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# taz.de -- Autorin über Ost-West-Denken und Prägung: „Das Intime ist mit d…
> In der Anthologie „Ost* West* frau*“ erzählen ost- und westdeutsche
> AutorInnen, wie sie durch politische Systeme und Zuschreibungen geprägt
> wurden.
Bild: Eine der bekannteren im Osten sozialisierten Frauen: Angela Merkel am 1. …
taz: Frau Wurster, welche vermeintlich typischen Prägungen erkennen Sie bei
sich?
Maren Wurster: Die Überheblichkeit, die mit Ignoranz gepaart ist.
taz: Hat es viel Mut erfordert, sich für das Buchprojekt mit sich selbst
auseinanderzusetzen?
Wurster: Nein. Weil der Austausch zuerst zwischen Franziska und mir
begonnen hat, eben auf einer persönlichen Ebene. Erst später haben wir sie
erweitert und andere AutorInnen eingeladen. Ich war vielmehr offen und
neugierig, auf mich und die anderen.
taz: Wie haben Sie die AutorInnen des Bandes ausgesucht?
Wurster: Zunächst haben wir SchriftstellerInnen, die wir toll fanden,
gefragt. Dann wollten wir das Ganze ein bisschen gegen die typischen
Zuschreibungen bürsten. Wir haben beispielsweise mit Mechthild Lanfermann
eine westdeutsche Autorin im Buch, die in einer Familie groß geworden ist,
in der alle Frauen gearbeitet hatten. Und Sabine Rennefanz, die im Osten
eine [1][Hausfrau] als Mutter hatte. Wir wollten auf keinen Fall Klischees
verstärken, sondern dagegen anschreiben.
taz: Apropos Klischees: Brauchen wir das Ost-West-Denken noch oder steht es
uns eher im Weg?
Wurster: Ost-West-Denken ist zunächst ein Konstrukt. Wir könnten unsere
Sozialisation zum Beispiel auch über den Gegensatz Stadt-Land betrachten
oder mit der Frage, aus welcher gesellschaftlichen Schicht wir kommen. Es
ist aber sehr interessant, wie wir dann doch durch die unterschiedlichen
politischen Systeme der BRD und der DDR beeinflusst wurden, die sich stark
auf unsere Vorstellungen von Arbeit, Frausein oder gelebter Sexualität
ausgewirkt haben. Also, im Grunde genommen: Ja, brauchen wir. Es geht ja
auch gar nicht darum, etwas zu zementieren, sondern zu gucken, wie tief
eigentlich das Intime mit dem Politischen verknüpft ist.
taz: Heißt das, dieses Ost-West-Denken ist wichtig für Einzelne, weil man
sich mit bestimmten Eigenschaften identifiziert?
Wurster: Ja, absolut. Wir denken oft, dass bestimmte Eigenschaften
natürlich sind. Im Vergleich und in der Auseinandersetzung mit anderen
liegt die große Chance, zu erkennen, dass das Leben anders hätte laufen
können. Dass es eben nicht natürlich ist, dass die Mutter zu Hause ist und
immer Mittagessen für einen macht.
taz: Hat sich Ihr Blick auf Ihre eigene Geschichte durch das Projekt
verändert?
Wurster: Ja. Es heißt ja, dass sich vor allem in den ersten Lebensjahren
Selbst- und Fremdbilder entwickeln. Und mir ist aufgefallen, wie stark
diese Prägungen doch sind. Ich habe mich sehr viel damit beschäftigt,
[2][wie meine Mutter gelebt hat] und dass ich vieles davon wiederholt habe.
taz: Was haben Sie wiederholt?
Wurster: Ich bin, wie meine Mutter auch, als sie mit mir schwanger war, auf
das westdeutsche Land gezogen und mit meinem Kind zu Hause geblieben. Und
war dann plötzlich diese Hausfrau. Ich war dem Leben meiner Mutter ganz
nahe und habe erkannt, dass für sie eben vieles nicht anders möglich war.
Ich verstehe sie nun viel besser als früher. Überhaupt haben einige
AutorInnen in dem Buch über die [3][Frauen] in ihren Familien geschrieben
oder darüber, wie sie dann selbst versucht haben, anders als die zu leben.
taz: Brechen Sie im Buch mit Tabus?
Wurster: Wir brechen dahingehend Tabus, dass wir ganz verschiedene
Positionen zu Wort kommen lassen, an denen wir uns selbst manchmal reiben
und zugleich total froh sind, dass sie im Buch sind. Das Verständnis von
[4][Feminismus] ist extrem unterschiedlich. Oder es gibt beispielsweise
konträre Ansichten über Kinderbetreuung. Darüber, ob es richtig ist, Kinder
früh in Institutionen zu geben oder nicht. Das ist unter uns AutorInnen
sehr kontrovers diskutiert worden. Und das finden wir hervorragend so.
11 Jun 2025
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## AUTOREN
Karoline Gebhardt
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