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# taz.de -- Rüstungsunternehmen Helsing: Drohnen für den Schutz der Demokrati…
> Ein Ex-„Bild“-Chefredakteur wird Pressesprecher beim Start-up Helsing.
> Sollte auch ich den Sprung in die Rüstungsindustrie wagen?
Bild: KI-gestützte Unterwasserdrohne „SG-1 Fathom“ der Firma „Helsing“
Wissen Sie, es ist nicht immer gemütlich, im Journalismus zu arbeiten.
[1][Kolleginnen werden auf Demos angegriffen] und im Netz als Lügenpresse
beschimpft. Verschiedene Akteure wollen das Vertrauen in die Legacy-Medien
zerstören. Und niemand weiß so richtig, wie es mit uns weitergehen wird. In
dunklen Nächten träume ich von einer künstlichen Intelligenz, die, sobald
ich meine Ausbildung abgeschlossen habe, mich und meinen Berufsstand völlig
überflüssig machen wird. Dann versuche ich, mir einzureden, dass der
Journalismus wichtig ist. Wir sind die vierte Gewalt, wir schauen den
Mächtigen auf die Finger. Das klingt gut. Und ist in einer Demokratie
essenziell.
Aber schützen nicht viele Menschen mit ihren Berufen die Demokratie?
Lehrkräfte, die politische Bildung leisten. Politiker, die Ämter bekleiden.
NGOs, die sich für Minderheiten einsetzen. Man könnte fast sagen, dass
selbst Rüstungsfirmen das tun.
## Rüstungsindustrie boomt – trotz dreckiger Deals
Seit Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine, der im Februar 2022 begann,
befürchten viele, dass ein EU-Land als Nächstes dran ist. Ob wir Europäer
dann auf den Schutz der USA zählen können, ist ungewiss. Also herrscht
Konsens unter den EU-Regierungen: Wir müssen uns und unsere Demokratien
selbst verteidigen können. Dafür braucht es Waffen, Rüstungsgüter und – S…
ahnen es – [2][europäische Rüstungsfirmen, die sie produzieren].
Natürlich kann man nicht ernsthaft behaupten, dass die meisten von ihnen
lupenreine Beschützer demokratischer Werte und Staaten sind. Rheinmetall
zum Beispiel umgeht über Tochterfirmen im Ausland deutsche
Exportkontrollgesetze und macht so Geschäfte mit zwielichtigen Regimen wie
Saudi-Arabien.
[3][„Unsere Werte vom Panzer überrollt“ stand auf einem Banner in der
BVB-Fan-Kurve], als 2024 bekannt wurde, dass Rheinmetall den Verein
sponsern wird. Von Sportswashing war die Rede – also dass der
Rüstungskonzern sein schlechtes Image durch das Sponsoring reinwaschen
will.
Trotz der Proteste erscheint Rheinmetalls Logo nun auf Banden und im
Hintergrund von Pressekonferenzen des BVBs. Vor einigen Jahren undenkbar.
Aber die Stimmung hat sich seit 2022 verändert. Von der [4][schlichten
Notwendigkeit der Zeitenwende], der Aufrüstung, sind weite Teile der
Gesellschaft heute überzeugt.
## Hippes Image für die Bomberdrohnen
Während Rheinmetalls Website in Dunkelblau gehalten und mit Bildern von
Gewehren, Handgranaten und Panzern bestückt ist, gibt sich [5][Helsing]
ganz anders. Es ist mit 12 Milliarden Euro das wertvollste Start-up
Deutschlands. Helsing entwickelt KI-Software, die Daten von Schlachtfeldern
auswertet, baut Kampfdrohnen, die schon in der Ukraine im Einsatz sind, und
kaufte jüngst den Flugzeugbauer Grob Aircraft, um Kampfflugzeuge mit
KI-Technik in Zukunft selbst zu bauen.
Helsings Website schmücken Pastellfarben und Blumen. Soldaten sind nicht zu
sehen. Stattdessen sucht Helsing Menschen, die „das Herz am rechten Fleck
haben“, denn man will „ethische Überzeugungen in den Mittelpunkt der
Entwicklung von Verteidigungstechnologie stellen“. Unter dem Karriere-Tab
steht das Foto eines Mannes mit Hipster-Bart und Blumenhemd, der
nachdenklich in die Weite schaut. Über allem prangt der Slogan: Zum Schutze
unserer Demokratien.
Es ist absurd. Die Durchsetzung von politischen Anliegen durch den Einsatz
von Gewalt ist zutiefst undemokratisch. Und doch können sich Unternehmen
wie Helsing, die dafür die Mittel zur Verfügung stellen, seit dem
russischen Angriff auf die Ukraine als Beschützer der Demokratie
inszenieren. Und in der Logik der Verteidigung ist das auch folgerichtig.
Die Militarisierung ist die neue Normalität
Während das Ansehen des Journalismus sinkt, ist das der
[6][Rüstungsindustrie seit 2022 gestiegen]. Berührungsängste sind
geschrumpft. Das zeigt nach dem BVB-Rheinmetall-Deal nun die Entscheidung
von Johannes Boie, ab August als Marketingchef und Pressesprecher bei
Helsing anzufangen.
Boie war zuvor Chefredakteur der Bild und der Welt am Sonntag, zuletzt
Kolumnist für die NZZ. Dass ein bekannter Journalist PR für eine
Rüstungsfirma macht, verdeutlicht, wie warm Gesellschaft und
Rüstungsindustrie miteinander geworden sind.
Hätte ich dieses Angebot an Boies Stelle auch angenommen? Mein Gehalt wäre
mit Sicherheit gestiegen. Über die Zukunft meiner Branche müsste ich mir
auch keine Gedanken mehr machen. Dunkle Nächte und verstörende Träume
hätten ihr Ende, da ich fortan nicht mehr in Konkurrenz zur KI stehen,
sondern eine verkaufen würde. Nach der Logik der Verteidigung und dem
Marketing von Helsing würde ich mit meiner Arbeit ja sogar weiterhin die
Demokratie schützen. Vielleicht kann man Boie für seinen Jobwechsel gar
nicht kritisieren.
Ein Problem gibt es dann aber doch: Als Journalistin bin ich der Wahrheit
verpflichtet, und daran habe ich mich nun gewöhnt. Es mag im Moment der
Wahrheit entsprechen, dass Rüstungsunternehmen wie Helsing gebraucht
werden, um unsere Art zu leben zu schützen. Das ist schwierig auszuhalten.
Sollte ich aber Teil von Boies Presseteam werden, könnte mir eine
gleichzeitige Wahrheit herausrutschen: Rüstungsunternehmen existieren
nicht, um Demokratien zu schützen, sondern um Profite zu erwirtschaften.
Was passiert also, wenn Helsing weiter wachsen und neue Märkte erschließen
will, so wie es Rheinmetall tut? Wird dann das Gelübde, ausschließlich für
die Demokratie zu arbeiten, gebrochen? Wir werden sehen.
Besser bleibe ich Journalistin. Sollte Helsing anfangen, Drohnen an
autoritäre Regime zu verkaufen, werden Sie von mir lesen.
8 Aug 2025
## LINKS
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[6] /Boom-der-Ruestungsindustrie/!6072464
## AUTOREN
Alice von Lenthe
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