrer eigenen gut regulierten
Fördertätigkeit, sondern von der halblegalen Arbeit von Millionen
Kongolesen drumherum, die per Hand weitere Erze aus dem Boden graben.
Soldaten organisieren die Knochenarbeit, [2][kongolesische und auch
chinesische Zwischenhändler kaufen das Produkt und beliefern über
Handelskontore die Konzerne] – viele undurchsichtige Zwischenstufen auf dem
Weg ins geordnete Geschäft. Mit zigfachem Profit wandern die Erze die
Handelskette hoch, bevor sie überhaupt das Land verlassen; für die
Bergleute am Ende der Kette bleibt fast nichts.
Modellprojekte für „sauberen“ Kobaltabbau ändern daran nichts, im
Gegenteil: durch sie wird die „schmutzige“ Produktion gewaschen, an der im
Wortsinne kongolesisches Blut klebt, denn die Minen sind voller
verschütteter Leichen.
„Wir arbeiten in unseren Gräbern“, resümiert ein wütender Kongolese. Kar…
Buch gibt diesen Menschen eine Stimme. Es ist eine Pflichtlektüre für alle,
die sich in ihren E-Autos für Weltverbesserer halten.
14 Jun 2024
## LINKS
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[2] /Russlands-Griff-nach-Afrika/!5509166
## AUTOREN
Dominic Johnson
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